Ehem. Humboldtkrankenhaus
Teichstraße 65, Romanshorner Weg 85, 111, 165, Sankt-Galler-Straße 7/19 in Reinickendorf, Ortsteil Reinickendorf
Bauzeit / -Geschichte: 1908-1910 von Mohr und Weidner, Bauherr Landgemeinden Reinickendorf, Tegel, Wittenau und Rosenthal, OP-Bunker 1941-1942 von Baugruppe Pfeil
Zwischen 1945 und 1952 nutzten die französischen Streitkräfte das Krankenhausgelände als Lazarett.
Das ehemalige städtische Humboldtkrankenhaus liegt zwischen Teichstraße, Sankt-Galler-Straße und Romanshorner Weg, auf einem 4,5 ha großen Areal im Süden des Reinickendorfer Angers. Es wurde 1908-1910 von den Architekten Moor und Weidner aus Charlottenburg für die Kommune Reinickendorf gebaut. Der Krankenhauskomplex gehört zu den wenigen von der Landgemeinde Reinickendorf realisierten Kommunalbauten im “Schweizer Viertel”, die das projektierte städtische Gemeindezentrum um die Aroser Allee mit prägen sollten. Er diente nicht nur der Krankenversorgung Reinickendorfs, sondern auch der Nachbargemeinden Tegel, Wittenau und Rosenthal.
Zunächst war die Krankenhausanlage für eine Belegung von 200 Betten vorgesehen, allerdings wurden die Hauptgebäude und die Anlage so eingerichtet, dass eine spätere Erweiterung auf 400 Betten möglich war. Die Anlage erfüllte zum Zeitpunkt der Erbauung einen hohen Standard des Krankenhausbaus. Die Architekten vermieden bei ihrem Entwurf die Nachteile eines reinen Pavillon- oder Korridorsystems, stattdessen kombinierten sie beide Systeme in einer axial um einen großen begrünten Mittelhof angeordneten Baugruppe. Die Gartenanlage ist straff gestaltet und übernimmt die Aufgabe der Verkehrsfläche, hat aber gleichzeitig raumtrennende Funktion und sorgt für die Lufthygiene. Sie ist ein frühes Beispiel architektonischer Gartengestaltung, insbesondere im Krankenhausbau des 20. Jahrhunderts und in wesentlichen Bereichen erhalten geblieben. Durch die Berücksichtigung funktionaler Erfordernisse entstand eine regelmäßige, zum Teil symmetrische Anlage, die von einem rechtwinkligen Wegeraster bestimmt wird. Die vier Hauptgebäude, bestehend aus Verwaltungsgebäude mit Hauptaufnahme und Apotheke, Chirurgischem Pavillon mit Operationsanbau, Medizinischem Pavillon mit Badeanbau, Koch- und Waschküchengebäude mit anschließendem Kessel- und Maschinenhaus bilden zusammen mit der sich in die Breite erstreckenden Grünfläche, die durch Wege für den Krankentransport aufgeteilt wird, das Zentrum des Krankenhauses. Abgesondert liegen an der Sankt-Galler-Straße die Pathologie mit Kapelle und das Isoliergebäude für äußere Krankheiten sowie ganz im Süden das Isoliergebäude für innere Krankheiten.
Die großzügig von Grünflächen umgebenen Krankenhausgebäude verbindet neben der gliedernden Axialität eine barocke Formensprache, deren dekorative Zurückhaltung den sachlichen Zweck der Bauaufgabe nicht verleugnet. Hier hatten Mohr und Weidner sicherlich die sozialen Reformbauten des Berliner Stadtbaurats Ludwig Hoffmann in Buch (1898-1916) und das Rudolf-Virchow-Krankenhaus (1898-1906) im Wedding vor Augen. So reihen sich die Putzbauten mit ihren Mansarddächern, gliedernden Mittelrisaliten mit Pilastern, Frontispizen und Eingangsportalen in die Kette der Krankenhauskomplexe Ludwig Hoffmanns ein. Auch im Inneren finden sich zum Teil bis heute qualitätsvolle Fliesenbeläge und Wandverkleidungen, Türen und Treppenhausfenster oder andere Details, die von der ursprünglichen Nutzung der Gebäude zeugen.
In der Teichstraße 65 befindet sich der Operationsbunker. Er wurde 1941-42 auf dem Gelände des städtischen Krankenhauses durch die Baugruppe Pfeil errichtet. Der oberirdisch aufragende Bunker von rechteckigem Grundriss (360 Quadratmeter) wurde zum Zweck des Luftschutzes bombensicher aus Eisenbeton errichtet und durch einen Tunnel mit dem benachbarten Chirurgischen Pavillon verbunden. Der Bunker besteht aus zwölf Räumen, von denen der OP-Raum, der Vorbereitungsraum und der Sterilisationsraum die wichtigsten Funktionen übernahmen. Ihre Wände sind mit grünen Fliesen versehen. Weitere An- und Aufbauten, die nach dem Krieg vorgenommen werden sollten, kamen nie zur Ausführung. Am 10. Oktober 1940 erließ Adolf Hitler ein Bauprogramm, das die Errichtung bomben- und splittersicherer Luftschutzräume vorsah (“Führerbauprogramm” / “Sofortprogramm”). Der Kontrast zwischen den neobarocken Gebäuden des frühen 20. Jahrhunderts mit ihren Mansarddächern, Risaliten, Pilastern und Portalen in der denkmalgeschützten Grünanlage einerseits und dem flachen Bunker aus Beton andererseits zeigt die Gegensätzlichkeit der Bauaufgaben. Der Operationsbunker in der Teichstraße 65 repräsentiert die Baumaßnahmen, die mit dem sogenannten Sofortprogramm innerhalb sehr kurzer Zeit für den Luftschutz durch den Baustab Speer durchgeführt wurden. Zwischen 1940 und 1942 wurden 25 OP-Bunker in Berlin errichtet, von denen nur zwei annähernd im Originalzustand erhalten sind, da viele auf Befehl der Alliierten nach dem Krieg gesprengt wurden. Der OP-Bunker in der Teichstraße ist der einzige in Berlin, der sich noch weitgehend im Originalzustand befindet.
Das Reinickendorfer Krankenhaus überstand den Zweiten Weltkrieg relativ unbeschadet und wurde nach Kriegsende weitergenutzt. Von 1945 bis 1952 war es von der französischen Besatzungsmacht beschlagnahmt und diente als Militärlazarett, es wurde in “Hôpital Militaire Louis Pasteur” umbenannt. Danach beherbergte es bis 1985 das Humboldtkrankenhaus, in dem die Reinickendorfer Bevölkerung medizinisch versorgt wurde. Seit der Errichtung des Krankenhausneubaus in Wittenau sind in den Gebäuden Dienststellen des Bezirksamtes Reinickendorf und verschiedene Sozialeinrichtungen untergebracht.