Bella Italia

Das Museum Haus Cajeth Heidelberg zu Gast in der Galerie Parterre Berlin

Ausstellung vom 17. Januar bis 1. April 2018

Albino Menozzi: Francesca (Bildausschnitt)

Enrico Benassi (1902–1978)
Giovanni Concettoni (1902–1987)
Dino Daolio Duren (1914–1983)
Pietro Ghizzardi (1906–1986)
Albino Menozzi (1915–1999)
Costante Pezzani (1910–1987)
Pellegrino Vignali (1905–1984)

Unter der Überschrift »Primitive Malerei im 20. Jahr­hundert« wird im Museum Haus Cajeth in Heidelberg seit 1982 die Sammlung Hassbecker bewahrt und in wechselnden Aus­stellungen präsentiert. Egon Hassbecker (1924–2013) hatte die Kunst der “Außenseiter” 1967 entdeckt und war ihr seit­dem auf zahl­reichen Reisen, anfangs vor allem durch Ost­europa, seit 1979 auch durch Italien, bis an sein Lebens­ende auf der Spur. Mehrere tausend Werke, Gemälde, Zeich­nun­gen, Skizzen und Skulpturen, die von etwa 80 Künst­lerInnen geschaffen worden sind, zeugen von seiner Sammler­leiden­schaft.

Die Ausstellung »Bella Italia« zeigt rund 70 Werke von italienischen Malern aus Hassbeckers Samm­lung, die zu ihren größten Kostbar­keiten zählen. Dabei ist der Titel durchaus doppel­bödig, denn alle der hier vor­ge­stellten Künstler haben Not, Elend und Aus­grenzung erlebt und bis auf Pietro Ghizzardi erst im späten oder späteren Lebens­alter mit ihrer künst­lerischen Tätigkeit begonnen.

In der Galerie Parterre Berlin steht diese Schau, die Roland Krischke, der Direktor des Lindenau-Museums Altenburg, im vorigen Jahr für sein eigenes Haus konzipiert hat, zunächst im Kontext der Aus­stellungs­reihe »Kunst aus Privat­sammlungen«. Die Sammlung Hassbecker ist nach denje­nigen des Foto­grafen Bernd Kuhnert, des Sammlers Jost Kloppenburg, des Galeristen Timm Gierig und der Sammlung Linde und Michael de Maizière die fünfte, wiederum eigen­ständig akzentu­ierte Ausstellung in dieser Reihe, die in loser Folge besondere Sammler und Samm­lungen würdigt.

Sie steht jedoch auch in enger Verbin­dung zum Engage­ment der Galerie und der ihr an­ge­schlossenen Kunst­sammlung Pankow für die Kunst von “Außenseitern”. In den Aus­stel­lungen »In anderen Wahr­heiten« und »Eine Frau für Großvater widmete« sich die Galerie Parterre Berlin in den vergangenen Jahren den Zeich­nungen von Menschen mit geistiger Behinderung. Dabei ging es einer­seits um die mehrfach preis­gekrönten Zeichnerinnen und Zeichner aus dem Wohnheim »Maria Frieden« in Berlin-Pankow und anderer­seits um den völlig aus eige­nem Impuls und seit seiner Jugend zeichnen­den Art Brut-Künstler Kurt Wanski (1922–2012), der von 1971 bis zu seinem Tod im St.-Joseph-Krankenhaus in Berlin-Weißen­see wohnte und dessen künst­lerischen Nachlass die Kunst­sammlung Pankow 2013 über­nommen hat.

»Bella Italia« setzt – mit der Konzentration auf Malerei und der komple­men­tären Ent­ste­hungs­geschichte der ausge­stellten Werke – einen weiteren Akzent und stellt sehr un­mittel­bare und frappie­rend fein­sinnige, figür­liche Malerei vor.

Mit freundlicher Unterstützung der Senatsverwaltung für Kultur und Europa, Ausstellungsfonds Kommunale Galerie
  • Faltblatt zur Ausstellung: Bella Italia

    PDF-Dokument (3.4 MB)
    Dokument: Fachbereich Kunst und Kultur Pankow / Galerie Parterre Berlin

Eröffnung

Dienstag, 16.01.2018, 20.00 Uhr

Ausstellungseröffnung mit Prof. Dr. Luigi Reitani (Direktor des Italienischen Kulturinstituts in Berlin), Dr. Roland Krischke (Direktor des Lindenau-Museums Altenburg) und Kathleen Krenzlin (Leitung Galerie Parterre Berlin/Kunst­sammlung Pankow)

