Reise nach Elektropolis – 3D Dokumentation eines der ersten Elektrizitätswerke Berlins

3D-Modell der Kellerräume des Elektrizitätswerks Spandauer Straße

3D-Modell der Kellerräume des Elektrizitätswerks Spandauer Straße

Eine 3D-Animation des Landesdenkmalamts Berlin ermöglicht erstmals einen direkten Einblick in die kürzlich ausgegrabenen Überreste des ehemaligen Elektrizitätswerk Spandauer Straße. Das Werk nahm im Jahr 1889 seinen Betrieb auf. Zu dieser Zeit war Berlin führend in Europa auf dem Gebiet der Elektrifizierung und Elektrotechnik. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Werk mehrfach um- und ausgebaut, bevor es im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört wurde. Erhalten geblieben sind die Kellerräume, in denen die riesigen Dampfmaschinen zur Stromerzeugung standen und später die Umformer und Transformatoren, mit denen der Strom rund um das Rote Rathaus verteilt wurde. Ab Minute 0:58 ist ein Klärbrunnen zu sehen, in dem mit Öl kontaminiertes Wasser gereinigt werden konnte, bevor es in die Spree floss – Umweltschutz der ersten Stunde.

Die bildbasierte 3D-Modellierung wird auf der Grabung am Molkenmarkt flächendeckend eingesetzt. Das eröffnet eine Reihe neuer Möglichkeiten: Denkmale und räumliche Strukturen wie Gebäude, Keller oder Brunnen lassen sich dem interessierten Publikum einfach und kostenfrei zugänglich machen. Sie werden virtuell begeh- und erlebbar – und das, obwohl sie mitunter schon nicht mehr existieren. Jeder Schritt der Grabung wird fotografiert (100-2000 Aufnahmen) und auf Grundlage der Bilder 3D-Modelle berechnet und georeferenziert. Die Teilmodelle lassen sich, vergleichbar einem dreidimensionalen Puzzle, zu einem Gesamtmodell zusammenfügen. Das neue Video zum Elektrizitätswerk zeigt einen Kameraflug durch das Modell.

Zum Video auf dem LDA Youtube-Kanal

Die „Centralstation Spandauerstraße“

In den 1880er Jahren hielten Elektrizitätswerke Einzug in die deutschen Großstädte. Erst 1882 war in London das erste Kohlekraftwerk der Welt entstanden, welches elektrischen Strom für die Öffentlichkeit produzierte. Die 1885 eröffnete „Centralstation Markgrafenstraße“ war dann das erste öffentliche Elektrizitätswerk Deutschlands. Ihm folgten weitere Kraftwerke in Berlin (Mauerstraße, Schiffbauerdamm und Spandauerstraße). Diese bildeten die Grundlage der Herausbildung Berlins als wichtigen Industrie- und Innovationsstandort – vor allem der Elektroindustrie – mit Weltfirmen wie AEG, Siemens und Telefunken.
Die „Centralstation Spandauerstraße“ nahm 1889 ihren Betrieb auf dem Grundstück Spandauer Str. 49 inmitten eines Wohnquartiers im historischen Stadtkern auf. Bereits 1897 wurde ein Erweiterungsbau angeschlossen. Bis 1919 erzeugten hier kohlebetriebene Dampfmaschinen elektrischen Strom für die nähere Umgebung. Ab 1925 diente der Standort nur noch als Umspannstation. Insbesondere die Maschinenhäuser mit ihren imposanten Dampfmaschinen und Generatoren, Schaltanlagen und komplexen Leitungssystemen sind Meilensteine der Stromerzeugung.
Die Fundamente und Keller der Anlage werden im Vorfeld der geplanten Neubebauung des Areals am Molkenmarkt durch das Landesdenkmalamt Berlin ausgegraben. Schon nach Freilegung der ersten Räume zeigte sich der gute Erhaltungszustand der Baureste mit mächtigen Eisenpfeilern. Im Laufe der Untersuchung konnte nahezu das gesamte Areal des Industriekomplexes archäologisch erfasst werden. Seine Lage direkt neben dem Roten Rathaus verdeutlicht die enorme Bedeutung und Präsenz des technischen Fortschritts im gründerzeitlichen Berlin. Auf Grund der Bedeutung sollten die gefundenen Fundamente und Keller unbedingt erhalten und in die Neubebauung integriert werden.

Die Grabungen am Molkenmarkt

Seit 2019 führt das Landesdenkmalamt Berlin am Molkenmarkt Ausgrabungen durch. Der Molkenmarkt gilt als ältester Markt Berlins. Die archäologischen Ausgrabungen bringen ein kostbares Archiv aus 800 Jahren Berliner Stadtgeschichte ans Tageslicht. Die entdeckten Zeugnisse sind so vielfältig wie das Leben der Berliner Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner. Neben dem Elektrizitätswerk kamen unter anderem mittelalterliche Holzkeller, frühneuzeitliche Abfallgruben, barocke Gewölbe und auch verfüllte Bombentrichter des Zweiten Weltkriegs zutage. Zahlreiche Funde vermitteln ein lebendiges Bild von der Geschichte des Ortes, einer Keimzelle der Metropole Berlin.

Sie sind eingeladen, sich ein eigenes Bild zu machen. Jeden Freitag um 14 Uhr finden öffentliche Führungen über die aktuelle Grabungsfläche statt. Weitere Informationen und Anmeldung hier: https://molkenmarkt.berlin.de/grabungen/