Im kommenden Jahr besteht eines der bedeutendsten Architektur- und Städtebauzeugnisse der internationalen Nachkriegsmoderne, das Hansaviertel, fünfzig Jahre.
Für die Internationale Bauausstellung 1957 in Berlin, die Interbau, entwarf der dänische Architekt und Designer Arne Jacobsen eine Wohnzeile mit vier aneinander gereihten Atriumhäusern, seine einzige Wohnanlage in Deutschland. Die eingeschossigen Häuser schließen konzeptionell an das unrealisierte Projekt einer Siedlung bei Carlsminde in Sölleröd / Dänemark an und stellen konstruktiv ein Analogiebeispiel zu den Söholm III-Häusern in Klampenborg / Dänemark dar.
Die Zeile im Hansaviertel befindet sich hinter Hochhausscheiben in der so genannten Teppichstruktur, benannt nach den verflochtenen und flachen Strukturen mit den Einfamilienhäusern. Hinter der nach Norden liegenden durchgängigen Straßenfassade mit den Hauseingangstüren liegen die vier Häuser.
Ebenso wie die Grundrissorganisation mit ihren pragmatischen Sequenzen reflektiert auch die avantgardistisch reduzierte Haltung in Bezug auf Form, Material, Bautechnik und Raumstruktur die bevorzugten Entwurfsthemen des Architekten: Die Synthese von Garten / Pflanzen und Haus / Architektur sowie die Spannung zwischen Natur und Abstraktion. Im Zusammenklang von Lichtführung, Oberflächen und Farben sowie durch die scheinbare Aufhebung der Grenze zwischen Innen und Außen erhält das Haus eine spielerische Qualität, Leichtigkeit und Weite. Die Faszination besteht in der Gleichzeitigkeit von Klassik und Zeittypik.
Beides zu respektieren und wieder herauszuarbeiten, stellte bei der grundlegenden Sanierung des Hauses in der Händelallee 39 die besondere Aufgabe dar und konnte dank der umfassenden Recherchen und Voruntersuchungen sowie vor allem mit Hilfe verständnisvoller Bauherren durch die Architekten gelöst werden. Hauptthemen waren die konstruktive Sanierung und die Rückbauten späterer Überformungen (wie Dachrand), die komplette Erneuerung der technischen Ausstattung (wie Heizung, Elektroanlagen), die Restaurierung von Verkleidungen und Einbauten (Teakteile, Küche), die Auswechslung verschlissener Materialien (Glas, Eternit, Abdeckbleche), die Wiederherstellung des durchlaufenden Pflanzbeetes vom Esszimmer zum Innenhof, die Neugestaltung von Bad und Vorgarten sowie die Ergänzung eines Sonnenschutzes im Innenhof.
Die umfassende Restaurierung und Modernisierung im Bestand bot die unvergleichliche Chance, der Intention des Architekten Arne Jacobsen und seiner Zeit nachzuspüren. Dabei bildete die Rekonstruktion und teilweise Interpretation der pflanzlichen, stofflichen, haptischen und farblichen Erscheinungen von Einzelflächen und Details innen wie außen die größte gestalterische Herausforderung.
Die Planungen für den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten alten Hansaviertels begannen 1953 mit der Ausschreibung eines städtebaulichen Wettbewerbs. Das heutige Hansaviertel wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Berlin 1957 (Interbau) realisiert und ist eines der herausragendsten Denkmale des Architektur- und Städtebaus der internationalen Nachkriegsmoderne. Am Projekt waren so namhafte Architekten wie Max Taut, Alvar Aalto, Egon Eiermann, Walter Gropius und Oscar Niemeyer beteiligt. Die Grünflächen wurden ab 1956 maßgeblich von Hermann Mattern gestaltet.
Das Hansaviertel ist mit der U9 – Bahnhof Hansaplatz und mit der S-Bahn – Bahnhof Bellevue am besten erreichbar.
Stand: März 2006