“Rechts um!” 2009. Friedrich E. liegt im Sterben. Er richtet sich auf, den Blick geradeaus kommandiert er seine Soldaten, brüllt Befehle über das Schlachtfeld und flieht vor dem Bombenhagel. Er rennt, er schreit um sein Leben.
Auf dem Sterbebett holen ihn die Schatten der Vergangenheit ein. So stirbt er 64 Jahre später im Krieg. In einem Krieg, der längst vorbei ist, den er überlebt und doch nicht überlebt hat. Denn die Emotionen seiner tiefen seelischen Verletzungen schnitt er radikal ab, begrub sich lebendig. So wird sein Schicksal zu einem Beispiel unverarbeiteter Traumata. “Vergiß alles und schau nach vorn”, das war sein Weg zu überleben.
Völlig gegensätzlich verläuft die Geschichte des Kriegsheimkehrers Beckmann aus Wolfang Borcherts Stück “Draußen vor der Tür”, mit der Ingrun Aran die Biografie ihrers Vaters und ehemaligen Soldaten im 2. Weltkrieg in Beziehung setzt. Denn Beckmann gelingt es nicht, sich wieder ins Zivilleben einzugliedern. “Der Eine” in ihm fragt in der Konfrontation mit seinen einstigen Vorgesetzten nach der Verantwortung für seine Kriegsschuld. Seinen Platz in der Nachkriegsgesellschaft findet er jedoch nicht, er bleibt ein Ausgeschlossener ohne Antwort auf seine Fragen. “Der Andere” in ihm hingegen, immer positiv, immer lebensbejahend, treibt ihn voran, bewahrt ihn vor dem Selbstmord. In Arans Vater aber transformierte “der Andere” über die Jahre zur leeren seelenlosen Hülle, weil er seine emotionale Vergangenheit verdrängt und vergessen hat.
Ingrun Aran versteht Beckmann als einen Menschen, der von seinem Unterbewußtsein aus dem Hier und Jetzt zurück in den Krieg katapultiert wird. Gerade noch als “Der Andere” (Friedrich E.) auf einem Feldweg im Heute reißt es ihn plötzlich, unvorhersehbar und mit unbändiger Kraft ins Damals in den Schützengraben. Während die Einheit des Ortes auf der Bühne gewahrt bleibt, schleudern Tanz und Musik Beckmann mit zentrifugaler Kraft immer wieder auf eine andere zeitliche Ebene. Grabsteine, Gedenktafeln und Kreuze sind Projektionsflächen, auf denen die Geschichten und Träume von Kriegsheimkehrern, Kriegskindern und Enkeln durch Interviews mit ehemaligen Soldaten und Experten aus Wissenschaft und Forschung filmisch umgesetzt sind. Die Bilder werden zu Fenstern mit Blick in die Vergangenheit, doch auch zu einer Tür, um den Raum der Zukunft zu betreten.
Mit “Flashback – 2009 gefallen im 2. Weltkrieg” spricht Aran auf der Grundlage eines klassischen Textes über ein Phänomen unserer Zeit, das uns alle angeht und beeinflusst. Es behandelt die “Spätfolgen” im wahrsten Sinne des Wortes und rundet damit die Trilogie “Krieg im Kopf“ aus dem Blickwinkel der Gegenwart ab.