Müllerstraße 74 in Mitte, Ortsteil Wedding
Bauzeit / -Geschichte: 1960-61 von Gerhard Laube
Bauherr: Gouvernement Militaire Français de Berlin
Auf einem bis dahin unbebauten Grundstück an der Müllerstraße 74 ließ die französische Militärregierung 1960-61 das “Centre culturel français” errichten. Mit diesem Ort der Begegnung sollte die französische Kultur im französischen Sektor Berlins gefördert und die Bindung an Frankreich gestärkt werden.
Die Militärbehörden beauftragten den Berliner Architekten Gerhard Laube, der eine Baugruppe in den Formen der internationalen Moderne der 1950er und 1960er Jahre entwarf. Das sechsgeschossige Hauptgebäude, ein Stahlskelettbau, ist von der Straßenflucht zurückgesetzt und in Grünanlagen eingebettet. Vertikal durchlaufende Betonstützen bilden mit den Fensterachsen und den hellblau gestrichenen Brüstungen ein strenges Raster. Unter dem auskragenden Flachdach ist das sechste Stockwerk teilweise zurückgesetzt, ein Kunstgriff, der das sehr gleichmäßig strukturierte Gebäude in verschiedene Kompartimente aufteilt und ihm Plastizität verleiht. In den unteren Geschossen sind Bibliothek, Lesesaal und mehrere Konferenz- und Vortragsräume untergebracht, während das Hotel in den vier oberen Stockwerken für französische Soldaten und Jugendgruppen vorgesehen war. Dem Hauptgebäude ist das Restaurant vorgelagert. Der kubische Flachbau weist mit einer vollständig verglasten Front zur Straße. Das gestaffelte Gebäude an der Rückseite, das eigentliche Kulturzentrum, ist über einen Durchgang erreichbar. Bemerkenswert ist das großzügig verglaste Foyer vor dem Kino- und Theatersaal. Die zeittypische Ausstattung ist größtenteils erhalten geblieben. Die Eingangshalle mit ihrer geschwungenen Treppe, den eleganten Handläufen und den fein profilierten Glastüren vermittelt die Baukultur der 1960er Jahre.
Das Kulturzentrum wurde bis 1992 von den französischen Streitkräften in Berlin betrieben. Im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Abkommens und des Einigungsvertrages gelangte der Gebäudekomplex des Centre in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Die Regierungen der Republik Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland vereinbarten, dass das “Centre Français” im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft und des europäischen Gedankens zur Völkerverständigung weitergeführt werden solle.
Der Gebäudekomplex stellt einen frühen Vertreter der Architektur der 1960er Jahre dar und zeigt die typischen Gestaltungselemente jener Zeit. Sein Fassadenraster ist in seinem Wechselspiel von Horizontalen und Vertikalen von subtiler Plastizität, seine Farbigkeit in Hellblau und Weiß ist ebenso zeittypisch. In seiner Bausubstanz ist das Gebäude kaum verändert worden. Beim Umbau des Hauptgebäudes 2000-01 wurde beispielsweise die für französische Hotels typische Raumaufteilung beibehalten, die unter anderem einen Gemeinschaftsraum in jedem Geschoss am Ende des Mittelflurs vorsieht.
Das “Centre culturel français”, das als Symbol deutsch-französischer Verständigung gilt, ist bis heute ein europäischer Treffpunkt in Berlin.