Luisenstädtischer Kanal

Luisenstädtischer Kanal

Luisenstädtischer Kanal

Der Luisenstädtische Kanal

Der Mitte des 19. Jahrhunderts angelegte Luisenstädtische Kanal verband als Schifffahrtskanal die Spree mit dem Landwehrkanal. Er wurde im Zuge der baulichen Erweiterung Berlins auf dem Köpenicker Feld angelegt. 1926 wird der Wasserweg zugeschüttet und zwischen den alten Kanalmauern entstehen Schmuckbecken, blühende Gärten, Spielplätze und Promenaden.

Beides geschah in politisch schwerer Zeit, jeweils mit Hilfe von Notstandsarbeiten, gleichsam als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Nach 1945 wurden Abschnitte mit Trümmerschutt aufgefüllt und darauf neue Grünanlagen errichtet.

Mit dem Bau der Berliner Mauer widerfuhr dem Grünzug etwa 30 Jahre lang ein getrenntes Schicksal: im Verwaltungsbezirk Mitte entstanden die Grenzanlagen, auf der Kreuzberger Seite wurden die Anlagen in den 1970er und 80er Jahren im Zusammenhang von Stadtsanierung und IBA-Planung umgestaltet.

Der Fall der Mauer 1989 bildete die historische Zäsur, die eine Revitalisierung des Stadtraums und auch des Lenné / Barthschen Grünzugs möglich macht. Die Wiederherstellungsarbeiten begannen 1991 und werden noch Jahre in Anspruch nehmen.

1834 hatte der Kronprinz, der spätere König Friedrich Wilhelm IV., eine Skizze zur Entwicklung der Luisenstadt vorgelegt. Wohl unter dem Eindruck dieser allerdings von K. F. Schinkel kritisierten Planung setzte noch Friedrich Wilhelm III. 1836 eine Kommission für einen Bebauungsplan ein. Im Auftrag des neuen Königs Friedrich Wilhelm IV. legte Peter Joseph Lenné 1840 den Plan “Projektirte Schmuck- und Grenzzüge von Berlin mit nächster Umgebung” vor, in dem der Luisenstädtische Kanal ein städtebauliches Herzstück als Verbindung von Landwehrkanal und Spree sowie zentraler Achse der Luisenstadt bildete.

Für den Kanal selbst und die Luisenstadt fertigte Lenné 1842 nach mehreren Entwürfen einen “Bebauungsplan für das Cöpenicker Feld” an. Als Vorbilder dienten die Straße Unter den Linden und insbesondere der Kanal in Schloss Nymphenburg, ein Hinweis auf die Gemahlin des Kronprinzen, Elisabeth, Tochter des bayrischen Königs Ludwig I.

  • Engelbecken 1925

    Engelbecken 1925

  • Luisenstädtischer Kanal 1926

    Luisenstädtischer Kanal 1926

  • Bebauungsplan des Cöpenicker Feldes zu Berlin 1843

    Bebauungsplan des Cöpenicker Feldes zu Berlin 1843

  • Plan Barth 1929

    Plan Barth 1929

  • Brunnen

    Brunnen

  • Engelbecken 2000

    Engelbecken 2000

  • Rosengarten 1996

    Rosengarten 1996

Der Schifffahrtskanal 1848/52–1926

Der Luisenstädtische Kanal mit seinen Hafenbecken wurde als Notstandsprojekt der 48er Revolution gebaut und am 15. Mai 1852 dem Verkehr übergeben. Er diente vor allem für den Transport der Baumaterialien nach dem neuen Stadterweiterungsgebiet und sollte den Lieferverkehr für die entstehenden Fabrikbetriebe übernehmen. Die Obst- und Gemüsebauern aus dem Spreewald nutzten seine Hafenbecken als schwimmende Marktplätze.

Das Engelbecken bildete den ‘Vorplatz’ für die vom Architekten August Soller errichtete St. Michaelkirche (1851-61), die als zweite katholische Kirche in Berlin vor allem als Garnisonkirche diente und deren krönende Engelfigur dem Becken seinen Namen gab. Seine Bedeutung als Umschlagplatz für Baumaterialien zum Ausbau des Köpenicker Feldes verlor das Engelbecken nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Mangelnde Nutzung und technische Schwierigkeiten – das Gefälle zwischen Spree und Landwehrkanal war zu gering, um eine ausreichende Durchflutung zu sichern, die Folge waren Algenbewuchs, Gestank und Mückenplage – gaben den Anlass, den Kanal für den U-Bahnbau zwischen Gesundbrunnen und Neukölln aufzulassen und ab 1926 mit dem Aushub des Bahnbaus zu verfüllen. Die Reichswasserstraßenverwaltung trat das Kanalgrundstück an die Stadt Berlin ab, die sich verpflichtete, den Kanal “als öffentliche Frei- und Grünfläche auszugestalten und in diesem Zustand dauernd zu erhalten”.