  • Einladung zur Ausstellung: Bella Italia

    PDF-Dokument (998.1 kB)
    Dokument: Fachbereich Kunst und Kultur Pankow / Galerie Parterre Berlin

Vortrag

Donnerstag, 25.01.2018, 19.00 Uhr

Ist Außen das neue Innen? – Insider und Outsider in Zeiten der Hybridisierung
Vortrag von Dr. Jörg Scheller (Zürich, Hochschule der Künste)

Unterscheidungen wie »Innen und Außen«, »Hochkultur und Populär­kultur«, »Krankheit und Gesundheit« sind zuneh­mend hinfällig geworden. Unter­schiedliche Charaktere wie Emmanuel Macron und Donald Trump spielen die Outsider-Karte, im Kunst­betrieb teilen sich Insider und Out­sider immer öfter diesel­ben Räume. Kann in Zeiten umfassender Hybridisierung über­haupt noch von »Outsidern« und »Outsider Art« die Rede sein? Oder ist das Außen auf bestem Wege, das neue Innen zu werden?

Jörg Scheller (geb. 1979 in Stuttgart) studierte Kunst­geschichte, Philoso­phie, Medien­kunst und Anglistik, seit 2003 ist er Sänger und Bassist des Heavy-Metal-Duos »Malmzeit«. Scheller promovierte 2011 an der Staat­lichen Hoch­schule für Gestal­tung in Karlsruhe mit einer Arbeit über Arnold Schwarzenegger und war dort auch als Lehr­beauf­tragter tätig. Seit 2012 ist Jörg Scheller Dozent für Kunst­geschichte und Kultur­theorie an der Zürcher Hoch­schule der Künste, wo er derzeit den Bereich Theorie im Bachelor Kunst & Medien leitet. Darüber hinaus ist er seit 2014 Gast­dozent an der Universität der Künste Poznan in Polen. 2013 kuratierte er den Salon Suisse auf der 55. Venedig-Biennale. Als Journalist publiziert er regelmäßig in »Die Zeit«, in »Neue Zürcher Zeitung«, im »Schweizer Monat«, im »frieze magazine« und in »Camera Austria«. 2016 erhielt Jörg Scheller den Art Cologne-Preis für Kunstkritik der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunst­vereine. Die Jury begrün­dete ihre Wahl mit seinem “großen, sprachlichen Erfindungs­reichtum” und seinen verschie­denen For­schungs­interessen: “Ob Outsider-Kunst, die künstlerische Ästhetik von Protest­bewegungen oder die klassi­sche Auseinander­setzung mit Kunst­institutionen – Scheller nutzt sein unge­wöhnlich viel­fältiges Forschungs­interesse […], um sich Klischees und Denk­schablonen kenntnis­reich und mit Leiden­schaft zu widersetzen.”

  • Flyer: "Ist Außen das neue Innen?", Vortrag mit Dr. Jörg Scheller

    PDF-Dokument (512.2 kB)

Filmvorführung

Donnerstag, 15.02.2018, 19.00 Uhr

Film: Große Vögel, kleine Vögel (Uccellacci e uccellini)
Italien 1966, s/w, 88 Min, OmU | Regie und Drehbuch: Pier Paolo Pasolini
Einführung: Dr. Claus Löser, Filmhistoriker, Berlin

»Große Vögel, kleine Vögel« gilt als virtuos inszenierte filmische Parabel über einen Vater (gespielt von dem italienischen Komiker Totò) und seinen Sohn (gespielt von dem Laien­darsteller Ninetto Davoli) auf dem »Weg des Lebens« und ist eine ebenso komplexe wie poetische Reflexion über christliche und marxisti­sche Grund­werte. Episodisch erzählt der Film von einer Wanderung durch die italienische Provinz, aus der auch die Maler der Aus­stellung BELLA ITALIA stammen. Das länd­liche Italien nach dem Zweiten Weltkrieg, im Zwie­spalt zwischen tradierten Werten und gesell­schaft­lichem Aufbruch, wird lebendig vorgeführt, Pasolinis Schilderung der einzig­artigen Rivalität und Koexistenz von Katholizismus und Kommunis­mus im Italien der späten 1960er und frühen 1970er Jahre wird bis ins Komische gesteigert.

