Am 1. Oktober 2005 trat das Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK = Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz) in Kraft. Mit dem “Schutzauftrag” der Kinder- und Jugendhilfe bei Gefährdungen des Kindeswohls soll ein effektiverer Schutz des Kindeswohls insbesondere durch:
- die Konkretisierung des Schutzauftrags des Jugendamtes (§ 8a SGB VIII),
- die Neuordnung der vorläufigen Maßnahmen bei Krisenintervention (§ 42 SGB VIII),
- eine stärkere Berücksichtigung des Kindeswohls beim Sozialdatenschutz (§§ 61 ff. SGB VIII) und
- der verschärften Prüfung von Personen mit bestimmten Vorstrafen (§ 72a SGB VIII)
erreicht werden.
Der Schutz von Kindern und Jugendlichen bei Gefahren für ihr Wohl soll verbessert und es sollen bestehende Hilfeleistungen dadurch optimiert werden, dass Gefahrensituationen früher erkannt werden. Durch verbindliche Absprachen der (interinstitutionellen) Zusammenarbeit, soll grade bei akuten Krisen, der Verfestigung von Gefährdungslagen für das Kindeswohl entgegengewirkt werden.
Es traten auch Neuerungen in Kraft, in denen Fachkräfte freier (privat-wirtschaftlicher) Träger in besonderer Weise verpflichtet werden, bei Hinweisen auf Gefährdungen für das Wohl von Kindern und Jugendlichen tätig zu werden. Der § 8a SGB VIII* benennt die Rahmenbedingungen fachlichen Handelns und auf welche Weise Fachkräfte die Trägern der öffentlichen und freien Jugendhilfe bei der Wahrnehmung ihrer jeweils individuellen Aufgaben mit gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung umzugehen haben. Auf der anderen Seite beinhalten diese Regelungen eine Fülle von unbestimmten Rechtsbegriffen, die von juristischer und pädagogischer Seite einzugrenzen und fachlich einzuordnen sind.
Zum einen handelt es sich bei § 8a SGB VIII* um eine Verfahrensvorschrift (z. B. die Regelungen zum Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte, zur Beteiligung der Personensorge- oder Erziehungsberechtigten und der Kinder/Jugendlichen, zur Informationsweitergabe vom Träger der freien an den Träger der öffentlichen Jugendhilfe). Zum anderen beinhaltet die Vorschrift auch konkrete eigenständige Aufgaben, so etwa zur Abschätzung des Gefährdungsrisikos, zur Anrufung des Familiengerichts oder zur Einschaltung anderer zuständiger Stellen außerhalb der Kinder- und Jugendhilfe. Außerdem enthält § 8a Aussagen zur Inobhutnahme nach §42 Abs.3 Satz 2 SGB VIII. Zur Erfüllung des Schutzauftrages wird das Jugendamt gem. § 8a SGB VIII* Abs. 1 tätig, wenn so genannte „gewichtige Anhaltspunkte“ für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen bekannt werden. Die Jugendämter sind in einem solchen Fall angehalten, im Sinne einer retrospektiven Gesamtschau,
Informationen und Anhaltspunkte zu beurteilen und das Gefährdungsrisiko abzuschätzen (vgl. Meysen/Schindler 2004, S. 449 ff.).
Die Abschätzung des Gefährdungsrisikos soll dabei nicht in der alleinigen Verantwortung einer bzw. der fallverantwortlichen Fachkraft im Jugendamt (bzw. bei einem Träger von Einrichtungen und Diensten) liegen, sondern es wird ausdrücklich bestimmt, dass diese Aufgabe „im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte“ zu leisten ist. In diesen Prozess sollen auch die Personensorgeberechtigten und das Kind/der Jugendliche einbezogen werden.
Mit der Konkretisierung des Schutzauftrages bekommen strukturierte Verfahren der Risikoeinschätzung eine neue Gewichtung und die verpflichtende Regelung zum Einbezug einer oder mehrerer Fachkräfte trägt dazu bei, die Klärungs- und Einschätzungsphase bei Hinweisen auf Gefährdungen zu strukturieren und sich standardisierten Qualitätsmaßstäben anzunähern. Durch die besondere Verpflichtung der Übernahme des Schutzauftrags für Fachkräfte freier Träger – und der damit verbundenen Aufforderung zu einer (zunächst) selbstständigen Abschätzung des Gefährdungsrisikos und der Vermittlung von Hilfsangeboten – kann die Methode der Fall- bzw. Hilfekonferenz auch hier wirksam sein, zumal die erarbeiteten und dokumentierten Ergebnisse als Grundlage für Entscheidungen im Hilfeplanverfahren (gem. § 36 SGB VIII) dienen können. Das Gesetz sieht ausdrücklich die Hinzuziehung einer „insoweit erfahrenen Fachkraft“ vor.