U5-Grabung

Mitte Jüdenstraße Rathausstraße Rotes Rathaus U5-Grabung

Blick nach Nordost auf Pfeiler und Außenmauer des alten Rathauses in Richtung Rathausstraße, wo durch Abstufungen die Lage der ehemaligen Fenster deutlich wird, 14. Jahrhundert

Im Jahr 2009 vereinbarte das Landesdenkmalamt Berlin mit der BVG die Durchführung großflächiger Ausgrabungen im Vorfeld des Weiterbaus der U-Bahnlinie 5. Die Untersuchungen begannen im Oktober 2009 und gingen mit Unterbrechungen bis Dezember 2016. Sie umfassten im Wesentlichen die Fläche des künftigen U-Bahnhofes „Rotes Rathaus“, das Areal der Startbaugrube für die Tunnelbohrmaschine im Bereich des Marx-Engels-Forums und des geplanten Ostausgangs vom U-Bahnhof „Museumsinsel“. Das größte Grabungsareal war der Bereich des künftigen Bahnhofes „Rotes Rathaus“. Hier lagen das alte Berliner Rathaus, 14 ehemalige Hausstellen sowie die Lauf- und Planierschichten der Rathausstraße ab dem 13. Jahrhundert unter der Oberfläche. Im Gebiet der Startbaugrube befanden sich 5 ehemalige Grundstücke, deren Bebauung bis in die 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts zurück reichen. Die Fläche des Ostausgangs des U-Bahnhofs „Museumsinsel“ erfasste die ehemaligen Grundstücke Schlossfreiheit 1 bis 4, die ab den 1670er Jahren bebaut wurden.

Vorstädtische Siedlungsphase

In der Rathausstraße hatten sich unter den Schutt- und Planierschichten sowie Kellerböden Befunde von mehreren kleinen quadratischen Holzkellern und Kastenbrunnen erhalten, die anhand des Fundmaterials und dendrochronologischer Untersuchungen zweifelsfrei ins 13. Jahrhundert datiert werden können. Die Holzkeller wiesen die bekannte Schwellrahmenkonstruktion auf und ihre Größen reichen von ca. 3 × 3 m bis 4 × 5 m. Anhand der erfassten Höhe der mittelalterlichen Laufhorizonte in der Rathausstraße ließ sich ermitteln, dass die Keller ca. 1,40 / 1,50 m eingetieft waren. Mit der Datierung mehrere Hölzer eines Kastenbrunnens in die 1220er Jahre konnte eine vorstädtische Siedlungsphase nachgewiesen werden. Dieser Fakt ist für die Stadtgeschichte insofern interessant, als dieses Gebiet an der Grenze zum Marienviertel liegt. Dessen Aufsiedlung vermutete man bisher erst nach der Verleihung der Stadtrechte um 1230.

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    Planum von der Rathausstraße mit Fahrspuren aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts

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    Dokumentation von Fahrspuren aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts in der Rathausstraße

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    Unterstes Planum eines Holzkellers aus dem 13. Jahrhundert mit Spuren der ehemals rechteckig verlegten Schwellbalken

Das gotische Rathaus

Die Steinbauphase setzte mit der Errichtung des gotischen Rathauses um 1300 ein. Im Zuge der Ausgrabung des ehemals 17 × 39 m großen Gebäudes und mit Hilfe seiner unzähligen Funde konnte die vielschichtige bauliche Entwicklung und Nutzung rekonstruiert werden. Bei der zeitlichen Einordnung der zahlreichen Mauern, Pfeiler, Gruben, Planierschichten und Fußböden halfen in vielen Fällen rund 800 gut erhaltene und bestimmbare Kleinmünzen, die zwischen 1260/65 bis 1794 im Rathaus verloren gingen. So hatten sich Spuren von zwei kleineren Vorgängerbauten in den untersten Schichten erhalten, die durch Münzfunde in die 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts datiert werden können.