Dr. Claus Löser (geb. 1962 in Karl-Marx-Stadt) studierte Film in Potsdam-Babelsberg und gründete das »BrotfabrikKino« in Berlin-Weißensee, dessen Programm­leiter er bis heute ist. Seit 1992 arbeitet er zudem als freier Film­kritiker. Mit der Gründung der Sammlung »ex.oriente.lux – Experimental­film­archiv Ost 1976 bis 1989« im Jahr 1996 sicherte Löser einen ein­maligen Film­bestand von Super-8-Filmen aus der DDR. Die Sammlung ist in dem Band »Gegenbilder. Filmische Sub­version in der DDR 1976–1989« (1996) dokumen­tiert. Seine Disserta­tions­schrift »Strategien der Verweigerung. Unter­suchun­gen zum politisch-ästhetischen Gestus unange­passter filmischer Artikula­tionen in der Spät­phase der DDR« wurde 2011 in der Schriften­reihe der DEFA-Stiftung veröffent­licht. Claus Löser lebt und arbeitet in Berlin als Autor, Filme­macher, Kurator und Lehr­beauftragter.

  • Flyer: "Große Vögel, kleine Vögel", Regie und Drehbuch: Pier Paolo Pasolini - Einführung: Dr. Claus Löser

    PDF-Dokument (522.0 kB)
    Dokument: Fachbereich Kunst und Kultur Pankow / Galerie Parterre Berlin, Abbildung: Standbild © Koch Media

Vortrag

Donnerstag, 15.03.2018, 19.00 Uhr

Naive Kunst versus Outsider Art? – Zum Verhältnis zweier Kategorien für Kunst am Rande der Kunst heute
Vortrag von Dr. Thomas Röske (Heidelberg, Leiter der Sammlung Prinzhorn)

Naive Kunst und Outsider Art haben einen zeitlich benachbarten Ursprung in der Suche der Moderne nach Alternativen zur akade­mischen Kunst­praxis. Für die Naive Kunst war in Europa die Entdeckung der Bilder Henri Rousseaus in den 1890er Jahren der Beginn, die Wert­schätzung von Outsider Art beginnt mit dem Sammeln und Ausstellen von »Irrenkunst« um 1900. Doch während der Stern der Naiven nach einer Hochzeit in den 1950er bis 1970er Jahren sinkt, gewinnt die Outsider Art seit 1970 bis heute noch an Popularität. Nicht zuletzt das hat dazu geführt, dass im Kunst­betrieb mittlerweile die Kategorien verwischen und oftmals Naive Kunst unter Outsider Art subsummiert wird. Gerade an Werken der Samm­lung Hassbecker, die von ihrem Gründer durchweg als »Primitive Kunst« bezeichnet wurden, lohnt es sich, die Frage zu diskutieren, ob eine Abgrenzung heute noch sinnvoll ist.

PD Dr. phil. Thomas Röske (geb. 1962 in Reinbek) ist seit November 2002 Leiter der Samm­lung Prinzhorn der Psychiatri­schen Universitäts­klinik Heidelberg. Er hat Kunst­geschichte, Musikwissen­schaft und Psycho­logie in Hamburg studiert und 1991 mit einer Arbeit über Hans Prinzhorn promoviert. Seit April 2012 ist Thomas Röske Präsident der European Outsider Art Association (EOA). 2015 hat er sich an der Universität Frankfurt am Main zum Thema »Kunst aus psychiatri­schem Kontext – kunst­historische Zugänge« habilitiert. Im selben Jahr wurde ihm die Prinzhorn-Medaille der Deutsch­sprachigen Gesell­schaft für Psycho­pathologie des Ausdrucks (DGPA) verliehen. Thomas Röske lehrt regelmäßig am Zentrum für Europäi­sche Kunst­geschichte der Universität Heidelberg und am Kunst­geschicht­lichen Institut der Universität Frankfurt am Main. Er hat zahl­reiche Texte zu Frage­stellungen aus den Themen­bereichen Kultur und Wahnsinn, Kunst und Homo­sexualität sowie zur klassischen Moderne publiziert.

  • Flyer: "Naive Kunst versus Outsider Art?", Vortrag von PD Dr. Thomas Röske, Sammlung Prinzhorn, Universitätsklinikum Heidelberg

    PDF-Dokument (365.8 kB)
    Dokument: Fachbereich Kunst und Kultur Pankow / Galerie Parterre Berlin

Publikation

Während der Ausstellung kann der Katalog des Lindenau-Museums zur gleichnamigen Ausstellung mit Texten von Roland Krischke, Thomas Röske, Benjamin Rux, Egon Hassbecker und Barbara Schulz erworben werden; 95 S., ca. 100 Abb., 20 Euro.