Glockenklänge im stillen Örtchen

Tonglöckchen (14./15. Jahrhundert) aus Substruktionsbereich einer mittelalterlichen Großlatrine, Molkenmarkt Berlin

Am Berliner Molkenmarkt wurde 2022 aus der Verfüllung einer mittelalterlichen Großlatrine, deren Fundinventar aus dem 15. Jahrhundert stammt, ein kleines, vollständig erhaltenes Tonglöckchen (samt Klöppel) geborgen. Die, nur 5,8 cm große Glocke wurde aus feiner weißer Irdenware auf einer Drehscheibe gefertigt. Farblich ist das Glöckchen in einem hellen Gelb getönt und trägt beidseitig Dekorbemalung in Form von drei parallel verlaufenden Pinselstrichen. Auf der Schulter ist ein kleines Loch eingelassen, das zur Befestigung des oval geformten Klöppels mit einer Schnur diente.
Vergleichsfunde stammen u.a. aus Berlin-Köpenick, Magdeburg, Zwickau, der Umgebung von Cottbus, Jena, Frankfurt/Oder sowie aus dem Gebiet Nordböhmen und Mähren. Sie werden als „Keramik Pingsdorfer Art“ angesprochen und datieren in das 14./15. Jahrhundert, in das sich ebenso das Berliner Glöckchen einordnen lässt. Einzigartig ist die Vollständigkeit des Exemplars mit Glockenklöppel. Zumeist werden solche kleinformatigen Glocken als Tischglöckchen definiert. Die Fundumstände im Bereich der hölzernen Substruktion der Abortanlage könnten für eine intentionelle Deponierung als Bauopfer zu interpretieren sein.