Kalt und fahl ist der Angebetete. Und dennoch der Einzige, dem es sich zu folgen lohnt. Seine Anziehungskraft wird nicht einmal durch die Warnung geschmälert, die er selbst, ermattet durch jahrhunderte lange Wiederholungen und das Wissen um die Folgen des Handelns der Menschen, ausspricht.
Die installative Wort-Tanz-Performance Toter Tag schreibt die von Matthias Claudius im Jahre 1774 notierte und von Franz Schubert 1817 vertonte Begegnung des nicht sterblichen Atemnehmers mit der gerade erblühten jungen Frau fort. Im ernüchterten 21. Jahrhundert ist der Tod kaum noch Verführer; er ist Sehnsuchtsobjekt für die, die selbst des Lebens müde geworden sind.
Von diesem kühlen Hauch berührt werden auch all die, die zurückbleiben, die sich als Hüllen ihrer selbst wahrnehmen und nach Jahren erkennen müssen, den Zielen, die sie sich jugendfroh gesteckt haben, weit entfernt geblieben zu sein. Toter Tag ist keine Abrechnung mit dem Scheitern, keine Analyse der Gründe. Sechs Figuren stoßen die Tore auf zu jenen mächtigen Strömen der Traurigkeit, die durch die Leben fließen, die diese Leben – zuweilen nur zeitweise, zuweilen für immer – hinweg tragen in ein Dahinter, von dem wir nur ahnen können, ob es das gibt.
Toter Tag rehabilitiert das Gehen-Wollen und misst mit den Mitteln der Bewegung, des Wortes und der Stille die Kraft aus, die in dem Entschluss liegt, eher gehen zu wollen, als es das Drehbuch des Lebens bestimmt zu haben glaubt. Ein Raum wird eröffnet, in dem es zu einem Gespräch zwischen Toten und Lebenden, zwischen Lebenden der Gegenwart und ihren vergangenen Erscheinungsformen kommt. Das Nachdenken über das Sterben im Leben und das Leben in Todessehnsucht wird zu Extrakten und Essenzen verdichtet, die in einer vorstrukturierten, aber ergebnisoffenen szenischen Architektur dargereicht werden.
Gefördert durch den Fachbereich Kunst und Kultur des Bezirksamtes Pankow von Berlin.
Info: www.susannetruckenbrodt.de