In einem kleinen buchländischen Dorf des Kronlandes der k. u. k. Monarchie Ungarn-Österreich (heute: Bukowina in Rumänien und Ukraine) wurde als dritter Sohn einer armen jüdischen Pächterfamilie Joseph Schmidt am 4. März 1904 geboren.
Sein früh erkanntes musikalisches Talent wurde von der Mutter, Freunden und Lehrern gefördert. Nach seinem ersten Opernkonzert in Czernowitz schickte man ihn nach Berlin an die Staatliche Akademische Hochschule für Musik, wo er bei Professor Weißenborn ab 1925 seine Ausbildung fortsetzte. Im April 1929 begann beim Berliner Rundfunk im VOX-Haus sein kometenhafter Aufstieg als Rundfunktenor, während ihm die Opernbühne wegen seiner Körpergröße von 1,54 m versperrt blieb.
Er, das Multitalent, der Kantor, der Tenor und Rundfunkpionier, konnte auch Geige und Klavier spielen, komponierte und erlernte fünf Sprachen. Welch ein Vorbild, welch ein Ansporn heute – dieser „Sänger des Volkes“ war ein wirklicher Superstar.
Sein Schicksal aber war eines der tragischsten. Als Jude 1933 in der Nacht vor der Bücherverbrennung aus seiner Wahlheimat Berlin geflohen, von den Nazis durch ganz Europa bis in die Todesfalle Frankreich gehetzt, kam dieser strahlende Tenor 1942, nur 38jährig, im Land des jahrhundertealten Asylrechtes Schweiz in einem Asyllager durch Bürokratie und unterlassene ärztliche Hilfeleistung ums Leben. Seine Krankenakte bleibt im Schweizer Nationalarchiv bis 2012 gesperrt.
Zu seinem 100. Geburtstag wurde der weltberühmte Sänger durch eine Sonderbriefmarke geehrt. Höhepunkt seiner Ehrung 2004 war die Musikschulbenennung, die einzige in der Welt, die nun seinen Namen trägt. Ganz besondere Anerkennung findet das nicht nur bei Nachfahren der Familie, sondern auch vom Staate Israel. Zukunft braucht Erinnerung, und so gewinnen die Lebensstationen von Schmidt heute wieder eine beklemmende Aktualität.
Angesichts seines tragischen Schicksals dürfen wir auch heute nie den Menschen als Einzelnen aus den Augen verlieren. Es gilt weiterhin Rassismus, Antisemitismus und Menschenverachtung sowie Bürokratismus zu bekämpfen. Joseph Schmidt war und ist nicht das einzige Opfer von Gleichgültigkeit und Wegschauen in gnadenlosen Zeiten.
In der Nähe der heutigen Joseph-Schmidt-Musikschule wurde März 1933 in den Johannisthaler TOBIS-Ateliers ein Stück Weltkultur geboren, als Schmidt hier den Tenorfilm „Ein Lied geht um die Welt“ drehte. Zeit seines Lebens unterstützte Joseph Schmidt Hilfebedürftige. Der bescheidene, einfache Künstler Joseph Schmidt war mit seiner menschlichen Wärme ein Leuchtturm, an dem wir uns heute noch orientieren können.
Musik ist eine Brücke zwischen den Menschen; wer das Musizieren erlernt, der hat selbst an Menschlichkeit gewonnen. In diesem Sinne will die Joseph-Schmidt-Musikschule wirken. Der Sänger des Volkes, “er bleibt in unseren Herzen …, … flieht auch die Zeit, das Lied bleibt in Ewigkeit”.
Wolf-Rüdiger G. Hegerding