Frauengeschichte(n) Tag der Regional- und Heimatgeschichte Marzahn-Hellersdorf
Bild: Luise Drehsen/pixelio.de
von Waltraud Käß
„Karg der Lohn,
voll Hohn das Wort, wenn wir Recht zu fordern wagen.
Schweigt! Die Küche ist der Ort,
wo ihr rechtlos sollt euch plagen.“
Diese Strophe eines Gedichts der Sozialdemokratin, Journalistin und Arbeiterschriftstellerin Emma Döltz, die von 1866 bis in die Neuzeit lebte und im Jahre 1950 verstarb, charakterisiert die Situation der Frauen in dieser Zeit und macht deutlich, welche Kämpfe die Frauenbewegung in der Vergangenheit führen musste, welche Niederlagen ihren Weg pflasterten und welche Siege sie letztendlich doch errang. Wobei diese Siege nicht flächendeckend in der Welt wirken, und auch noch mancher Kampf im Kleinen mit dem männlichen Geschlecht ausgefochten werden muss.
Der Heimatverein Marzahn-Hellersdorf e.V. hatte sich am 14.10. 2017 der Geschichte und den Geschichten von Frauen im jetzigen Bezirk zugewandt. Wer kann besser über Frauen sprechen als die Frauen selbst? So war es nicht verwunderlich, dass sieben „starke Frauen“ den Großteil der neun Vorträge bestritt.
Stellvertretend nenne ich Prof. Erika Meyer, die einen engagierten Vortrag über die Frauen in der DDR hielt und an ihrem persönlichen Beispiel darlegte, welchen Weg Frauen in der DDR nehmen konnten, wie sie ihre Gleichberechtigung auslebten, wie sie gefördert und gefordert und auf Augenhöhe mit dem männlichen Geschlecht wahrgenommen wurden. Viele der Frauen im Saal betraf das offensichtlich auch persönlich, wie man an Bemerkungen, Raunen und dem Beifall bemerken konnte.
Aber natürlich hätte manches auch noch viel besser gemacht werden können, sie nannte die Besetzung von Führungspositionen mit Frauen. Ja, da musste man schon besondere Leistungen vorweisen. Das ist heute nicht anders und viel komplizierter, und diesen Zustand wird auch eine Frauenquote nicht verändern. Ich jedenfalls bin froh, in dieser Zeit gelebt zu haben, von der sie sprach.
Welch ein Gegensatz zum Vortrag von Dr. Gisela Notz. Denn sie berichtete über das harte Leben und den Kampf der Frauen um bessere Arbeitsbedingungen in den Großbetrieben, um besseren Lohn, nicht zuletzt auch um die Gleichstellung der Frauen im politischen Leben, um das Recht, an Wahlen teilnehmen zu dürfen und politische Ämter wahrzunehmen. Eine der Vorkämpferinnen, Emma Döltz, rückte sie in den Blickpunkt, die viele Jahre in Mahlsdorf gelebt und u.a. auch gemeinsam mit Clara Zetkin journalistisch arbeitete.
Dr. Christa Hübner, die stellv. Vorsitzende des Heimatvereins, hatte bis weit zurück in das 14, Jahrhundert recherchiert und herausgefunden, dass im jetzigen Bezirk etwa um 1300 herum Frauen genannt werden, nämlich die Nonnen des Klosters, denen Grund und Boden geschenkt wurde. Sie berichtete von der streng patriarchalischen Welt dieser Zeit, in der mit Frauen nicht gerade zimperlich umgegangen wurde.
Knechte und Mägde durften nicht heiraten, denn Voraussetzung für einen Hausstand war ein gewisser Besitz, und den hatte niemand. Aber wohin mit der Lust? Wenn dann doch eine Schwangerschaft eintrat, traf es immer die Frauen. Sie mussten sogar das Dorf verlassen und wurden mit einer Kirchenstrafe belegt. Harte Zeiten! Auch mit der Ehe lief es nicht besonders gut. Liebe? Die gab es nur in Ausnahmen. Sie war in der Regel eine Versorgungsgemeinschaft und diente dazu, den Besitz zu mehren.
