Haus Dr. Bejach

Haus Dr. Bejach

Haus Dr. Bejach

  • Frontfassade 2012

    Frontfassade 2012

  • Lageplan und Grundrisse, 1930

    Lageplan und Grundrisse, 1930

  • Sanierung ab 2009

    Sanierung ab 2009

  • Sanierung ab 2009

    Sanierung ab 2009

  • Sanierung ab 2009

    Sanierung ab 2009

  • Sanierung ab 2009

    Sanierung ab 2009

  • Sanierung ab 2009

    Sanierung ab 2009

  • Innenaufnahme

    Innenaufnahme

Der Architekt Erich Mendelsohn (1887-1953) ist für seine frühen, expressionistisch anmutenden Skizzen bekannt geworden, von denen der Einsteinturm auf dem Potsdamer Telegrafenberg als ausgeführter Entwurf dieser Schaffensperiode zu einer Ikone der Architekturgeschichte wurde. Ebenfalls spannungsvoll, aber von einer funktionalen und sachlichen Architektursprachegeprägt, sind in Berlin und Brandenburg einige Beispiele seiner zweiten Phase zu finden. Ein bislang weniger beachtetes Projekt wurde am Stadtrand nach Mendelsohns Plänen ausgeführt. In der Ortslage Steinstücken im Bezirk Steglitz-Zehlendorf entstand 1927/1928 das Landhaus für den jüdischen Stadtarzt Dr. Curt Bejach (1890-1944 im KZ Auschwitz). Aufgrund seines weitgehend authentischen Erhaltungszustands ist es ein wichtiges Dokument der Neuen Sachlichkeit.

Das Haus positioniert sich im hinteren Teil eines tiefen Grundstücks (b/l = ca. 25/60 m), das mit seiner Schmalseite an die Bernhard-Beyer-Straße grenzt. Zweiseitig anschließende Pergolen verankern das Haus auf dem Grundstück und verbinden es mit den Grundstücksgrenzen. Die gute Lage und Ausrichtung des Baukörpers, der die Grundstücksbreite unter Berücksichtigung der notwendigen Abstandsflächen voll ausnutzt, ermöglichen ein hohes Maß an natürlicher Belichtung und teilen das Grundstück in zwei gut proportionierte Gartenbereiche. Der vordere, im Vergleich zum rückwärtigen “stillen Garten” weitaus größere Gartenteil wird durch Grundstücksmauer und Hecke vom öffentlichen Straßenraum und Nachbargrundstück abgeschirmt. Die Backsteinmauer ist Teil des Gesamtentwurfes und über die berankten Pergolen mit dem zweigeschossigen Bau verbunden. Dessen auffälligste Eigenschaft ist seine Fassadengestaltung, die dem Landhaus einen strukturierten, horizontalen Charakter verleiht. Erzeugt wird dieser durch die Bündelung von jeweils drei sichtbaren Backsteinlagen, auf die stets eine zurückspringende, hell verputzte Lage folgt. Weitere Stilmittel sind die Verbindung der Fenster des Obergeschosses in einem zurückspringenden Putzband, das auskragende Flachdach und die weitergeführte Sohlbank des Fensterbandes im Obergeschoss.

Die Gebäudekubatur, im Erdgeschoss auf rechteckiger Grundfläche basierend, reduziert sich im Obergeschoss in Längsrichtung um knapp vier Meter, um Raum für eine großzügige Terrasse zu schaffen. Der in Längsrichtung symmetrisch organisierte Grundriss ist im Erdgeschoss durch tragende Wände in drei Zonen gegliedert.
Auf den Eingangsbereich mit Garderobe und Gäste-WC, Treppe und Küche folgt der Wohnbereich. Unter Ausnutzung der gesamten Gebäudebreite veranschaulicht dieser dreiseitig belichtete Bereich gelungen das Prinzip des “Durchwohnens”. Das Symmetriemotiv findet hier seinen Höhepunkt und wurde auch in Querrichtung umgesetzt. Eine heute nicht mehr existierende Schrankwand berücksichtigte dies und spiegelte die sehr sorgfältige, auch die Einrichtungsgegenstände umfassende Grundrissplanung wider. Im letzten Teilbereich liegt zwischen den identisch gestalteten Arbeitszimmern die “Halle” mit Verbindung zum Außenraum. Das Obergeschoss beherbergt die an die Terrasse angebundenen Schlafzimmer der Familie, Ankleidezimmer und Bad sowie ein “Mädchenzimmer” und ein Fremdenzimmer, jeweils mit eigenem Wasseranschluss. Die Gestaltung der Grundrisse zeugt von einer äußert effizienten Ausnutzung der Gesamtwohnfläche von nur 150 m².

An Dr. Curt Bejach, der am 21.08.1933 aus dem Dienst entlassen wurde und drei Jahre später sein Haus durch Zwangsverkauf verlor, erinnert heute ein Stolperstein vor der Einfahrt des Landhauses.

