Gabriele Stötzer – Körpergesten und leibliche Zeichen | Fotografie

Ausstellung vom 01.02. bis 16.04.2023 – In Kooperation mit der Galerie LOOCK

Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie

Gabriele Stötzer, aus: Stegreifspiele, mit Birgit Bronnert, 1982, Silbergelatineabzug, 14,7 x 10,4 cm

Ausstellung

Mit ihren künstlerischen Selbst­erkun­dun­gen und -be­haup­tungen agiert die Künstlerin Gabriele Stötzer seit Ende der 1970er-Jahre als Frau, Schrift­stellerin und bilden­de Künst­lerin und hat sich immer wieder neu gegen kulturelle, gesell­schaft­liche wie auch politische Wider­stände be­haupten müssen. Ob Malerei, Zeich­nung, Foto­grafie, Keramik oder Textil­kunst, ob Perfor­mance, Filme, Texte oder Mode­objekte – Stötzers Arbeiten richten sich nicht nur gegen eine vom damali­gen System DDR betrie­bene Aus­löschung der individu­ellen Persön­lich­keit, sondern ebenso gegen gän­gige Geschlechter­rollen und kul­turelle Normen.

Im Werk von Gabriele Stötzer bildet der weibliche Körper ein zentra­les Motiv. Erste Foto­arbeiten ent­stan­den 1981 gemein­sam mit der Künst­lerin Cornelia Schleime in Form von Selbst­insze­nierun­gen oder Draht­perfor­mances. Für Stötzer hat sich die Fotografie wie in einem Trans­formations­prozess aus dem Schreiben heraus ent­wickelt.

In den Folge­jahren inszenierte Stötzer sich und weitere Prota­go­nistinnen vor der Kamera und ent­wickelte eine eigen­willige Form der künst­le­rischen Praxis, welche die Foto­grafie als perfor­ma­tiven Akt aus­weist. Ihre „unlautere Art, zu foto­grafieren“, wie Stötzer es selbst formulierte, folgt einer zu­fälligen, fast un­be­wusst-selbst­schöpfe­ri­schen Hand­lung. Im Selbst­ver­such hat Stötzer den Weg zur perfor­ma­ti­ven Fotografie mit anderen Frauen gefunden: „Mit ihnen kann ich mich auch addieren, poten­zieren, ver­frem­den, komme von der individu­ellen […] zur all­ge­meinen Analyse unseres Seins.“ Sie nennt ihre Bilder auch „Berührungs­fotos“.

Stötzer bringt Körper zum Sprechen, indem sie ihre Figuren zu sozialen Plastiken ver­webt, die wie geheimnis­volle Zeichen­systeme aus dem Bild heraus in den Raum und letzt­end­lich in unser Leben wirken.

Die Ausstellung in der Galerie Pankow widmet sich Stötzers foto­gra­fi­schen Selbst- und Körper­dar­stellungen wie auch dazu­ge­höri­gen thema­ti­schen Manus­kript­texten aus den Jahren von 1981 bis circa 1984. Gezeigt werden in Er­gän­zung zwei Künstler­bücher und ein Super-8-Film der Zeit sowie zwei aktuelle Woll­objekt­arbeiten von 2022.

Gabriele Stötzer – Mumie, 1984, Akteurin: Claudia Räther, Idee und Fotografie: Gabriele Stötzer, Fotoserie aus 25 Vintages, Silbergelatine auf Barytpapier, Handabzüge der Künstlerin

