Eine „hilfreiche“ Einrichtung
Bild: Privat/Joachim Adam
von Waltraud Käß
Mitten im alten Angerdorf Berlin-Marzahn, unweit der Kirche, trifft der Spaziergänger auf ein großes, geöffnetes Tor. Es ist, als ob es seine Flügel zum Willkommensgruß ausgebreitet hätte, lädt ein, neugierig den kleinen Hof mit der bestuhlten, im Sommer von großen Sonnenschirmen beschatteten Terrasse, zu betreten, um heraus zu finden, was sich in diesem Hof noch so alles verbirgt.
Der Besucher kann es aber bereits auf dem Aufsteller am Tor lesen, wenn er nicht achtlos an diesem vorüber geht, sondern vielleicht für einen Augenblick inne gehalten hat.
Hier auf diesem Areal befindet sich neben der Selbsthilfe-,Kontakt- und Beratungsstelle das Alkoholfreien-Begegnungs-Centrum (ABC) des Stadtbezirks Marzahn-Hellersdorf. Ausführlich über die Arbeit dieser Einrichtungen zu berichten, brauchte es Stunden und viele Seiten Papier, darum kann nur ein kleiner Ausschnitt der vielfältigen Aktivitäten hier dargestellt werden.
Denn auch der Zeitraum des Bestehens der Selbsthilfe-Kontaktstelle müsste gewürdigt werden. Immerhin hat diese Einrichtung im Jahre 2014 ihr 20-jähriges Bestehen mit vielen interessanten Veranstaltungen und Angeboten gefeiert.
Mit unzähligen Rat- und Hilfesuchenden, die zum ersten Mal in diese Einrichtung kamen oder kommen, mit Menschen, die unter gleicher Krankheit, Behinderung oder seelischer Belastung leiden, führen die beiden Sozialarbeiter Yvonne Vedder und Tilman Pfeiffer das erste Beratungsgespräch.
Diese Gespräche beinhalten zum Abschluss das Angebot, diese Menschen zueinander zu bringen, die Gleiches erlebt oder erlitten haben, und ihnen im Rahmen von Selbsthilfegruppen unterschiedlicher Art methodische Unterstützung zu geben, ihren Weg im Leben zu gehen oder wieder zu finden.
Nicht mehr und nicht weniger. Denn die Gruppenteilnehmer nehmen dann ihre Probleme selbst in die Hand, indem sie ihr persönliches Wissen und ihre persönlichen Erfahrungen austauschen, und damit auch zu neuen Erkenntnissen gelangen. Von der gemeinsamen Suche nach neuen Wegen aus dem Teufelskreis der Krankheit oder der Trauer profitiert also nicht nur die Gruppe insgesamt, sondern auch jeder Einzelne.
Eine Vielzahl ehrenamtlicher Mitarbeiter unterstützt diese Arbeit. Sie werden in Lehrgängen auf ihre Aufgaben vorbereitet und begleitet. Unzählige Beratungsangebote werden unterbreitet und viele Fachvorträge zur Begleitung der Selbsthilfe organisiert. Um das alles zu schaffen, müssen die beiden Sozialarbeiter eine konzentrierte Arbeit leisten.
Im Flyer der Wuhletal-Psychosoziales Zentrum gGmbH, zu der die Selbsthilfe-Kontaktstelle gehört, ist zu lesen, was als Motto für dieses soziale Engagement im Rahmen der Statteilarbeit gelten kann:
„Zugehörigkeit und Heimat entstehen dort, wo Menschen ihr Leben und ihre Umwelt selbst gestalten. Stadtteilarbeit… beinhaltet viele Formen der Selbsthilfe und fördert soziales Miteinander, Toleranz und Offenheit. Wir greifen die Interessen und Probleme im Kiez auf und erarbeiten so gemeinschaftliche Angebote und Lösungen.“
Dass diese Angebote eine große Resonanz erfahren, zeigt allein die Tatsache, dass gegenwärtig 94 Selbsthilfegruppen im Bezirk arbeiten und der Bedarf nach der Gründung weiterer Gruppen nach wie vor besteht.