Die nachfolgenden Besitzer nahmen zahlreiche Veränderungen vor. Neue Elemente wie Kamin, Garage und Schwimmbad kamen hinzu, Einrichtungsgegenstände gingen verloren – zu Lasten der Gesamtkomposition. Aktueller Eigentümer ist der Berliner Architekt Helge Pitz, der das Haus schrittweise in seinen Vorzustand versetzen möchte. Seit 2009 wurden zahlreiche denkmalpflegerische Maßnahmen durchgeführt, die durch den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und das Landesdenkmalamt Berlin gefördert wurden. Altersbedingte und durch mangelhafte Bauausführung entstandene Schäden erforderten eine behutsame Instandsetzung, die sich der Wiedergewinnung der ursprünglichen Gestaltqualität verschrieben hat. Neben umfangreichen Arbeiten an Dach, Gesimsbändern und Fensterbänken wurden die in den 1980er Jahren mit weißer Dispersionsfarbe versehenen Putzelemente der Fassade unter Verwendung von Keim`scher Mineralfarbe in hellem Ocker-Farbton erneuert. Vorausgegangen war, wie auch bei der Aufarbeitung der Fenster und Türen, eine Farbanalyse der restauratorischen Befunde am Objekt. Im Zuge der notwendigen Erneuerung der Pergolen konnte der charakteristische Bewuchs erhalten werden. Die stark korrodierten Stahlträger der backsteinverkleideten Pfeiler wurden in den abgängigen Bereichen ergänzt, fachgerechte Verblechungen wirken dem Schadensbild präventiv entgegen. Unsachgemäße bzw. in großen Teilen nicht vorhandene vertikale Abdichtungen des Kellermauerwerks machten die Abgrabung des Gebäudesockels zur Behebung dieses Missstandes notwendig. Die Grundstücksmauer wurde aufgrund mangelnder Standsicherheit abgetragen und unter Verwendung der Originalziegel und Einbeziehung der aufgearbeiteten Toranlage neu errichtet.

Ausstehende Maßnahmen, wie der Abtrag des den Gesamteindruck stark beeinträchtigenden Schwimmbades, die Wiederherstellung des Gartens sowie Ergänzungen einzelner Einrichtungsgegenstände sollen in nächster Zeit erfolgen. Das Haus dient der 2009 gegründeten Erich-Mendelsohn-Stiftung als Sitz, ist internationale Bildungsstätte zur Präsentation des architektonischen Lebenswerks Mendelsohns und Zentrum zur Förderung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der Architektur der Moderne.

Als bedeutendes Zeugnis der Berliner Moderne erfolgte 1987 der Eintrag in die Denkmalliste. Der klare, durch seine waagerechte Struktur sehr dynamische Baukörper überträgt den Entwurfsgedanken durch Auskragungen und weitgreifende Pergolen auf das gesamte Grundstück, verbindet so Außen- und Innenraum und lässt deutlich die spannungsgeladene Handschrift Erich Mendelsohns erkennen.

“In der effektvollen Einfachheit der gestalterischen Mittel eines der schönsten Landhäuser der 20er Jahre in Berlin.”
(Georg Dehio – Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, 3. Auflage, 2006)

Stand: 2012

Zeittafel

  • 21.03.1887

    Geburt Erich Mendelsohns in Allenstein (Ostpreußen)

  • 20.12.1890

    Geburt Dr. Curt Bejachs in Jena

  • 1927 – 1928

    Landhaus für Dr. Curt Bejach

  • 31.10.1944

    Dr. Curt Bejach stirbt im KZ Auschwitz

  • 15.09.1953

    Erich Mendelsohn stirbt in San Francisco

  • 1987

    Eintragung von Haus und Garten in die Denkmalliste

  • seit 2008

    Denkmal von nationaler Bedeutung

  • 06.09.2009

    Sanierungsbeginn Haus
    Gründung der Erich-Mendelsohn-Stiftung

  • 2012/2013

    Sanierungsbeginn Garten (geplant)

Faltblatt-Impressum

  • Herausgeber: Landesdenkmalamt Berlin
  • Abbildungen:
    Titel – Staatliche Museen zu Berlin, Kunstbibliothek
    Pläne – Erich Mendelsohn – Das Gesamtschaffen des Architekten, 1930
    Sanierungsbilder / Frontfassade – Helge Pitz / Christian Steinmeier
    Innenaufnahme – Alexis Petty
  • Text: Christian Steinmeier, Landesdenkmalamt Berlin
  • Idee / Redaktion: Sibylle Schulz / Dr. Thomas Schmidt, Landesdenkmalamt Berlin
  • Herstellung / Gestaltung: pro.fund gmbh / © Jo Hartmann
  • Aus der Reihe: Erkennen und Erhalten in Berlin 2012, Nr. 32
    Initiative Landesdenkmalamt Berlin

Erich-Mendelsohn-Stiftung
Zentrum für Architektur der Moderne