Rail Transportation Office Lichterfelde-West (RTO, ehem. Bahnhof Lichterfelde-West)
Baseler Straße / Hans-Sachs-Straße 4D, 4E in Steglitz-Zehlendorf, Ortsteil Lichterfelde
Bauzeit / -Geschichte: 1872, Umbau 1891
Am 15. Dezember 1872 wurde der Bahnhof Lichterfelde eröffnet. Initiator und Financier der Bahnhofsanlage war der Hamburger Unternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn, der auch der Investor und Gründer der Villenkolonie Lichterfelde war. Der Bahnanschluss sollte der Erschließung und der baulichen Entwicklung des Villenviertels dienen, der Bahnhof sein repräsentatives Entrée werden. Daher ist das Bahnhofsgebäude in einer eleganten, villenähnlichen Bauart im Stil des Potsdamer Klassizismus und des italienischen Landhausstils mit Turm und offenem Belvedere errichtet worden. Der ein- und zweigeschossige, gelbe Backsteinbau mit Turm steht quer zur Baseler Straße und bildet den Kopfbau des Straßenplatzes. Der viergeschossige Turm mit offenem Belvedere und Pyramidendach ist der dominierende Bauteil des Empfangsgebäudes und entfaltet seine Wirkung im Straßenraum. Die unterschiedlichen Gebäudeteile sind optisch durch ein rotes, horizontales Doppelband im Erdgeschoss auf Höhe des Kämpfers der Rundbogenfenster miteinander verbunden. In seiner qualitätsvollen Ausführung fügt sich das Bahnhofsgebäude harmonisch in die Kolonie Lichterfelde ein.
Bis zur Eröffnung der neuen Wannseebahn am 1. Oktober 1891 erfolgte ein grundlegender Umbau der Bahnhofsanlage. Neben der Bahnstrecke Berlin-Magdeburg, der Stammstrecke der Preußischen Staatseisenbahn, erhielten die Vorortzüge der Wannseebahn ein eigenes Gleispaar, der Bahndamm wurde höher gelegt, die Drakestraße mit einer Überführung überbaut und Mittelbahnsteige wurden angelegt, die noch heute erhalten sind. Zudem ist ein Güterbahnhof im Bereich des Fernverkehrs errichtet und eine neue Kehranlage eingerichtet worden. Am 1. Januar 1899 erhielt die Bahnhofsstation den neuen Namen “Groß-Lichterfelde West”, der 1925 im Zuge der Eingemeindung Groß-Lichterfeldes nach Groß-Berlin 1920 in “Lichterfelde-West” umbenannt wurde.
Ab dem 15. Mai 1933 fungierte der Bahnhof Lichterfelde-West auch als S-Bahnhof für die elektrischen Züge der Berliner S-Bahn. Am 30. April 1944 wurde die Bahnhofsanlage bei einem Luftangriff beschädigt und die südwestliche Gleisanlage komplett zerstört. Der Bahnverkehr zwischen Lichterfelde und Zehlendorf musste zeitweise eingestellt werden. Ende April 1945 erneut eingestellt, konnte der Betrieb bereits am 6. Juni 1945 wieder aufgenommen werden.
Ab 1. Dezember 1947 benutzten die Amerikaner den Bahnhof Lichterfelde-West auch als Militärbahnhof. Das United States Army Transportation Corps nutzte einen Teil des Güterbahnhofes an der Hans-Sachs-Straße für den Güter- und Personentransitverkehr und verlegte das Rail Transportation Office (RTO) von Wannsee nach Lichterfelde-West. Bis zum Abzug der Amerikaner 1994 endeten hier US-Militärzüge aus Frankfurt und Bremerhaven. Die US Army verfügte nun über einen günstig gelegenen Bahnhofsstandort, denn im Umkreis von rund einem Kilometer lagen wichtige Einrichtungen der US-Truppen, sowohl das US-Hauptquartier an der Clayallee als auch die großen Kasernen (Andrews Barracks an der Finckensteinallee, McNair Barracks an der Goerzallee und Roosevelt Barracks am Gardeschützenweg) waren schnell zu erreichen. Neben dem Güterverkehr zwischen Westdeutschland und West-Berlin wurde auch der Personenverkehr für amerikanisches Personal über den RTO abgewickelt. Täglich verkehrten vier Duty Trains im Personentransitverkehr.
Als die Alliierten nach der Wiedervereinigung Berlin verließen, wurde auch der RTO-Bahnhof 1994 aufgegeben und 2008 abgerissen, lediglich ein kurzes Stück Bahnsteigdach hat überdauert.