Niederkirchnerstraße

Historische Aufnahme der Niederkirchnerstraße

Historische Aufnahme der Niederkirchnerstraße

Mauerverlauf an der Niederkirchnerstraße

Die Mauer an der Geschichtsmeile Niederkirchnerstraße

Die Grenzanlagen der Berliner Mauer liefen 1961-1989 von der Stresemannstraße kommend durch die Niederkirchnerstraße Richtung Checkpoint Charlie. An der Südseite der Niederkirchnerstraße ist ein rund 200 Meter langes, von “Mauerspechten” stark in Mitleidenschaft gezogenes Stück der “Grenzmauer 75” am originalen Standort erhalten.

Bei der Grenzmauer vom Typ 75 handelt es sich um die sogenannte vierte Generation der Berliner Mauer, die – wie der Name sagt – ab Mitte der siebziger Jahre ihren Vorläufer ersetzte. Die “Grenzmauer 75” ging aus einem groß angelegten Entwicklungs- und Erprobungsprogramm hervor. Die Entscheidung fiel auf L-förmige Stützwandelemente, die in der Landwirtschaft zum Bau offener Silos eingesetzt wurden. Die Elemente der neuen Mauergeneration waren 3,60 Meter hoch, 1,20 Meter breit und ein glattes Asbestbetonrohr von 0,40 Metern Durchmesser schloss das Bauwerk nach oben ab. Gegenüber dem Vorgängermodell bot die Grenzmauer 75 den “Vorteil”, dass sie aufgrund ihres Sockels auf allen festen Untergründen ohne tiefere Fundamentierung aufgestellt werden konnte, wesentlich widerstandsfähiger und mit Fahrzeugen praktisch nicht zu durchbrechen war sowie nach Westen ein einheitliches und sauberes Erscheinungsbild zeigte.

Begleitet von großen Kontroversen wurde das Mauerfragment an der Niederkirchnerstraße 1990 unter Denkmalschutz gestellt. Die öffentliche Meinung spiegelte sich in der damaligen Parole “Die Mauer muss weg!” wider. Die erhaltene Grenzmauer zeigt deutlich Spuren der “Mauerspechte”, die in den Tagen nach der Grenzöffnung die Oberfläche abpickten und zu Souvenirs verarbeiteten. An vielen Stellen ist die Mauer bis auf die Stahlarmierungen abgetragen und durchlöchert. In diesem Zustand dokumentiert sie sowohl Verlauf und Entwicklung der innerstädtischen Grenzanlagen als auch ihre Überwindung und Neuaneignung.

Die Niederkirchnerstraße ist ein bedeutender Ort der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Bauliche Hinterlassenschaften und Zeugnisse aus der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR veranschaulichen die politischen Entwicklungen und Umbrüche dieses Jahrhunderts. Zwischen 1933 und 1945 lagen in der Niederkirchnerstraße in direkter Nähe zum historischen Regierungsviertel wichtige Machtzentralen der Nationalsozialisten. Am östlichen Ende der Straße – dem heutigen Gelände der Topographie des Terrors – befanden sich in dem 1739 erbauten Prinz-Albrecht-Palais das Hauptquartier der Geheimen Staatspolizei mit dem berüchtigten Gefängnis und das neugegründete Reichssicherheitssamt. Das benachbarte Hotel Prinz Albrecht war Sitz der Reichsführung SS. Die Geschichte dieses Ortes, an dem das NS-Regime Terroraktionen in ganz Europa plante und organisierte, dokumentiert die Ausstellung “Topographie des Terrors” in den freigelegten Grundmauern der im Krieg zerstörten Gestapo-Zentrale.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite liegt das von Hans Sagebiel Mitte der dreißiger Jahre errichtete Reichsluftfahrtministerium. Die DDR-Regierung nutzte das im Krieg weitgehend unzerstörte Gebäude als Haus der Ministerien, wovon noch heute ein Wandfries aus Meißner Porzellan von Max Lingner Zeugnis ablegt. In diesem Haus erklärte der Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht noch im Juni 1961, zwei Monate vor dem Bau der Mauer: “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.” Heute befindet sich in dem Gebäude das Bundesministerium für Finanzen. In direkter Nachbarschaft liegt der Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Bau des Abgeordnetenhauses des Preußischen Landtags, der im Nationalsozialismus als “Haus der Flieger” diente. Nach Beseitigung schwerer Kriegsschäden wurde das Gebäude von der Akademie der Wissenschaften der DDR genutzt. Nach der Wiedervereinigung zog das Berliner Abgeordnetenhaus in den geschichtsträchtigen Altbau.