Keiner redet über die Fußgängerbrücke am S-Bahnhof Marzahn …
Bild: Waltraud Käß
von Waltraud Käß
Doch ich wollte wissen, ob sie überhaupt noch im Gespräch ist. Seit fast zwanzig Jahren wohne ich im Stadtbezirk und ich habe nicht gezählt, wie oft ich die stählerne, verrostete Fußgängerbrücke zum S-Bahnhof hinüber beziehungsweise als Übergang zum Parkfriedhof Wiesenburger Weg genutzt habe. Mit mir zigtausende weitere Menschen, die sich auch so ihre Gedanken über den stetigen Verfall dieses Bauwerks machen werden. Und was mögen Rollstuhlfahrer denken, wenn sie von der Märkischen Allee aus zum Friedhof fahren wollen?
Von dieser Seite und auch nicht eine Station weiter vom S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße kommen sie über die Gleise der S-Bahn. Sie müssen den beschwerlichen Weg an der Knorr-Bremse vorbei über den Wiesenburger Weg nehmen. Und wer von der Stadt herkommend über dieses Eingangstor Marzahn betritt, hat nicht gerade einen ersten, positiven Eindruck vom Stadtbezirk.
Da war es naheliegend zu hoffen, dass mit dem Bau des Einkaufszentrums Eastgate und der dazugehörigen Brücke zum Bahnhof gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Vom Bahnhof über die Gleise bis zum Wiesenburger Weg sind es ja nur wenige Meter, und für die Marzahner Bürger war klar, dass dieses Problem nun endlich gelöst wird. Wie groß war die Enttäuschung, als die Brücke abrupt am Bahnsteig endete.
Es wurde versprochen, dass an der Lösung des Problems gearbeitet wird. Inzwischen hat das Eastgate schon längst sein zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Ab und zu konnten die Bürger kurze Statements in der Presse lesen – so z.B. im Jahre 2016- dass hinter den Kulissen an der Lösung gearbeitet wird, es aber Arbeiten gibt, die nicht sofort sichtbar sind. Verständlich, sollte doch schon im Jahre 2014 der Spatenstich stattfinden, was auch so in der Presse stand. Von dem aber nichts zu sehen war.
Und inzwischen ist der „kleine“ Brückenbau schon länger überfällig als der Flughafen BER. Offensichtlich gab es seitens der Deutschen Bahn kein vitales Interesse, diesen „Viadukt“ attraktiver zu gestalten. Seitdem war himmlische Ruhe eingekehrt. Wo also liegt der Hase im Pfeffer? Wen also fragen? Der Bereich Stadtentwicklung des Bezirksamtes Marzahn-Hellersdorf müsste der richtige Ansprechpartner sein. Denn für die Bezirkspolitiker ist das Wohl der Bürger und die Gestaltung ihres Wohnumfeldes eine ihrer Aufgaben.
Gesagt, getan, ich wurde vorstellig, um für unsere Leser Informationen aus erster Hand über den Stand der Dinge zu erfahren. Nun ist der Bereich groß, nicht jedes Projekt ist im Detail bekannt. Vielleicht landete ich deshalb bei der netten Mitarbeiterin der Denkmalpflege. Hier war ich eigentlich am richtigen Platz, denn inzwischen könnte man die verrostete Brücke schon als „Industriedenkmal“ führen. Aber sie half mir weiter. Ein kurzes Telefonat wies mir den Weg auf die Zielgerade zur „Wirtschaftsförderung“.
In Frau Rüdiger, der Leiterin der „Wirtschaftsförderung“, fand ich die kompetente und gesprächsoffene Partnerin, die ich gesucht hatte. Umfassend führte sie mich in die langwierigen Verhandlungen, in die komplizierten und verzweigten Strukturen der möglichen und auch notwendigen Kooperationspartner und Zuständigkeitsbereiche, und in die Suche nach den Finanzierungsquellen ein. Ich gewann den Eindruck, dass diese zierliche Frau bei allen Umwegen und Kompromissen doch nie das Ziel aus den Augen verlor.
Diese Zielstrebigkeit war auch bitter nötig, wenn man bedenkt, dass es bereits im Jahre 2007 im Zusammenhang mit der Gestaltung des Gewerbeparks Georg Knorr, in dem etwa 1.000 Menschen tätig sind, Überlegungen gab, die nördliche Fußgängerbrücke zum Wiesenburger Weg zu verlängern. Zwischen dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf, der Deutschen Bahn AG als Eigentümerin der Flächen und Anlagen und der Knorr – Bremse, die als Bauherrin und Kofinanziererin vorgesehen war, wurden nun die notwendigen vertraglichen Vereinbarungen abgeschlossen und in Teilen bereits an der Realisierung gearbeitet.