Im Rahmen der klassisch-körperlichen Erkrankungen wären neben anderen zu nennen die Selbsthilfegruppen für Krebs, Rheuma, Schlaganfall, Parkinson oder Multiple Sklerose.
In mehreren Gruppen für psychische oder psychosomatische Erkrankungen treffen sich Menschen mit Ängsten, Depressionen, Zwangsstörungen, sozialer Phobie oder Burnout, um nur einige zu nennen. Ein Warnhinweis für die Situation in unserer Gesellschaft.
Suchterkrankungen werden insbesondere im Alkoholfreien-Beratungs-Centrum (ABC) betreut. Hier finden Menschen mit Alkohol-, Drogen-oder Medikamentenabhängigkeit Hilfe und Unterstützung. Fachvorträge durch Mediziner oder auch Juristen runden das Angebot für diese Gruppen ab.
Das Leben der Menschen ist von Höhen und Tiefen geprägt. Verliert man einen lieben Menschen, fällt der zurück Gebliebene oft in ein tiefes Loch und wird mit seiner Trauer um den verstorbenen oder durch Scheidung verlorenen Partner nicht alleine fertig. Auch dafür gibt es Selbsthilfegruppen.
Hier können die Betroffenen ihr Herz öffnen, über ihre Belastungen, ihre Trauer und ihre Ängste sprechen, sich also den Schmerz von der Seele reden. Doch Freud und Leid liegen oft eng beieinander. Gerade auch in diesen Gruppen entstehen neue Freundschaften, plant man gemeinsame Unternehmungen. Und es ist gar nicht so selten, dass sich hier auch neue Paare zusammen finden. Gleiches Leid verbindet.
Desweiteren gibt es mehrere Gruppen für Rat- und Hilfe suchende Angehörige von Pflegebedürftigen. Um diesen Bedarf zu koordinieren, wurde im Stadtteilzentrum MOSAIK eine Kontaktstelle „Pflegeengagement“ eingerichtet. Über diese Kontaktstelle wird unter anderem ein Besuchsdienst, die „Zeitschenker“, vermittelt.
Ehrenamtliche Mitarbeiter, und davon gibt es nie genug, schaffen Freiraum für pflegende Angehörige, organisieren mit den pflegebedürftigen Menschen gemeinsame Aktivitäten, gehen mit ihnen spazieren, lesen ihnen aus Büchern und Zeitschriften vor, kochen gemeinsam mit ihnen oder amüsieren sich beim gemeinsamen Karten- oder Brettspiel.
Ein neues Angebot wird gegenwärtig von der Selbsthilfe-Kontaktstelle gemeinsam mit dem Unfallkrankenhaus Berlin-Marzahn erarbeitet. Es richtet sich speziell an Menschen mit Amputation. Der Verlust von Gliedmaßen schränkt die Betroffenen ja nicht nur körperlich sehr ein, sondern führt sie zu einem seelischen Tiefpunkt, aus dem sie so schnell nicht heraus finden.
Ihnen dabei zu helfen, ist Inhalt des neuen Angebots. „Erfahrene“ amputierte Menschen helfen durch Besuch und Begleitung neuen Patienten, vermitteln ihnen, dass es auch weiterhin ein Leben mit einer solchen Behinderung gibt, machen ihnen Mut und zeigen ihnen eine neue Perspektive auf.
Selbsthilfe bedeutet aber auch, schöne Erlebnisse mit anderen Menschen zu teilen. Die Altersstruktur, die Struktur der Haushalte im Stadtbezirk zeigt einen hohen Anteil von Alleinstehenden gerade im Alter. Einsamkeit macht mitunter auch krank.
