Behauptung des Raumes.
Werkstattgespräch mit Claus Löser, Jakobine Motz – den Autoren des Filmes »Behauptung des Raums – Wege unabhängiger Ausstellungskultur in der DDR« (D 2009) –, dem Kurator Christoph Tannert und dem Schriftsteller Johannes Jansen – Protagonist im o.g. Film – über die Schlussphase der DDR und die Situation der im Lande verbliebenen Künstler.
Johannes Jansen wurde 1966 in Ostberlin geboren und wuchs dort sowie in Leipzig und Freiberg auf. Er absolvierte eine Lehre als Graveur und studierte Gebrauchsgraphik. Er begann während seines Wehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee zu schreiben und publizierte zunächst Texte und Graphiken im Eigenverlag. Für »Dickicht.Anpassung« erhielt Jansen 1996 den Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. 1997 erhielt er die Ehrengabe der Deutschen Schiller-Stiftung. Jansen lebt als freier Schriftsteller in Berlin.
Claus Löser wurde 1962 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) geboren. Seit 1980 entstehen Texte, Musik und Filme. Von 1990 bis 1995 studierte er an der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg (Diplom) und ist seit 1990 als Programmgestalter für das BrotfabrikKino in Berlin sowie seit 1992 als freier Filmkritiker tätig. 1996 gründete er die Sammlung »ex.oriente.lux – Experimentalfilmarchiv Ost 1976 – 1989« und ist Herausgeber des Buchs »Gegenbilder – Filmische Subversion in der DDR«. 2008/2009 kuratierte er die Filmreihe »Winter adé – Filmische Vorboten der Wende« (Berlinale 2009).
Jakobine Motz studierte Kamera an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg (HFF) und am American Film Institute in Los Angeles. Ihre Filmografie umfasst eine große Bandbreite zwischen Spiel-, Dokumentar- und Experimentalfilm sowie Neue Medien. Der Kurzfilm »Detektive« (Regie: Andreas Goldstein) lief im vergangenen Jahr auf dem Internationalen Filmfestival in Venedig und erhielt den Preis der Deutschen Filmkritik für den besten Kurzfilm des Jahres 2006.
Jürgen Schweinebraden (geb. 1938 in Dresden) studierte nach seiner Lehre als Autoschlosser Psychologie und Industriesoziologie und nahm zunächst Lehrtätigkeiten in Ost-Berlin auf. 1974 gründete er in der Ostberliner Dunckerstraße die Wohn- und Alternativgalerie »EP Galerie Jürgen Schweinebraden« und organisierte bis 1980 70 Ausstellungen und 50 Konzerte. Dabei machte er das ostdeutsche Publikum mit Produkten der westlichen Kunst wie Mail Art, Konzeptkunst, Performance und Video bekannt. Die von ihm gegründete Alternativgalerie wurde zum Vorbild für ähnliche Modelle in mehreren Großstädten der DDR und war ein Grundstein für die Entwicklung einer alternativen Kunstszene in der DDR. 1979 wurde er mit mehreren Ordnungsstrafen belegt. 1980 folgte ein Strafverfahren wegen Herstellung illegaler Druckerzeugnisse, im November desselben
Jahres siedelte er in die Bundesrepublik über. Seither war er bei der Nationalgalerie in Berlin sowie der »documenta 8« in Kassel tätig. Schweinebraden war von 1989 – 1992 Direktor des Hamburger Kunstvereins. Er lebt als freiberuflicher Ausstellungsmacher, Publizist und Verleger in Niedenstein (Hessen).
Christoph Tannert, geboren 1955 in Leipzig, lebt seit 1976 in Berlin. Er war seit 1984 der wesentliche freie, Kunstkritiker in der DDR, besonders für die junge, von der offiziellen Staatskunst unabhängige Szene in Ost-Berlin, Leipzig und Dresden. Nach dem Fall der Berliner Mauer betrieb Tannert zunächst die »Galerie Vier«, die sich um junge Kunst aus der Ex-DDR bemühte. Seit 1991 ist er als Projektleiter des Künstlerhauses Bethanien in Berlin und als Mitbegründer des Brandenburgischen Kunstvereins Potsdam (1993) einer der aktivsten Ausstellungsmacher in Deutschland.
»Behauptung des Raums – Wege unabhängiger Ausstellungskultur in der DDR« (D 2009, R: Claus Löser, B: Claus Löser, Jakobine Motz, 100 min.): Die Geschichte der Leipziger Galerie EIGEN+ART kann als Modellfall für zivilgesellschaftliche Courage im letzten DDR-Jahrzehnt betrachtet werden. Hier wurde ein wirksames Refugium geistiger Autonomie geschaffen, in dem sich unangepasste Kreative einen selbst bestimmten Raum des künstlerischen Austausches schufen. Mit diesem Wagnis einer Selbstermächtigung konnten sie sich auf nichts stützen, als auf die eigene Kühnheit und die Qualität der ausgestellten Arbeiten. Der geschaffene Freiraum konnte jedoch nur innerhalb eines Prozesses behauptet werden, an dem viele Akteure an anderen Orten und zu anderen Zeiten zuvor beteiligt waren. 1984 eröffnete eine Gruppe unangepasster Künstler in einer spektakulären Aktion eine selbst kuratierte Ausstellung, den
»1. Leipziger Herbstsalon«. Bereits die Galerie der Gruppe CLARA MOSCH in Karl-Marx-Stadt (1977-1982) und vor allem die Erste Privatgalerie (EP) von Jürgen Schweinebraden in Ost-Berlin (1974-1980) hatten einem wachen, kunstinteressierten Publikum über mehrere Jahre mit List und Stehvermögen die Sensation einer staatlich unabhängigen Öffentlichkeit von Kunst beschert. Der Film erzählt die Geschichten dieser verschiedenen Initiativen in einem Dialog zwischen aktueller Betrachtung der damals beteiligten Künstler bzw. Initiatoren und bislang unbekannten historischen Aufnahmen.