Biographie

Gabriele Stötzer, 1953 in Emleben bei Gotha geboren, lebt und arbeitet in Erfurt sowie in den Niederlanden. Stötzer, 1976 von der Päda­gogischen Hoch­schule Erfurt ver­wiesen, kam 1977 wegen einer Unter­schriften­aktion gegen die Aus­bürgerung von Wolf Biermann für ein Jahr in das Frauen­gefängnis Hoheneck. Nach ihrer Ent­lassung ar­beitete sie auf Be­währung in einer Fabrik, kündig­te und leitete in Erfurt bis zu deren Ver­bot 1981 die private „Galerie im Flur“. Danach begann Stötzer als un­ab­hän­gige Künst­lerin zu agieren, war in der ost­deut­schen Kunst- und Unter­grund­szene aktiv, arbeitete an eigenen Aus­stellungs­projekten, Veröffent­lichungen, initiierte und be­grün­dete die Künst­lerinnen­gruppe Erfurt, deren Schaffen Frauen mehr als zehn Jahre lang Wider­ständig­keit und „Projektions­fläche wie auch Ort politischer und sozialer Ein­schreibungen“ bot. 1989 gehörte Stötzer zu den Initiator­innen der Bürger­innen­initiative „Frauen für Ver­ände­rung“ und war an der Be­setzung der Erfurter Zentrale der Staats­sicher­heit beteiligt. Ab 1990 folgten Aus­lands­aufent­halte ver­bunden mit öffent­lichen Aus­stellun­gen, Publika­tio­nen, Sym­posien sowie Arbeits­stipendien, Vor­trags- und Lese­reisen. Seit 2010 ist sie Dozentin für Per­for­mance an der Uni­versi­tät Erfurt. 2013 wurde Stötzer für ihr politi­sches und künst­lerisches Enga­ge­ment in der DDR mit dem Bundes­ver­dienst­kreuz aus­ge­zeichnet. 2022 erschien ihr Buch „Der lange Arm der Stasi. Die Kunst­szene der 1960er, 1970er und 1980er in Erfurt – ein Bericht“.

Eröffnung

Dienstag, 31.01.2023, 19.00 Uhr

Eröffnung in Anwesenheit der Künstlerin.
Begrüßung: Annette Tietz, Leiterin der Galerie Pankow
Einführung: Franziska Schmidt, Kuratorin der Ausstellung

Filmstill aus Gabriele Stötzer: „Austreibung aus dem Paradies“, 1984, Super 8, 25 min

Filmvorführung

Donnerstag, 09.02.2023, 19.00 Uhr

„Austreibung aus dem Paradies“ (25 min, 1984) und „Trisal“ (20 min, 1986)
Super-8-Filme von Gabriele Stötzer
Einführung von Claus Löser

Gabriele Stötzer gehörte zur experi­men­tellen Super-8-Film­szene der 1980er-Jahre in der DDR und arbeitete vor­rangig mit Künst­lerinnen aus ihrem persön­lichen Um­feld, um mittels archaischer Bild­struk­turen zu neuen Ent­würfen von Weiblich­keit zu ge­langen. Ihre Kamera­führung zeichnete sich durch bild­liche Dichte aus, rückte förm­lich auf den Leib, es vollzog sich ein beinahe taktiler Blick, oft­mals bezog sie ihren eigenen ent­blößten Körper ein. Das Sprengen von Tabus und Hierarchien setzte sie ein, um den staat­lich sanktio­nierten und offiziell er­laubten (Frauen)Bildern Gegen­entwürfe zu bieten.

In „Austreibung aus dem Paradies“ suchen zwei Frauen in ver­schiedenen trauma­ti­schen Situa­tionen Kontakt. Ihre Begeg­nung schafft Bilder weib­licher Vorzeit. Konse­quent und kompro­miss­los zeigt der Film den Weg eines körper­lichen Experiments mit bizarren Schön­heits­momenten.

In „Trisal“ verarbeitet Gabriele Stötzer jene griechi­sche Legende, die dem Widder seine Rolle am Firma­ment ver­schaffte. Das Tier rettete einst zwei Königs­kinder und wurde zum Lohn ge­schlachtet. Sein Fell wandelte sich in das Goldene Vlies, sein Körper wurde zum Stern­bild. Opfer­bereit­schaft, Tod und Wieder­geburt sind die Themen dieses narrativen Kurz­films, der dezi­diert mit weib­lichen Prota­go­nistinnen arbeitet.