Der Grünzug aus dem Wasser 1928–1945

Die Planung für den Grünzug wurde 1928 dem Berliner Stadtgartendirektor Erwin Barth (1880–1933) in Zusammenarbeit mit den Gartenbauämtern der 1920 gebildeten Bezirke Mitte und Kreuzberg übertragen.

Barth gelang es, den Lennéschen Kanal in eine Abfolge von Schmuck-, Lehr- und Spiel-Gärten ‘aufzuheben’, indem er sie zwischen den Kanalmauern einen Meter über dem Niveau des ehemaligen Wasserspiegels anlegte. An den Wasserweg erinnerte nur noch das Engelbecken, jetzt Schmuckteich, und die Brücke im Verlauf der Waldemarstraße.

Für das Engelbecken plante Barth anfangs, inspiriert von der Anlage des Taj Mahal, einen ‘Indischen Teich’ mit Palmen, exotischen Pflanzen und Elefantenstatuen, der von den warmen Abwässern der Eisfabrik in der Köpenicker Straße gespeist werden sollte, dann ein Volksbad, das aber am Widerstand der katholischen Öffentlichkeit scheiterte. Von seinen Visionen zeugt noch der Indische Brunnen im angrenzenden Rosengarten. Das schließlich realisierte, mit 16 Fontänen und bepflanzten Pergolen geschmückte Engelbecken wurde in der an öffentlichen Freiflächen armen Luisenstadt ein beliebter Ort für allerlei Freizeitvergnügen wie Promenieren, Eislauf, Plantschen im ‘Wasserschloss’ und Karpfenfang.

Nachkriegsentwicklung 1945–1989

Der im Krieg kaum beschädigte Grünzug wurde in den 1950er Jahren teilweise mit Trümmerschutt aufgeschüttet und im Stil dieser Zeit umgestaltet. Für die fast total zerstörten Baublöcke im Umfeld wurden im Zuge der städtebaulichen Erneuerung neue Bebauungsformen entwickelt: in Berlin-Mitte stellt das Heinrich-Heine-Viertel das größte Wohnungsbauvorhaben dar. Es wurde im Zeitraum von 1958 bis 1989 realisiert, wobei die Errichtung der Berliner Mauer mit dem Grenzstreifen gewisse Veränderungen bewirkt hat. Als am 31. August 1961 der Ostteil Berlins abgesperrt und die Grenzanlagen errichtet wurden, lief – entlang der Bezirksgrenze zwischen Mitte und Kreuzberg – die Absperrung, später die Mauer über die Waldemarbrücke. Rosengarten, Engelbecken und der gesamte Kanalbogen bis zur Spree wurden mit Trümmerschutt aufgefüllt und bis zum Michaelkirchplatz und dem Engeldamm (damals Fritz-Heckert-Straße) zur Grenzbefestigung ausgebaut.

Die Stadtentwicklungsziele der 1950er und 60er Jahre im Westteil Berlins waren auf eine Negation der historischen Stadtstrukturen angelegt. Auf dem Kreuzberger Abschnitt war in den 50er Jahren eine hochliegende Stadtautobahn geplant. Der Oranienplatz war als Kleeblatt mit Auf- und Abfahrrampen vorgesehen.

Im Rahmen der städtebaulichen Erneuerung der 1970er Jahre entstanden am Landwehrkanal der Wohnkomplex am Böcklerpark. Anfang der 80er Jahre sollte der Grünzug durch die Landschaftsarchitekten Zilling und Nagel umgestaltet werden. Die begonnenen Arbeiten wurden nach Bürgerprotesten abgebrochen.

In den 80er Jahren wurden unter der Regie der IBA 87 die heute existierenden Anlagen zwischen Landwehrkanal und Waldemarbrücke geschaffen. Zugrunde lagen Entwürfe der Architekten und Landschaftsarchitekten Baller, Hanke und Lutz, die jedoch die Barthsche Tieflage der Gartenabschnitte nicht mehr aufnehmen.

Wiederherstellungsmaßnahmen 1990–2002

Der im Bezirk Mitte liegende Teil des Kanals wurde 1993 unter Denkmalschutz gestellt. Eine bereits 1990 aufgestellte Schätzung der Wiederherstellungskosten für diesen Kanalbereich belief sich auf 19 Mio. DM, ein auch für die damalige Zeit der Aufbruchstimmung nach der Wende erheblicher Finanzbedarf. Trotzdem hoffte man Anfang der 90er Jahre die Wiederherstellung der Anlage bis etwa zum Jahr 2000 abschließen zu können, eine Hoffnung, die sich als nicht realisierbar erwies.

