Jüdischer Friedhof Weißensee

Jüdischer Friedhof Weißensee

Jüdischer Friedhof Weißensee

  • Wandelgang zur Trauerhalle, 2012

    Wandelgang zur Trauerhalle, 2012

  • Baldachingrabmal aus Marmor für Rosalie und Adolf Ernst, 2010

    Baldachingrabmal aus Marmor für Rosalie und Adolf Ernst, 2010

  • Grabstätte für geschändete Thorarollen, 2009

    Grabstätte für geschändete Thorarollen, 2009

  • Restaurierte Wandgräber, 2010

    Restaurierte Wandgräber, 2010

  • Schmiedeeiserne Grabanlage Lewinsohn/Netter, 2009

    Schmiedeeiserne Grabanlage Lewinsohn/Netter, 2009

  • Ehrenfeld für die im I. Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten, 2012

    Ehrenfeld für die im I. Weltkrieg gefallenen jüdischen Soldaten, 2012

  • Lindenallee, 2011

    Lindenallee, 2011

Der Jüdische Friedhof Weißensee liegt im 1920 eingemeindeten Nordosten von Berlin. Er entstand als vierter großer jüdischer Friedhof in Berlin und ist mit mehr als 115.000 Grabstellen das bedeutendste Geschichts- und Gartendenkmal seiner Art in Deutschland. Der 1880 von dem Architekten Hugo Licht angelegte Friedhof ist Ruhestätte namhafter Persönlichkeiten aus dem Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsleben des Deutschen Kaiserreichs (1871-1918) und der Weimarer Republik (1919-1933). Die Friedhofsanlage erinnert zugleich eindrucksvoll an die Blütezeit der jüdischen (Sepulkral-) Kultur vor dem Holocaust.

Das ca. 42 Hektar große Friedhofsgelände verfügt über ein differenziertes Erschließungssystem bestehend aus Haupt- und Nebenalleen, Plätzen, Seiten- und Stichwegen, das die Anlage geometrisch in alphanumerisch gekennzeichnete Grabfelder unterteilt. Die Grunddisposition des Friedhofs bildet die Städte der Lebenden ab: Wohlhabende Bürger ließen aufwändig gestaltete Grabanlagen an Plätzen und Alleen sowie entlang der Umfassungsmauer errichten, während sozial Schwächere in den hinteren Reihen der Grabfelder bestattet sind.

Neben einem einzigartigen Bestand an herausragenden Bau- und Bildwerken der Grabmalskunst des 19. und 20. Jahrhunderts beherbergt der Friedhof Ehrengrabanlagen, die die Geschichte der Juden in Deutschland und Europa im 20. Jahrhundert widerspiegeln: direkt am Eingang die Anlage zum Gedenken an die sechs Millionen Opfer der Shoa, die Ehrenreihe großer jüdischer Persönlichkeiten von Berlin, ein Urnenfeld mit der Asche von in Konzentrationslagern ermordeten Juden sowie der Ehrenhain für im Ersten Weltkrieg auf deutscher Seite gefallene jüdische Soldaten.

Die überlieferten schriftlichen Quellen dokumentieren die Belegungsgeschichte des Friedhofs vom Zeitpunkt seiner Eröffnung im Jahr 1880 bis zum heutigen Tag nahezu vollständig. Besonders hervorzuheben ist die alphabetische Kartei aller Beigesetzten mit Name, Grabnummer, Feld, Geburts-, Sterbe- und Beisetzungsdatum, Stand und letzter Wohnanschrift.
2010 bis 2012 erfolgte die Erfassung aller Grabstätten durch die Technische Universität Berlin im Auftrag des Landesdenkmalamtes Berlin, in Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum.

Die Anpassung jüdischer Traditionen an die moderne großstädtische Lebensweise zeigt sich in der zunehmenden Individualisierung der Grabgestaltung wie in der Verwendung der Landessprache in den Inschriften der Grabsteine und in der Bepflanzung der Gräber anstelle des traditionellen Verzichts auf Pflanzenschmuck. Der gestaltete Friedhofsraum wird akzentuiert durch kunstvoll ausgeführte Memorialarchitekturen in Form von Mausoleen, Tempietti, Wandgrabstätten oder Ehrenmalen. Diese prägen im Zusammenklang mit der sich auf dem Friedhof seit Jahrzehnten entwickelnden Natur die einzigartige Atmosphäre des Gartendenkmals als Ort der Ruhe und Einkehr. Gleichzeitig ist der Friedhof ein wertvolles Biotop inmitten der Großstadt.

Die Zahl an Grabmälern von hohem künstlerischem Anspruch und aufwändiger Gestaltung ist ungewöhnlich groß und von überdurchschnittlicher Qualität. Die herausragende landschaftskünstlerische Gestaltung der Friedhofsfläche mit ihrem urban anmutenden Erschließungssystem verbindet sich mit der Grabmalskunst zu einem außergewöhnlichen Gartenkunstwerk von Weltrang. Der Senat von Berlin reichte den Friedhof 2012 als Welterbevorschlag bei der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland ein.

Stand: 4/2013

Zeittafel

  • 1878

    Wettbewerb zur Gestaltung des Jüdischen Friedhofs

  • 9.9.1880

    Einweihung des Friedhofs

  • 1909

    Anlage eines Urnenfeldes

  • 1911

    Einweihung einer zweiten Trauerhalle, kriegszerstört 1943-45, 1980 Abriss der Ruine

  • 1914-1915

    Anlage eines Ehrenhains für gefallene jüdische Soldaten im Ersten Weltkrieg

  • 1933-1945

    Kontinuierliche Nutzung des Friedhofs

  • 1977

    Eintragung in die DDR-Bezirksdenkmalliste Berlin

  • 1980er

    Ernennung zum Nationalen Kulturdenkmal der DDR; Restaurierung der Gebäude

  • 1996-2012

    Umfassende Restaurierungsarbeiten an rund 100 Erbbegräbnissen und der Umfassungsmauer

  • 2005

    Beschluss des Abgeordnetenhauses von Berlin zum Vorschlag des Friedhofs als UNESCO Welterbe

  • 2012

    Antrag des Berliner Senats zur Aufnahme in die deutsche Tentativliste bei der Kultusministerkonferenz

Faltblatt-Impressum

  • Herausgeber: Landesdenkmalamt Berlin
  • Abbildungen:
    Titel und Rückseite unten – Wolfgang Bittner, Landesdenkmalamt Berlin
    Übrige Fotos Gesine Sturm, Landesdenkmalamt Berlin
    Plan – Kartenausschnitt der Denkmalkarte des Landesdenkmalamts Berlin
  • Text: Antje Graumann, Landesdenkmalamt Berlin
  • Idee / Redaktion: Sibylle Schulz / Gesine Sturm, Landesdenkmalamt Berlin
  • Herstellung / Gestaltung: pro.fund gmbh / © Jo Hartmann
  • Aus der Reihe: Erkennen und Erhalten in Berlin 2013, Nr. 36
  • Förderung der Restaurierungen: Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, Landesdenkmalamt Berlin