Gabriele Stötzer – Selbstporträt, aus: „Auslöschung eines Blicks, Ich trage meine Wunden offen“, 1983, Fototableau bestehend aus 22 Vintages, Silbergelatine auf Barytpapier, Handabzüge der Künstlerin

Veranstaltungen

  • Donnerstag, 02.03.2023, 19.00 Uhr
    Katalogpräsentation
  • Donnerstag, 16.03.2023, 19.00 Uhr
    Artist Talk: Angelika Richter Gespräch mit Gabriele Stötzer
  • Donnerstag, 30.03.2023, 19.00 Uhr
    Filmvorführung: „Rebellinnen – Fotografie. Underground. DDR“, ein Film von Pamela Meyer-Arndt, Deutschland 2022, 84 min
    Im Anschluss Gespräch mit Gabriele Stötzer, Tina Bara und Pamela Meyer-Arndt Moderation: Franziska Schmidt
  • Sonntag, 16.04.2023, 16.00 Uhr
    Finissage: Führung durch die Ausstellung mit Gabriele Stötzer

Gabriele Stötzer – „Auslöschung eines Blicks, Ich trage meine Wunden offen“, 1983, Fototableau bestehend aus 22 Vintages, Silbergelatine auf Barytpapier, gesamt 58,8 x 94,5 cm

Workshops

Body language

… bin ich anders
… will ich so sein
… oder auch so

Wie verändert unser digitales Zeitalter (Instagram, TikTok & Co.) unsere Wahr­nehmung des mensch­lichen Körpers?

Ihren Vor­stellungen von mensch­lichen Körpern und Gesichtern geben die Schüler*innen Gestalt und hinter­fragen tradierte Vor­gaben.

In dem Fotoprojekt geht es um figurative Formen, Abbilder, Ganz­körper­dar­stellungen und deren Weiter­be­arbeitung mit künstlerischen Mitteln.

Für ALLE ab Klasse 5. An­passung an die jewei­lige Klassen­stufe.

In foto­grafi­schen Dar­stellun­gen von Frauen­körpern und ihren Ver­wand­lungen “richten sich Gabriele Stötzers Arbeiten (seit Ende der 1970er Jahre) nicht nur gegen eine vom damali­gen System DDR be­triebene Aus­löschung der individu­ellen Persön­lich­keit son­dern auch all­gemein gegen tradierte Rollen­muster, damals wie heute.” (Franziska Schmidt, Kunst- und Foto­historikerin, Berlin / Kuratorin der Aus­stellung)

Foto­grafische Insze­nierungen von Körper- und Gesichts­gesten – und Linien sowie Aktionen werden von der Künst­lerin zu Leporellos oder Tableaus zusammen­gestellt.

Warum arbeitet die Künst­lerin seriell und wie wirken diese Zeichen­systeme auf Be­trachter*innen?

In dem Workshop “Body language” über­legen die Schüler*innen wie unser digitales Zeit­alter unsere Wahr­nehmung des mensch­lichen Körpers in unserer Lebens­realität ver­ändert. Lassen sich auch alternative Tenden­zen er­kennen?

Es geht um das Bewusst­machen von gesell­schaft­lichen Schön­heits- und Rollen­vor­stellungen.

Wie können sie die Ergeb­nisse ihrer Über­legungen mit foto­grafi­schen Mitteln/ Foto­insze­nierun­gen und anderen künst­le­rischen Techniken, bis hin zu einer Per­formance, um­setzen? Gerne auch in Gruppen­arbeit.

Neben der Fotografie stehen plasti­sche Werk­stoffe, wie Pappe, Stoff, Plastik zur Ver­fügung; Zeich­nungen und Über­malungen erweitern den konzep­tuellen An­satz.

Bitte Handys und/oder Foto­apparate mit­bringen. Einfache Kameras können in der Galerie aus­geliehen werden.

Termine: jeweils Donnerstag und Freitag
02.02. / 03.02 / 09.02. / 10.02. / 16.02. / 17.02. / 24.02. / 02.03. / 03.03. / 09.03. / 10.03. / 16.03. / 17.03. / 23.03. / 24.03. / 30.03. / 31.03. / 16.04.2023

Workshopleitung: Bettina Albrecht, Künstlerin