Das ehemalige Wohnhaus des "Reichssportführers"

Das ehemalige Wohnhaus des "Reichssportführers"

Das ehemalige Wohnhaus des "Reichssportführers"

  • Ansicht Gartenseite mit Anbau aus der Nachkriegszeit, 2014

    Ansicht Gartenseite mit Anbau aus der Nachkriegszeit, 2014

  • Gartenplan von Friedrich Wiebking -Jürgensmann, 1938

    Gartenplan von Friedrich Wiebking -Jürgensmann, 1938

  • Bronzestatue "Falkner" von Bildhauer Paul Wynand, 2014

    Bronzestatue "Falkner" von Bildhauer Paul Wynand, 2014

  • seitliche Ansicht des Hauptportals, 2014

    seitliche Ansicht des Hauptportals, 2014

  • Nord-West-Ansicht, 2014

    Nord-West-Ansicht, 2014

  • Kellergewölbe, 2014

    Kellergewölbe, 2014

  • Fensterdetail, 2014

    Fensterdetail, 2014

  • Innenansichten mit originalen Holzlaibungen und Türen, 2014

    Innenansichten mit originalen Holzlaibungen und Türen, 2014

  • Innenansichten mit originalen Holzlaibungen und Türen, 2014

    Innenansichten mit originalen Holzlaibungen und Türen, 2014

  • Innenansichten mit originalen Holzlaibungen und Türen, 2014

    Innenansichten mit originalen Holzlaibungen und Türen, 2014

  • Ausschnitt Olympiagelände mit Standort der ehemaligen Dienstvilla, 2001

    Ausschnitt Olympiagelände mit Standort der ehemaligen Dienstvilla, 2001

Das heutige Kasino bzw. Clubhaus war im Nationalsozialismus das Wohnhaus des früheren “Reichssportführers” Hans von Tschammer und Osten und diente nach 1945 bis 1994 den britischen Alliierten als Dorsethouse (Clubhaus bzw. Offizierskasino). Es gehört zur denkmalgeschützten Gesamtanlage “Olympiastadion” (Architekten: Werner und Walter March) und wurde von 1937-38 von Werner March (1894-1976) entworfen und errichtet. Das Haus befindet sich an der Zufahrt zur heutigen Friedrich-Friesen-Allee auf dem Gelände zum “Deutschen Sportforum”, das überwiegend aus den ehemaligen Gebäuden der 1920 gegründeten ersten “Deutschen Hochschule Leibesübungen” besteht. Das Hauptportal ist eine mit fränkischen Muschelkalkplatten bzw. mit Werkstein verkleidete Pfeilerhalle und bildet heute räumlich den Endpunkt der Sichtachse und architektonisch den Gegenpol zum Portikus am Haus des Deutschen Sports. Die Fassaden des zweistöckigen ehemaligen Wohnhauses mit flach geneigtem Satteldach und einem an der Südseite rechtwinklig angeordneten, eingeschossigen Anbau bestehen aus kleinformatigen holländischen Ziegeln. Das äußere Erscheinungsbild des Wohnhauses ist allerdings im Laufe der Jahrzehnte durch denkmalunverträgliche Baumaßnahmen wie Anbauten oder den Austausch der ehemals vorhandenen Sprossenfenster durch einfache Flügelfenster erheblich beeinträchtigt worden. Von denkmalpflegerischer Bedeutung sind heute nur noch die Holzlaibungen der Türen und Fenster, das Treppengeländer, die Holzeinbauschränke im Obergeschoss, die Natursteinplatten im Treppenhaus, Brüstungsabdeckungen sowie der offene Kamin in der Wohnhalle.

Hinter dem Wohnhaus befinden sich noch eine Terrasse und ein in der Nachkriegszeit errichteter Gartensaalanbau. Daran anschließend entstand die 1938 von dem Landschaftsarchitekten Heinrich Friedrich Wiepking-Jürgensmann (1891-1973) entworfene Gartenanlage. Der Garten zeichnete sich durch verschiedene Aufenthaltsbereiche aus, die ein Umgangsweg miteinander verbindet. Im Garten befindet sich auch die 1937 von dem Bildhauer Paul Wynand (1879-1956) geschaffene und 1938 dort aufgestellte Bronzestatue “Falkner”.

Trotz der vorgenommenen baulichen Veränderungen fügt sich das repräsentative Gebäude in seiner Kubatur, Materialwahl und mit seiner Gartengestaltung in die bestehende denkmalgeschützte Gesamtanlage “Olympiastadion” ein.

Das ehemalige Wohnhaus ist von historischer Bedeutung und erinnert sportgeschichtlich an die Person Hans von Tschammer und Osten. Von Tschammer und Osten (1887-1943) amtierte ab 1933 als Reichssportführer und Reichskommissar in der Diktatur des “Deutschen Reiches” sowie als Vorsitzender des “Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen”. Von Tschammers Aufgabe bestand ab 1934 überwiegend darin, die Olympischen Spiele von 1936 ideologisch mit vorzubereiten sowie in den Vereinen anstelle der bisherigen demokratischen Prinzipien das nationalsozialistische Führerprinzip einzuführen bzw. die Vereine unter die Kontrolle der NSDAP zu bringen. Die von ihm in seinem Garten 1938 aufgestellte Bronzestatue verweist auch auf von Tschammers nationalsozialistische Gesinnung. Die Statue zeigt einen überlebensgroßen männlichen Akt in leichter Schrittstellung mit einem Adler auf der rechten Hand sitzend und einem Kurzschwert in der linken Hand, das als Statussymbol der Waffen-SS galt. Auch der “Reichssportführer” von Tschammer und Osten trug einen solchen Dolch.

1935 rief von Tschammer und Osten nach englischem Vorbild den Wettbewerb um den deutschen Fußballpokal ins Leben, nach seinem Initiator “Tschammerpokal” benannt. Diese Wettbewerbe wurden von 1935-43 im Berliner Olympiastadion ausgetragen, der eigentliche Pokal wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vom Deutschen Fußballbund für seinen DFB-Pokalwettbewerb weiter verwendet. Das Berliner Olympiastadion ist heute fester Austragungsort der Pokalendspiele.

Die Villa wurde von 1938 bis zu seinem Tod 1943 von Hans von Tschammer und Osten und über dessen Tod hinaus bis 1945 von seiner Familie bewohnt. Ab 1945 nutzte der britische Stadtkommandant das Haus als Dienstvilla, ab 1953-94 als Gästehaus und Offiziersmesse des British Army Headquarters. Heute finden in dem Haus Veranstaltungen unterschiedlichster Art wie Feierlichkeiten und Tagungen statt.

Stand: 6/2014

Faltblatt-Impressum

  • Herausgeber: Landesdenkmalamt Berlin
  • Abbildungen:
    Farbaufnahmen – Wolfgang Bittner, Landesdenkmalamt Berlin
    Gartenplan – Dr. Jacobs & Hübinger, Berlin
    Lageplan – Landesdenkmalamt Berlin
  • Text: Dr. Thomas Schmidt, Landesdenkmalamt Berlin
  • Redaktion: Gesine Sturm, Landesdenkmalamt Berlin
  • Herstellung / Gestaltung: pro.fund gmbh / © Jo Hartmann
  • Aus der Reihe: Erkennen und Erhalten in Berlin 2014, Nr. 41