Direkt hinter den Resten der alten Berliner Stadtmauer, zwischen Kloster-, Parochial- und Waisenstraße gelegen, befindet sich die älteste Kirche der Reformierten Gemeinde Berlins, die barocke Parochialkirche – Parochial bedeutet Gemeinde.
Zum Ensemble von Parochial gehören das vollständig erhaltene Gruftgewölbe, spätere Gemeindebauten sowie der Parochialkirchhof, der heute neben dem Sophienkirchhof der einzige noch erhaltende, barocke Innenstadtfriedhof im Zentrum ist.
1695 wurde mit dem Bau der Parochialkirche nach Plänen des Architekten Johann Arnold Nering begonnen. Der Zentralbau auf vierpassförmigem Grundriss mit Vierungsturm, vorgeblendeter Vorhalle und einem von Säulen getragenen Portalrisalit mit Dreiecksgiebel wurde nach Nerings Tod 1695 von Martin Grünberg verändert weitergeführt. 1713-15 erfolgte die Fertigstellung durch Philipp Gerlach mit der Vollendung des Glockenturmes nach Plänen von Jean de Bodt.
Im Südosten wird das Gelände durch das neobarocke Gemeindehaus (Gustav Knoblauch, 1888/89) begrenzt. Die eigenständige Parochialgemeinde schloss sich 1968 mit der Georgengemeinde zusammen, 2003 und 2006 erfolgten weitere Fusionen zur heutigen Evangelischen Kirchengemeinde St. Petri-St. Marien.
Seit 1884 beschäftigt sich die Denkmalpflege mit der Restaurierung der Parochialkirche und dem Ausbau des schmucklosen Innenraumes, der die Besucher mit original barockem Mauerwerk empfängt. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges brannte die Parochialkirche bis auf die Umfassungsmauern vollständig aus. Die oberen Turmteile und das Dach stürzten ein. Erst 1951/52 konnte letzteres wiederhergestellt werden. Die Rekonstruktion des Turmobergeschosses ist ab 2014 geplant. Nach der Fertigstellung der Kirchturmspitze soll der Turm wieder eine Höhe von 66 Metern haben.
Ab 1946 nutzt die Gemeinde einen Raum über dem Eingangsportal der Kirche für ihre Gottesdienste. Der Innenraum als “überdachte Ruine” wurde ab 1970 zur Möbellagerung genutzt. Das im Altarraum gehängte große Eisenkreuz wurde 1961 von Fritz Kühn aus in Ruinen gefundenen Rohren gefertigt.
Die ersten Beisetzungen auf dem Kirchhof fanden ab 1706 statt. Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Seitenstreifen zur Verbreiterung der Parochialstraße abgetrennt, 27 Grabstellen waren umzubetten. Zu größeren Umgestaltungen kam es um 1936 vor allem im direkten Bereich um die Kirche und das Gemeindehaus. Bis 2005 erfolgte die vollständige Restaurierung der Epitaphien, der gusseisernen Grabkreuze und -tafeln, der steinernen Grabmale aus dem 17. bis 19. Jahrhundert sowie der beiden erhaltenen Mausoleen einschließlich der Wiederherstellung der historischen Wege- und Vegetationsstrukturen.
Ab 1700 fanden Beisetzungen in der ausgedehnten Gruft unter der Kirche statt. Vornehmlich hohe Staatsbeamte und Angehörige der reformierten Berliner Oberschicht wurden hier beigesetzt. Vermögende Familien und Einzelpersonen, teils adlig, teils bürgerlich, teilten sich die Grüfte. Die Tradition der Beisetzung in Grüften verschwand im Laufe des 19. Jahrhunderts. Nach dem Verbot von 1854 kamen noch wenige Särge mit Sondergenehmigungen bis 1878 dazu. Die Gruftanlage besitzt ein wohldurchdachtes Belüftungssystem, das alle Kammern durch kleine Schächte miteinander verband und die Mumifizierung der 560 hier beigesetzten Leichname begünstigte. Das besondere Klima in der Gruft führte zum Erhalt organischer Substanzen, von Kleidungsresten sowie Innendekorationen. Anhand der Funde konnten neue, wichtige Erkenntnisse zur Bestattungskultur im 18. Jahrhundert gewonnen werden.
Stand: 6/2014