Wenn die Braut gleich einen Hof mitbrachte, war sie die begehrteste Frau. Doch vom Zeitpunkt der Ehe an war ihr Mann ihr Herr und Gebieter. Sie war zuständig für das Haus, die Küche, die Kinder. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden sich Frauen in „Anstellungen“ außerhalb des Hauses. Die „Handarbeitslehrerin“ ist so ein Beispiel dafür. Allerdings war gerade auch diese Berufsgruppe diskriminiert.
Diese Frauen hatten unter dem „Lehrerinnen-Zölibat“ zu leiden. Sie sollten unverheiratet sein. Nach einer Eheschließung mussten sie aus dem Dienst ausscheiden. Dass das aktive Wahlrecht erst mit dem Jahre 1919 auch für Frauen gilt, ist aus heutiger Sicht unvorstellbar.
Neben Dr. Manfred Teresiak ergriff auch Prof. Wolf R. Eisentraut das Wort, der übrigens sehr launig die gesamte Veranstaltung moderierte. Wer durch Marzahn-Hellersdorf wandert, kommt an einigen markanten Straßen, Häusern und Plätzen vorbei und weiß doch nicht, dass er hier auf die Ergebnisse der Arbeit von Architekten und Architektinnen trifft, die das Gesicht des Bezirks maßgeblich geprägt haben.
Das Rathaus Marzahn, das Freizeitforum, die Ringkolonnaden z.B. tragen die Handschriften der 40 – 60 % Frauen, die in den Planungs- und Architektenbüros für den Aufbau des Stadtbezirks gearbeitet haben. Zwei Namen sollen stellvertretend genannt werden. Der Straßenbahnhof Marzahn wurde von der Architektin Helga Hartenfeld geplant. Der Bau des Klärwerks Falkenberg wurde durch die Architektin Marianne Müller geplant und beaufsichtigt. Voller Stolz und Bewunderung sprach Prof. Eisentraut von den Leistungen der Architektinnen in seinem Büro.
Auch Künstlerinnen wurden mit der Gestaltung des Stadtbezirks beauftragt. Am Victor-Klemperer-Platz finden wir z.B. eine Statue der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger – nur ein kleines Beispiel. Dazu wurde ein Vortrag von Petra Pau (MdB) verlesen, die ihre Teilnahme leider aus anderen wichtigen Gründen nicht realisieren konnte.
Dass Frauen in der NS-Zeit im Widerstand gearbeitet haben, wurde bereits an einem Tag der Regional- und Heimatgeschichte thematisiert, als es um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ging. Dr. Teresiak hat dieses Thema noch einmal aufgegriffen und hat an einigen Beispielen in seinem Vortrag verdeutlicht, dass die Frauen unerschrocken an der Seite ihrer Männer tätig waren, Kurierdienste geleistet und Flugblätter vervielfältigt haben.
Gejagte wurden versteckt und versorgt. Wieviel Mut gehörte in jener Zeit dazu – ging es doch immer auch um das eigene Leben bzw. um das Leben der gesamten Familie. Die Berufstätigkeit der Frauen in Kaulsdorf nach 1900, die Frauen in der Wendezeit in Marzahn waren bei Karin Satke und Christine Rabe ein Thema und Dr. Monika Rank informierte über die bemerkenswerte Frau Alice Herz, die eine Friedenskämpferin von internationalem Rang war.
Es war ein informativer und beeindruckender Tag über die Rolle der Frau, ihre Geschichte und ihre Geschichten, die eng mit dem heutigen Stadtbezirk verbunden sind. Schade, dass die Vortragenden nicht noch mehr Zuhörer hatten. Doch die, die ihnen zuhörten, haben sich mit großem Beifall für die aufwendige Recherche und die umfangreichen Informationen bedankt.
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