Der Beitrag »VOM SOCKEL DENKEN« der Künstlerin Betina Kuntzsch erhält die Empfehlung zur Realisierung
Im Juni 2019 hat das Bezirksamt Pankow einen deutschlandweit offenen zweiphasigen Kunstwettbewerb ausgelobt. Thema des Wettbewerbs ist die kritische Auseinandersetzung mit Geschichte und Gegenwart des Ernst-Thälmann-Denkmals. Die künstlerische Kommentierung soll dazu dienen, Fragen aufzuwerfen, zu irritieren und zur Diskussion anzuregen. Gewünscht waren innovative künstlerische Konzepte, die zu einer Belebung des Ortes beitragen sowie das Denkmal und den Platzraum innerhalb des städtischen Kontextes erlebbar machen.
Im Zusammenhang mit der künstlerischen Kommentierung sollen den Besucher_innen des Ortes auch Informationen zum historischen Kontext angeboten werden.
An dem bis zum Abschluss anonym durchgeführten Kunstwettbewerb beteiligten sich in der ersten Phase 110 Künstler_innen aus Deutschland. Am 7. und 8. November 2019 hatte das Preisgericht aus den eingereichten Entwürfen zehn Arbeiten ausgewählt und die Verfasser_innen aufgefordert, ihre Ideen und Konzepte als Realisierungsentwurf auszuformulieren. Es handelte sich dabei um die Entwürfe folgender Künstler_innen:
Holger Beisitzer, Andreas Bunte, Almut Determeyer, Katharina Heilein, Hans Hemmert, Betina Kuntzsch, Nico Krug/Mario Matuschewski, Matthias Lehmann, Robert Patz und Felix Toth.
Das Preisgericht für die zweite Phase tagte nun in gleicher Besetzung am 17. September 2020. Im Ergebnis dieser Sitzung wurden jeweils zwei Entwürfe mit einem 2. Preis ausgezeichnet und zwei Entwürfe mit einer Anerkennung gewürdigt.
Erster 2. Preis und Empfehlung zur Realisierung: »VOM SOCKEL DENKEN« der Berliner Künstlerin Betina Kuntzsch
unter Mitarbeit von Kathrin Schmidt, Joachim Gies und Maria Wischnewski
Der Entwurf sieht vor, auf dem Denkmalplatz fünf vielfach nutzbare, farbige Betonelemente, die den Denkmalsockel maßstabgerecht verkleinern, zu platzieren. Sie lockern einerseits formal die strenge Struktur des Platzes auf, ziehen Besucher_innen an und laden zum Verweilen ein. Über die Beschriftung der Sockel mit poetischen Schlagwörtern werden inhaltliche Bezüge zum Denkmal und seinen historischen Hintergründen hergestellt und ein Interesse geweckt, sich mit dem Ort intensiver auseinanderzusetzen. Einen wesentlichen Teil des Entwurfs bilden sowohl künstlerisch als auch inhaltlich überzeugende Filmessays, welche die Thematik aus verschiedenen Perspektiven beleuchten, den verschiedenen historischen Betrachtungsweisen Referenz erweisen und zugleich einen Gegenwartsbezug herstellen. Die Filme werden der Öffentlichkeit über QR-Codes vor Ort
sowie über weitere Vermittlungsebenen zugänglich gemacht. Einer dieser Kurzfilme soll gemeinsam mit Anwohner_innen und Nutzer_innen des Thälmann-Parks erarbeitet werden.
Der Entwurf, so heißt es in der Beurteilung des Preisgerichts, „zeichnet sich durch überzeugende Beispiele einer filmischen Annäherung an die Themen, die das Denkmal evozieren, aus. Die Bandbreite der Filmbeiträge ist sehr groß, sie reicht von der Geschichte des Areals, über den umstrittenen Abriss der Gasometer und alternative Nutzungsformen bis zur Denkmalsetzung 1986, von der historischen Person Ernst Thälmann bis zur Kulturfigur in der DDR. Der individuell-assoziative und alltagsgeschichtliche Zugang zu den Themen überzeugt formal und inhaltlich. Die künstlerisch-filmische Durchdringung der Themen beinhaltet wesentliche Elemente der erwarteten Auseinandersetzung mit dem historischen Gegenstand, dem Park, dem Wohngebiet, dem Denkmal und den zeitgeschichtlichen Hintergründen.“ (Abb. 1 und 2)
Für die historische Kommentierung wird – zusätzlich zur Anbindung über die Website – die Aufstellung von zwei Stelen vorgeschlagen.
Zweiter 2. Preis: »Ernst Thälmann – Ein deutscher Superstar. Die neue Ikone des Westens« der Berliner Künstlergruppe Nico Krug und Mario Matuschewski
Das Preisgericht würdigte den Beitrag als „radikalen Kommentar, der auf der Höhe der Zeit ist. Die Verbindung zwischen zwei Welten aus Politik und Musik, aus Street Poetry und Ideologie und zwischen den Genrationen birgt entsprechend viel Diskussionspotential. […] Die präzise Aussage zum ideologischen Missbrauch einer politischen Person irritiert und stellt Fragen. Genau das ist die Stärke einer Kommentierung, die nicht didaktisch sein will und zugleich die Verbindungen in aktuellen Debatten sucht. […] Kontrovers wurde gerade die Symbolwirkung diskutiert und ein mögliches Missverständnis durch positiv empfundene Glorifizierung befürchtet.“ (Abb. 3 und 4)