Und darum haben insbesondere auch die Kreativ- oder Bewegungsgruppen großen Zulauf. Im MOSAIK z.B. wird gemeinsam im Chor gesungen, beim Standardtanz „Waschhaus“ und beim Seniorentanz getanzt. Oder einige Teilnehmer wandern als Nordic-Walking-Gruppe durch die Natur.
Lach-Yoga tut nicht nur dem Körper, sondern auch der Seele gut. Oder es wird kreativ gearbeitet u.a. in den Gruppen Klöppeln, Schmuckgestaltung, Malen und Gestalten oder Handarbeit. Viele weitere Aktivitäten und Veranstaltungen runden das Angebot ab.
Ein Blick in die Geschichte zeigt, welche Entwicklung diese „soziale Stadtteilarbeit“ genommen hat. Alles begann im Jahre 1994 mit der Einrichtung der Selbsthilfe-Kontaktstelle im Ärztehaus am Helene-Weigel-Platz 10. Erste Gruppen wurden gebildet und begleitet.
Bereits 1996 übernahm der Verein Wuhlgarten e.V. die gebildeten Selbsthilfegruppen. Im Jahre 2005 zogen bereits 41 Selbsthilfegruppen mit um nach Alt-Marzahn in das neue Domizil. Im Jahre 2006 folgte dann das Alkoholfreien-Begegnungs-Centrum mit 16 Gruppen.
Heute verfügt die Wuhletal-Psychosoziales Zentrum gGmbH, deren Gesellschafter der Wuhlgarten e.V. sowie die Volkssolidarität sind, über fünf Einrichtungen im Stadtbezirk mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen:
1. Die Selbsthilfe-,Kontakt- und Beratungsstelle Marzahn – Hellersdorf in Alt-Marzahn 59 A, Telefon: 54 25 103 oder Mail selbsthilfe@wuhletal.de
2. Das Alkoholfreie-Begegnungs-Centrum (ABC) in Alt-Marzahn 59 A Telefon: wie Selbsthilfe-Kontaktstelle
3. Das Stadtteilzentrum MOSAIK, Altlandsberger Platz 2 Telefon: 54 988 183 oder Mail mosaik@wuhletal.de
4. Die Kontaktstelle Pflegeengagement, Anschrift wie Stadtteilzentrum MOSAIK, Telefon: 54 988 495 oder Mail pflege@wuhletal.de
5. Die Krankenhauskirche im Wuhlgarten mit einem umfangreichen Veranstaltungsangebot und einem Cafe der Stille Brebacher Weg 15 Telefon: 56 296 94 23 oder Mail: kirche@wuhletal.de
Alle diese Einrichtungen können kostenlos genutzt werden.
Was wäre unsere Gesellschaft ohne die Menschen, die mit einem Ehrenamt andere Menschen glücklich machen und gleichzeitig auch Verantwortung für sie übernehmen?
Dieses soziale Engagement kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden. Deswegen gebührt großer Dank und Anerkennung den SozialarbeiterInnen dieser Einrichtungen sowie allen ehrenamtlichen Mitarbeitern. Und das soll an dieser Stelle auch einmal öffentlich gesagt werden.
Das Beste wird sein, sie machen einen großen Spaziergang und besuchen das schöne, alte Angerdorf Marzahn. Und bei dieser Gelegenheit schauen sie einfach mal vorbei in der Selbsthilfe-Kontaktstelle Alt-Marzahn 59 A, egal, ob sie Hilfe brauchen oder Hilfe geben möchten.
Vielleicht suchen sie eine neue Herausforderung? Vielleicht ein Ehrenamt? Hier kann ihnen mit Auskunft und Informationsmaterial geholfen werden.
Die Sozialarbeiter Frau Vedder und Herr Pfeiffer stehen ihnen Mo 13 – 17 Uhr, Di 15- 19 Uhr, Freitag 9 – 13 Uhr zur Verfügung und heißen Sie und Sie sicher ganz herzlich willkommen.
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