Die "Spätlese" wird zwanzig

Deckblatt des Seniorenmagazins Spätlese Mai-Juni 2014

von Waltraud Käß

Vor mir liegt ein Exemplar der Ausgabe 01-02 der „Spätlese“ des Jahres 2003.

Eines Tages war es in meinem Briefkasten gelandet. Der Inhalt war interessant, das Heft insgesamt gut gemacht. Doch eigentlich tangierten mich die Themen nur am Rande, denn im Jahre 2003 stand ich noch mitten im Arbeitsleben, hatte andere Probleme zu bewältigen, und ich dachte überhaupt noch nicht an ein Dasein als Ruheständlerin.

Intuitiv habe ich das Heft jedoch aufbewahrt, obwohl es noch weitere Ausgaben danach gab.

Warum habe ich ausgerechnet dieses Heft aufbewahrt? War es der Artikel über die Altenplanung der Jahre 2002 bis 2006 im Bezirk?

Das hätte mich ja auch betroffen. Oder war es der Bericht über die Arbeit der Seniorenvertretung Marzahn-Hellersdorf? Oder waren es die Veranstaltungstipps? Ich weiß es heute nicht mehr. Vielleicht wollte ich mich erneut damit befassen, wenn auch ich zur Gruppe der Senioren gehörte.

Irgendwann lagen keine Hefte mehr in meinem Briefkasten. Ich bedauerte das, fragte aber auch nicht nach der Ursache des Verschwindens. Dass die Papierausgabe der Spätlese im Jahre 2008 mangels finanzieller Mittel eingestellt werden musste, erfuhr ich erst einige Jahre später.

Dass die Macher des Magazins dennoch nicht aufgaben, die Idee eines Online-Magazins geboren wurde, welches durch die ehrenamtliche Mithilfe vieler schreibfreudiger Menschen und mit Unterstützung des Bezirksamtes bis heute existiert, kann man nicht hoch genug würdigen.

Ende des Jahres 2011 wurde ich durch einen Bericht über die Spätlese und deren Redaktion in einer Zeitung darauf aufmerksam, dass die „Spätlese“ noch existiert, dass zur Verstärkung der Redaktion aber fleißige Schreiberlinge gesucht werden.
Schreiben – das bedeutete, sich aktuelle oder historische Themen aussuchen zu können, sie möglichst interessant aufzuarbeiten und einem Leserkreis anzubieten, der ja in diesem Falle anonym ist.

Das ließ mich aufmerken. Ich war schon als Schülerin eine fleißige Schreiberin von Aufsätzen und ließ damals meiner Phantasie freien Lauf. Während meines Arbeitslebens bin ich ohne Schreiben auch nicht ausgekommen. Ich habe die Berichte und Referate, die während meines ganzen Lebens entstanden sind, nicht gezählt, aber es war eine Menge.

Folgerichtig würde mir etwas fehlen, wenn ich diesem „Hobby“ mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsprozess nicht mehr folgen könnte. Aber ich hatte Glück.

Nahtlos konnte ich weiter schreiben, allerdings keine Referate mehr, sondern Kurzgeschichten. Im Jahre 2004 stieß ich durch eine Lesung Im Frauenzentrum HELLMA auf den Literarischen Frauenstammtisch Berlin-Marzahn, dem ich dann von 2004 – 2011 angehörte. Er existiert noch immer und ist auch an phantasievollen Schreiberinnen interessiert.

Übrigens gibt es auch eine eigene Website unter www.literaturstammtisch.xobor.de für interessierte Leserinnen und Leser. Nach wie vor fühle ich mich meinen Stammtischfreundinnen verbunden und möchte diese Jahre nicht missen.

Doch die Phantasie ist nicht immer unerschöpflich oder sie wird durch äußere Einwirkungen stark beeinträchtigt. Mit dem Ausschleichen aus dem Stammtisch hatte ich nun ein Defizit. Doch das Schreiben an sich wollte ich nicht aufgeben. Da kam mir die Suche der Redaktion „Spätlese“ nach geeigneten Mitarbeitern gerade recht.

Ein Telefonat, ein persönliches Gespräch mit dem Vorsteher dieser Sonder-Sozialkommission, drei Wochen später nahm ich das erste Mal an der Redaktionssitzung der „Spätlese“ teil und wurde herzlich aufgenommen. Nun arbeite ich schon zwei Jahre für die „Spätlese“.

Ich bemühe mich ebenso wie alle anderen Redaktionsmitglieder, aktuelle oder sonstige Themen aufzugreifen und darüber zu schreiben. Dass meine subjektive Meinung in manchen Beiträgen zum Tragen kommt, liegt in der Natur der Dinge, denn ich habe zu allem, was ich beschreibe, einen Standpunkt. Der muss nicht immer richtig sein, aber es ist meiner. Und er regt vielleicht auch andere Menschen zur Auseinandersetzung mit dem Thema an.

Ich habe jedenfalls Spaß an dieser Arbeit. Zur Leserschaft gibt es online natürlich kaum persönlichen Kontakt, sieht man von den eigenen Bekannten und Freunden mal ab. So hören wir nicht viel darüber, ob die Leser unsere Beiträge gut oder schlecht finden. Das ist schade.

Darum wünsche ich mir, dass sich mehr Leser in der Zukunft über die Kontaktadresse kritisch oder lobend äußern. Vielleicht gibt es auch Themenvorschläge seitens unserer Leser, über die wir unbedingt mal schreiben sollten. Das wäre gut, denn wir wollen ja nicht an unserer Leserschaft vorbei schreiben, sondern allen etwas bieten.

Wird es die „Spätlese“ in zwanzig Jahren noch geben? Das steht in den Sternen. Aber jetzt wünsche ich, dass uns jede weitere Ausgabe gut gelingt, dass ich noch einige Jahre produktiv daran beteiligt bin, und dass mir und der gesamten Redaktion die Themen nicht ausgehen.