Es stellt sich die Frage, zu welchem Preis eine Art Entlastung herbeigeführt werden soll und für wen. Wird einem Teil der Geflüchteten künftig der Zugang zum Recht auf Asyl noch stärker eingeschränkt, werden die Geflüchteten negative Auswirkungen spüren. Dabei „sei das individuelle Recht auf Asyl unantastbar“, hob Cansel Kiziltepe, Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung hervor.
Die restriktiveren Regeln würden sich wiederum schnell unter den Geflüchteten auf den Fluchtrouten herumsprechen, da die Geflüchteten in der Regel gut informiert seien, wie ein EU-Parlamentarier betonte. Damit steige auch die Wahrscheinlichkeit, dass Geflüchtete nicht nur irregulär über die Grenze nach Europa kämen, sondern sich anschließend undokumentiert in Städten durchschlagen würden. So würden Menschen auf der Flucht ihr Verhalten anpassen. Diese Prognose wurde auch durch einen Vertreter der städtischen Initiative für Migrant*innen mit irregulärem Status in Europa (C-MISE) bestätigt. C-MISE besteht aus über 50 Städten aus 18 Ländern. Viele Städte würden dabei einen pragmatisch-progressiven Weg wählen, hob ein Stadtvertreter aus den Niederlanden hervor. Auch bei undokumentiert Aufhältigen handele es sich schließlich um Bürger*innen in den Städten, die Menschenrechte haben, wie den Zugang zur Gesundheitsversorgung, der Schule oder Kita, so der Experte.
Erfahrungsaustausch und Best Practice
Städte verfügen dabei über Wissen, Erfahrungen und Instrumente, um Teilhabe zu gestalten. Städte haben das Potential, „Change Makers“ zu sein, Impulse und Innovationen auf den Weg zu bringen wie Modelle von City Cards, die eine Vertreterin der Stadtverwaltung aus Villeurbanne anhand der einjährigen Erprobungsphase in ihrer Stadt erläuterte.
Mit Blick auf den geplanten Solidaritätsmechanismus, der ab Mitte 2026 die verbesserte geteilte Verantwortung bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen sowie finanzielle Umverteilung vorsieht, gab es vorsichtig optimistische Stimmen unter den Referent*innen. Gerade wenn der Solidaritätsmechanismus mit einer europaweiten Anhebung von Aufnahmestandards und zusätzlicher direkter EU-Finanzierung von Kommunen einhergehe, käme dies vielen Geflüchteten und der Aufnahmegesellschaft und -bereitschaft zugute. Es wurde allerdings auch mit Sorge betrachtet, dass zahlreiche Nationalstaaten derzeit vielfach politisch-emotionalisierte Diskurse rund um Flucht und Migration führen und entsprechend ihre Politik gestalten. Umso wichtiger sind Stimmen der vielfach pragmatisch-progressiveren Städte in Europa, argumentierten Vertreter*innen von Eurocities, ANVITA aus Frankreich, des Bündnisses Städte Sicherer Häfen und der Internationalen Allianz Sicherer Häfen vor Ort.