Als der renommierte palästinensische Maler, Literat und Theoretiker Kamal Boullata am 6. August 2019 unerwartet in seinem Berliner Exil verstarb, verlor die Welt einen herausragenden Künstler aus dem arabischen Sprach- und Kulturraum, der sich vehement für den Dialog zwischen den Kulturen einsetzte und dessen Vermittlung zum Gegenstand seines künstlerischen und theoretischen Werkes machte.
1942 in Jerusalem in einer christlichen Familie geboren, zog Kamal Boullata für kurze Zeit nach Beirut, nachdem er ein Studium an der Accademia di Belle Arti di Roma abgeschlossen hatte. Später studierte er an der Corcoran Art Museum School in Washington, D.C., wo er die Arab American Cultural Foundation und die Alif Gallery mitgründete. 1993 und 1994 forschte er im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums zur islamischen Kunst in Marokko und Spanien. 2001 untersuchte Boullata mit einem Stipendium der Ford Foundation postbyzantinische Malerei in Palästina. Von 2012 bis 2013 war er Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin, um sich sowohl kunsttheoretisch als auch künstlerisch mit der Idee der „Transparenz“ auseinanderzusetzen. Im Anschluss blieb er dauerhaft in Berlin ansässig.
Kamal Boullatas hochkomplexes Werk verkörpert und vermittelt die bildnerische, poetische und intellektuelle Suche nach universellen Symbiosen: jener zwischen der arabischen Kunst und Kultur seiner Herkunft und einer westlichen Moderne bzw. Nachmoderne, zwischen „Displacement und Kosmopolitismus“ (Burcu Dogramaci), zwischen Heimat und Exil, zwischen Schrift und Bild.
In seinen bildkünstlerischen Arbeiten verknüpft Boullata Farbfelder, Schrift, Linie und Zahl in abstrakten Kompositionen, für die Poesie, Musik, Geometrie, Mathematik, Architektur sowie das aufmerksame Spiel mit Farbnuancen und Licht wesentliche Komponenten darstellen, die einander vielschichtig durchdringen. In den oftmals seriell angelegten und in einem aufwendigen Prozess entstandenen Arbeiten werden essenzielle und existenzielle Fragen an die Welt verhandelt und gelingt es, Distanzen zu überwinden sowie in Zeit und Raum ‚aus den Augen Verlorenes‘ aktiv zu erinnern.
Von Boullatas malerischem und grafischem Œuvre sind die ab den 1990er-Jahren entstandenen Künstlerbücher ebenso wenig zu trennen wie seine theoretischen Beiträge, insbesondere zur arabischen Kunst und Poesie. Kamal Boullata hielt zahlreiche kunsttheoretische Vorträge, seine Werke wurden in vielen Ausstellungen weltweit gezeigt und sind in bedeutenden Sammlungen vertreten. Trotz seiner internationalen Bedeutung ist er in Deutschland bislang wenig bekannt.
Die Ausstellung in der Galerie Pankow ist die erste institutionelle Werkschau des Künstlers in Berlin und präsentiert Malerei, Grafik sowie eine Auswahl der Künstlerbücher. Frühe malerische Stadtansichten Jerusalems (1959), Serigrafien der 1970er- und 1980er-Jahre und Beispiele der ab den 1990er-Jahre immer weiter entwickelten Acrylgemälde – kulminierend in der 2017 in Berlin entstandenen Werkgruppe Angelus und ergänzt durch Aquarell-Serien – geben eindrucksvolle Einblicke in Boullatas vielfältige und erkenntnisreiche „Geometrien des Lichts“.