Durch eine mutige Entscheidung der Berliner Gartendenkmalpflege konnte in enger Abstimmung mit dem Bezirksamt Mitte von Berlin die schrittweise Instandsetzung unmittelbar nach der Wende begonnen werden.

Chronologie

  • Bereits 1991 wurde der gesamte Kanal wieder mit seinen ehemals rahmenden Lennéschen Baumreihen bepflanzt, um die Anlage als Denkmal und Grünraum vor der Umwandlung in eine Verkehrstrasse zu schützen. Dies war möglich, da die Lindenreihen auf Straßenniveau standen, so dass diese Maßnahme vor dem Aushub des Kanals möglich und sinnvoll war.
  • Es folgte ein Freilegungsprogramm für den Immergrünen Garten, den Waldpflanzengarten und den Rosengarten. Der erste Wiederherstellungsabschnitt umfasste den Immergrünen Garten östlich des Engelbeckens, eine von der Leitidee “Durch Raum und Zeit” getragene neu interpretierte Bepflanzung auf dem durch gartenarchäologische Grabungen schrittweise freigelegten und instandgesetzten Barthschen Gartengrundriss mit historischen Treppen, Wegen und Mauern.
  • Der bisher aufwändigste Teil der Wiederherstellung betraf bis 1995 den Rosengarten (Indischer Garten) zwischen Waldemarbrücke und Engelbecken mit den berankten Pergolen und Rosenrabatten sowie dem indischen Brunnen von Prof. Schott / E. Barth. Das Brunnenbecken mit Schmuckmosaik konnte nahezu vollständig ausgegraben und instandgesetzt werden, der 1942 von den Nazis eingeschmolzene bronzene Brunnenaufsatz durch den Künstler G. Matzner in Anlehnung an das Vorbild neu interpretiert werden.
  • Trotz der seit Mitte der 90er Jahre schwieriger werdenden Berliner Situation gelang es zunächst mit vereinten Kräften des Bezirks Mitte sowie des Landesdenkmalamtes – Gartendenkmalpflege Teilinstandsetzungen an den Mauern und einer Treppe des Engelbeckens durchzuführen.
  • 1999/2000 konnten das Engelbecken mit Sondermitteln der Senatsbauverwaltung endlich wieder freigelegt sowie die umlaufenden Promenaden mit Mitteln der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung / Landesdenkmalamt – Gartendenkmalpflege wiederhergestellt werden.
  • Der in den letzten Jahren gestiegene Grundwasserstand füllt das stark instandsetzungsbedürftige innere Wasserbecken glücklicherweise kontinuierlich auf den idealen Wasserstand.

Impressum

Idee, Konzept, Text, Bildauswahl: Landesdenkmalamt Berlin – Gartendenkmalpflege: Dr. Klaus von Krosigk, Klaus Lingenauber; Bürgerverein Luisenstadt, Dr. Klaus Duntze; HORTEC GbR: Fiona Laudamus

Quellen

Gutachtergruppe des Bürgervereins Luisenstadt, Der Luisenstädtische Kanal zwischen Herkommen und Heute, i.A. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Abt. III B, Berlin 1994 G. Hottenträger / H. Schumacher, Der Luisenstädtische Kanal in Berlin-Kreuzberg, i.A. S.T.E.R.N, Berlin 1987 H. Schumacher / N. Gorgulla, Auf Spurensuche im Luisenstädtischen Kanal – Abschnitt Berlin-Mitte, i.A. S.T.E.R.N, Berlin 1990 H. Schumacher, Wiederherstellungsplanung Luisenstädtischer Kanal – Pflanzplan für die Straßenbäume Abschnitt Berlin Mitte, i.A. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Abt. III B, Gartendenkmalpflege, Berlin 1990 H. Schumacher / N. Gorgulla / C. Herrmann, Grünzug Luisenstädtischer Kanal, i.A. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Abt. III B, Gartendenkmalpflege, Berlin 1992 H. Schumacher, Wiederherstellungsplanung Luisenstädtischer Kanal (Erläuterungsbericht, Vorentwurf), i.A. Bezirksamt Berlin Mitte, Berlin 1992 Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Der Grünzug aus dem Wasser, Ausstellung und Faltblatt, Berlin 1993 Büro Wilnecker & Siegmann, Gartendenkmalpflegerische Wiederherstellung Luisenstädtischer Kanal – Teilbereich Engelbecken, i.A. Landesdenkmalamt, Gartendenkmalpflege, Berlin 2000 L. Scarpa, Zur historischen Entwicklung der Luisenstadt, in: Auslobungstext Städtebaulicher Wettbewerb Luisenstadt / Heinrich-Heine-Straße, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Berlin 1992