Umgebung des Rathauses

Der älteste Steinkeller eines Wohn- und Geschäftshauses gehörte zu einem Eckhaus in der ehemaligen Königstraße 48 / Ecke Hoher Steinweg. Es handelte sich um einen Keller von etwa 11,5 × 15,5 m Größe aus Ziegelsteinen mit einem Feldsteinsockel. Haus und Keller entstanden vermutlich kurz nach dem großen Stadtbrand von 1380. In vier weiteren Grundstücken konnten Kellermauern aus dem 15. Jahrhundert freigelegt werden. Diese frühe Steinbauphase steht wohl in Zusammenhang mit der Ansiedlung von hohen Hofbediensteten seit der Fertigstellung der Berliner Burg 1451 bzw. seit dem Umzug des kurfürstlichen Hofes 1486 von Spandau nach Berlin.

Die Untersuchungen in der Rathausstraße auf etwa 110 m Länge ergaben, dass die Straße im 13. Jahrhundert unbefestigt war. Rechts und links der Straße verliefen große Gruben von bis zu 10 m Länge und 3 bis 4 m Breite, die oftmals ineinander übergingen. Die Verfüllung dieser Gruben mit Haus- und Gewerbeabfällen erfolgte um 1300, kurz vor dem Rathausbau. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Straße immer wieder mit Planierschichten erneuert, so dass insgesamt bis zu 10 Straßenhorizonte erfasst werden konnten. An verschiedenen Stellen der Straße hatten sich Reste von Feldsteinpflaster erhalten, deren älteste Lagen aus dem 14. Jahrhundert stammen. Insgesamt hat sich im Verlauf von über 700 Jahren die Straße um etwa 2,3 Meter erhöht.

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    Ausguss an der südlichen Außenwand des alten Rathauses im Bereich der Küche/ Ratsschänke, 16. Jahrhundert

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    Profil im alten Rathaus mit mehreren Lauf- und Auffüllschichten von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis Anfang des 19. Jahrhunderts

Archäologische Funde

In großen Mengen kamen die verschiedensten Warenarten und Formen von mittelalterlicher bis neuzeitlicher Keramik zu Tage. Weiterhin konnten große Fundkomplexe von Flach-, Trink- und Flaschenglas, gestempelten Tonpfeifen, Münzen, Knochen- und Holzgeräten, Lederfunden sowie von diversen Eisengegenständen (z. B. Messer, Scheren, Leuchter, Schlüssel, Gürtelschnallen, Reiterzubehör, Armbrustbolzen, Werkzeuge, Konstruktionsteile) aus verschiedenen Jahrhunderten geborgen werden. Eine ausführliche Vorlage dieses außerordentlich reichen Fundmaterials wird im Rahmen einer Monographie vorgestellt.

Entartete Kunst im Bombenschutt

Zuletzt sei auf den Fund von 16 Skulpturen im Bombenschutt zweier Keller in der ehemaligen Königstraße 50 verwiesen. Der Fundkomplex besteht aus acht Bronzeskulpturen sowie aus Figuren aus Terrakotta, Marmor, Kunststeinguss und Steinzeug. Es handelt sich um sog. „Entartete Kunst“, die in den späten 1930er Jahren aus deutschen Museen abgegeben bzw. eingezogen wurde. In dem Haus befand sich ein Depot für diese Kunst. Das Gebäude brannte nach einem Bombentreffer 1944 aus und stürzte mit unzähligen Kunstwerken sowie Schutt und Asche in die Keller.

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    Der Berliner Landesarchäologe Prof. Matthias Wemhoff im Oktober 2010 mit der frisch geborgenen Plastik von Gustav H. Wolff aus einem Keller der ehemaligen Königstraße 50

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    Die „Tänzerin“ von Marg Moll kurz nach der Auffindung im August 2010

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    Blick in die Ausstellung „Der Berliner Skulpturenfund“ im Neuen Museum, links zu sehen ist die Tänzerin von Marg Moll, März 2012