Doch es gab einen Rückschlag. Etwa ein Jahr später stieg die Knorr- Bremse aus dieser Vereinbarung aus. Damit war alles auf Anfang gesetzt. Wieder begann die Tippel-Tappel-Tour des Bezirksamtes. Bitten an der einen Stelle, Forderungen an anderer, da und dort Zugeständnisse, um das Projekt überhaupt am Leben zu erhalten. Da darf man wirklich nicht die Nerven verlieren. Schließlich mündeten die jahrelangen Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG und der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung im Jahre 2012 in die Zusage der notwendigen Fördermittel.
Ein Realisierungsvertrag zwischen Deutscher Bahn AG und deren Bereichen Netz AG und Station & Service AG sah vor, dass nunmehr die Planung und Bauausführung durch die Deutsche Bahn AG selbst erfolgt. Damit schien alles in trockenen Tüchern. Dass sich im Laufe der Jahre allerdings die vorgesehenen Gesamtkosten immer weiter erhöhten, hing aber wie ein Damoklesschwert über dem geplanten Bauvorhaben und musste immer wieder neu verhandelt werden.
Im Jahre 2015 informierten die beiden Bereiche der DB AG das Bezirksamt über den Stand der Arbeiten, wiesen aber auch auf Kosten und Risiken hin. Die Planungsunterlagen aus dem Jahr 2008 konnten technisch nicht in allen Positionen umgesetzt werden. Neue Überlegungen waren notwendig. Der Laie denkt: Ist doch überhaupt kein Problem. Das kleine Stück Brücke über die Gleise kann man doch ganz schnell ansetzen, rüber über die Gleise, auf der anderen Seite wieder runter. Fertig! Aber so einfach ist die Sache nicht.
Eine neue Technologie für die Herstellung des Fundaments im Bereich des ehemaligen Aufsichtsgebäudes des Bahnhofs musste gefunden werden. Zur Sicherung der Stabilität und der Aufnahme der Lasten ist dies nur an dieser Stelle möglich. Da befinden sich jetzt aber sicherheitsrelevante Anlagen der DB AG, die schutzwürdig sind. Außerdem dürfen in den Gleisen keine Zwischenpfeiler stehen. Zu bedenken war auch wegen der Statik der Brücke der Anschluss und die Überdachung einer Rampe an die Brückenverlängerung, um den barrierefreien Zu- bzw. Abgang zu sichern.
Schwierigkeiten über Schwierigkeiten, die das Zeitfenster für den endlichen Beginn immer weiter nach hinten verschoben. Die Zitterpartie war eigentlich erst zu Ende, als die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung als Fördermittelgeber die Zusage gab, die aufgelaufenen Kostenerhöhungen zu akzeptieren und die Finanzen, die inzwischen in die Millionen gehen, zur Verfügung zu stellen.
Nun sind die Ausschreibungen abgeschlossen und die DB AG hat dem Bezirksamt mitgeteilt, dass die Arbeiten zur Verlängerung der Brücke und zur Errichtung der Rampe im Herbst 2017 beginnen sollen. Dann können Fußgänger und Rollstuhlfahrer am Eastgate in den Fahrstuhl steigen, die Brücke und die Gleise überqueren und über die Rampe barrierefrei den Wiesenburger Weg erreichen.
Das alte „Industriedenkmal“ wird teilweise abgerissen. Passanten, die von der Straßenbahn kommen, erreichen den S-Bahnhof von der Märkischen Allee aus noch über diesen Zugang, der hoffentlich etwas attraktiver gestaltet wird. Als ich am S-Bahnhof Marzahn die alte Brücke fotografierte, sprach mich eine ältere Dame an: “Warum fotografieren Sie denn ausgerechnet diese Brücke? Das ist doch ein Schandfleck für Marzahn. Ich muss oft zum Friedhof. Diese Brücke ist auch sehr beschwerlich für uns ältere Menschen.“ Ich stimmte ihr zu mit der Bemerkung, dass ich dazu einen Artikel schreiben würde. „Das machen Sie richtig, decken Sie diese Schlamperei auf.“
Da war es mir eine kleine Freude, sie darüber aufzuklären, dass es 2017/2018 nun endlich den Weiterbau der Fußgängerbrücke vom Eastgate aus zum Wiesenburger Weg geben wird. Ihr die ganze Geschichte zu erzählen, habe ich mir erspart. Die bleibt unseren Lesern vorbehalten.
Was lange währt, wird gut??? Hoffentlich!!! Man weiß ja nie, wie das Leben so spielt. Ich danke Frau Rüdiger, dass sie mir Einblick in die Unterlagen gewährte.
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