“Von Behagen und Komfort fühlt man sich in diesem Raum in die Arme genommen” – mit diesen Worten beschrieb der Kunstkritiker und Publizist Max Osborn die Wirkung des intimen Theatersaals, den der schon damals für seine Theaterbauten bekannte Architekt Oskar Kaufmann (1873-1953) in das von der Architektensozietät Reimer & Körte 1902 errichtete Eckhaus zwischen Hardenberg- und Knesebeckstraße 1926-27 einfügte.
Der Erdgeschossaal des als Vereinssitz für den akademischen Verein “Motiv” konzipierten Hauses war schon 1919 zum Kino umfunktioniert worden. 1921-22 folgte der Umbau des “Terra-Kinos” durch den Gründungsdirektor Theodor Tagger in eine kleine, eher bescheidene Bühne, die am 18. Oktober 1922 mit Lessings Miss Sara Sampson als “Renaissance-Theater” eröffnet wurde.
Nur vier Jahre später erhielt Oskar Kaufmann den Auftrag für den vollständigen Umbau: Anstelle der Säle in der Flucht der Knesebeckstraße schuf er unter Inanspruchnahme der gesamten Grundfläche ein völlig neues Raumgefüge mit einem größeren und v.a. breiteren Zuschauerraum, den raffiniert geschwungenen und nahezu stützenfrei auskragenden Rang, großzügige Foyers und alle erforderlichen Assistenzräume sowie den halbrunden Vorbau an der Ecke. Am 8. Januar 1927 wurde das Theater unter neuer Direktion wieder eröffnet.
Das Renaissance-Theater war der letzte Theaterbau Oskar Kaufmanns vor seiner Emigration nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Neben den anderen Theaterbauten Kaufmanns wie der Volksbühne oder dem Hebbeltheater kommt diesem Bau jedoch eine überragende Bedeutung vor allem deshalb zu, weil seine reiche und überaus kunstvolle Innenausstattung nahezu vollständig und authentisch überliefert ist. Oskar Kaufmann zeichnete nicht nur für die Architektur verantwortlich, sondern sorgte für die gesamte Dekoration auf höchstem künstlerischen Niveau: Rosenholzfurniere, Wandbespannungen, polierter Stuckgips und schmiedeeisernes Gitterwerk im Stile des Art-Déco fügen sich zu einem einzigartigen Raumerlebnis zusammen. Für die Intarsien im Saal gewann Oskar Kaufmann den Maler und Grafiker César Klein (1876-1954), der hier mit verschiedenen Edelhölzern, Schildpatt, Perlmutt und Zinn Szenen mit Figuren aus der Commedia dell´arte, Stillleben und Landschaften schuf. Von
Cesar Klein stammen auch die Entwürfe für die Wandbespannungen in den Foyers.
Obwohl das Gebäude den Krieg nahezu unversehrt überstand, sind manche Details einem veränderten Zeitgeschmack zum Opfer gefallen. 1995 konnten mit den vom Landesdenkmalamt durchgeführten Untersuchungen in den oberen beiden Foyerräumen die originalen Raumfassungen aus durchgefärbtem, polierten Stuckgips in leuchtenden blaugrünen bzw. ultramarinblauen Farben wiederentdeckt und ohne weiteres freigelegt werden. In den Umgängen auf beiden Geschossebenen wurde die Farbigkeit nach Befund wieder hergestellt. Auch die verschlissenen Wandbespannungen wurden dem Original entsprechend nachgewebt. Zuletzt wurde mit Hilfe privater Spenden, Mitteln des Landesdenkmalamtes und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz der große Kronleuchter im Saal gereinigt, restauriert und wieder komplettiert.
Stand: 9/2014