Der Friedrichshain wurde 1846-1848 nach Plänen von Peter Joseph Lenné von seinem Schüler Gustav Meyer als erster Berliner Volkspark angelegt. Hauptattraktion ist der nach Plänen des Stadtbaurats Ludwig Hoffmann (1852-1932) gestaltete und 1913 eröffnete Märchenbrunnen an der Westspitze des Parks – eine der großartigsten Anlagen aus der Zeit des ausgehenden Jugendstils in Berlin und die damals größte öffentliche Brunnenanlage der Kaiserzeit. Neben der Größe der Anlage ist es vor allem der Skulpturenschmuck in einer weichen, malerisch-romantisierenden Ausprägung, welcher von den süddeutschen Künstlern Ignatius Taschner (1871-1913), Georg Wrba (1872-1939) und Josef Rauch (1867-1921) geschaffen wurde. Die liebevoll gestalteten Steinplastiken aus der Märchen-, Tier- und Fabelwelt erfreuten sich bei der Bevölkerung, insbesondere den Kindern, großer Beliebtheit und boten reizvolle Motive für Postkartenserien.
Hoffmann entwarf eine großzügige mehrteilige Brunnenanlage, wobei er das leicht ansteigende Gelände für die Anlage einer Kaskade – ein zentrales Motiv italienischer Renaissancegärten – und eines hinter der halbrunden Arkade liegenden Platzes mit Rundbrunnen nutzte. Wesentliche Gestaltungselemente waren die Rahmung der gesamten Anlage mit Hecken und der Wechsel von schmalen und weiten Räumen. Sämtliche Zugänge wurden von schmiedeeisernen Portalen betont und die Brunnen von Steinbänken mit Schmuckpfeilern flankiert.
Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, wurde der Märchenbrunnen 1950/51 in vereinfachter Form wiederhergestellt, um der Bevölkerung so schnell wie möglich wieder nutzbare Erholungsräume zur Verfügung zu stellen. Aus Zeit- und Geldmangel, aber auch aus dem damaligen Stilempfinden heraus, führte man nur die notwendigsten Reparaturen an den Brunnen und Figuren durch. Zerstörte oder verloren gegangene Elemente wurden nicht erneuert. Die Märchenfiguren von Ignatius Taschner sind 1951 durch Kopien ersetzt worden. Im Vergleich zu den Originalen jedoch mit deutlich weniger Details und anderen Proportionen; die Schildkrötenköpfe in gänzlich anderer Gestaltung.
In den 1970er Jahren erfolgten Umgestaltungen in den seitlichen Gartenpartien. Es entstanden Rasen- und Staudenbeete, ein Laubengang und neue Wege mit angegliederten Sitzplätzen. Das nach Originalvorlagen neu geschmiedete Tor am westlichen Eingang wurde näher Richtung Brunnen versetzt und zudem verbreitert. In neuerer Zeit mehrten sich mutwillige Beschädigungen an der seit 1959 unter Denkmalschutz stehenden Anlage. Dabei wurden wiederholt Figuren- und Anlagenteile zerstört und mit Graffitis verunstaltet. Obendrein zeigten sich umwelt- und witterungsbedingte Schädigungen. 2002 bis 2004 sind die 10 Märchenfiguren aus Mitteln des Brunnenbauprogramms der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung von Berlin nach historischen Vorlagen der Taschner-Modelle reproduziert und die technischen Anlagen überholt worden.
Im Sommer 2006 folgten im Auftrag des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg mit Mitteln des Bundes-Länderprogramms zur “Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur” umfangreiche Instandsetzungsarbeiten. Unter fachlicher Begleitung des Landesdenkmalamtes und Kunsthistorikern wurden die Brunnen, Arkade, Skulpturen und das westliche Eingangstor restauriert und die Gartenanlage einschließlich Zaun nach Hoffmann´schem Vorbild wiederhergestellt.
Verloren gegangene Ausstattungen konnten nachgebildet werden, so die Bänke mit Schmuckpfeilern und die monumentalen Hermen Figuren – Frau Holle und Rübezahl, Riesentochter und Menschenfresser von Georg Wrba.
Seit Beendigung der Restaurierungsarbeiten im Herbst 2007 ist der Märchenbrunnen als kulturgeschichtlich einzigartiges Zeugnis einer kaiserzeitlichen Brunnenanlage aus dem frühen 20. Jahrhundert wieder in neuem Glanz erlebbar.
Stand: 9/2013