Koppenplatz
Bild: Mitte Museum, Foto: Bernd Mannhardt
Der Koppenplatz ist seit 1853 nach Christian Koppe (1669-1721) benannt. Koppe war Mitglied des Berliner Stadtrats und als Stadthauptmann für die Sicherheit der Stadt verantwortlich. Während seiner Amtszeit erwarb Koppe das Gelände, an dessen Ecke zur Linienstraße sich bis dahin nur ein Armenhaus befand. Koppe stiftete das Gelände 1704 der Stadt Berlin, unter der Bedingung, hier einen Armenfriedhof zu errichten. So begründete er eine Tradition privater Fürsorge, die die Geschichte des Platzes lange prägte.
Der Koppenplatz – Von Armen, Witwen und Gefangenen
Christian Koppe ließ sich und seine Ehefrau auf dem Armenfriedhof bestatten, der eigentlich für die Ärmsten der Armen gedacht war – für unbekannte Tote ohne Angehörige und für Selbstmörder, die nicht auf christlichen Friedhöfen bestattet werden durften. Um 1838 wurden hier die letzten Menschen beigesetzt. Anschließend wurde eine Randbebauung mit Mietshäusern vorgenommen, von der der Platz bis heute geprägt ist.
Die „bessere Hälfte“ – die Spandauer Vorstadt
Der Koppenplatz liegt am Nordrand eines dreihundert Jahre alten Stadtviertels, das als Spandauer Vorstadt bezeichnet wird. Während des Zweiten Weltkrieges wurde dieses Viertel kaum zerstört. Deshalb ist es heute das am besten erhaltene historische Stadtviertel von Berlin. Hier lebten Kleinbürger, Handwerker, Händler und soziale Aufsteiger, die ihre beruflichen Erfolge noch vor sich hatten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verfiel die Bausubstanz dieses Stadtteils. Einige Straßen, wie etwa die Linienstraße und Rosenthaler Straße, wurden in der DDR-Zeit mit Plattenbauten versehen, die den Charakter der Winkel, Gassen und Straßen des Altstadtviertels veränderten. Nach der Wiedervereinigung Berlins 1990 wurde die Spandauer Vorstadt zum Flächendenkmal erklärt. Die meisten sanierungsfälligen Gebäude in der Spandauer Vorstadt wurden an ehemalige Besitzer oder deren Erben zurückgegeben oder privatisiert. Die Bausubstanz von über 160 historischen Häusern konnten so gerettet werden. Heute ist die Spandauer Vorstadt mit dem Hackeschen Markt und der Oranienburger Straße ein Anziehungspunkt für Tourist*innen, ein weltweitbekanntes Kunstquartier, ein trotz weitgehender Gentrifizierung immer noch sozial gemischtes Wohngebiet und ein Ort neuen jüdischen Lebens. Bereits vor 1933 war dieses Gebiet – neben dem Bayerischen Viertel im Westen Berlins – ein bedeutendes Zentrum jüdischen Lebens. Hier wie in allen Gebieten unter NS-Herrschaft erlebten Jüdinnen und Juden seit 1933 systematische Unterdrückung und Verfolgung. Fast alle von ihnen wurden verschleppt und ermordet.
Die Jüdischen Viertel
Seit dem 17. Jahrhundert siedelten sich in der Spandauer Vorstadt vermehrt Jüdinnen und Juden an. Im Mittelalter waren Juden mehrfach vertrieben oder 1510 in Folge des sogenannten Hostienschändungsprozesses ermordet worden. Die Ansiedlung von Juden erfolgte hier nicht ohne Grund. Das in der Spandauer Vorstadt gelegene Rosenthaler Tor war das einzige Berliner Stadttor, durch das jüdische Bewohner*innen die Stadt betreten durften. Die erste jüdische Ansiedlung war ein Begräbnisplatz an der Großen Hamburger Straße, südlich des Koppenplatzes. Es folgten Synagogen in der Heidereutergasse am Hackeschen Markt oder an der Oranienburger Straße und jüdische Sozialeinrichtungen, darunter ein Krankenhaus, ein Altenheim und Schulen.
In der NS-Zeit funktionierte die Geheime Staatspolizei (Gestapo) in Berlin viele jüdische Sozialeinrichtungen zu Sammellagern für die Deportation der jüdischen Menschen um, die in die Vernichtungslager in Osteuropa verschleppt wurden. Verhaftungen und Deportationen wurden von dem „Judenreferat“ der Gestapo aus organisiert, das sich in einem Bürohaus auf der anderen Seite des Hackeschen Markts in der Burgstraße 28 befand.
360 Grad – Bedeutende Gebäude rund um den Koppenplatz
Koppenplatz 3-4 – Strom für die Vorstadt
An der Südseite des Koppenplatzes befindet sich ein Gebäude, das 1906 als Umspannwerk errichtet wurde. Der erste Bauabschnitt wurde 1905 von dem Architekten Franz Heinrich Schwechten geplant und 1926 von dem Architekten Hans Müller erweitert. Von dort aus wurde der in den Kraftwerken Oberschöneweide und Moabit produzierte Strom in die Spandauer Vorstadt verteilt. Heute ist das Gebäude ein bedeutendes Zeugnis für die Anfänge der Stromversorgung in Berlin.
Koppenplatz 5 – Zum Beispiel Heinrich Richard Brinn
Um 1905 lebte im Mietshaus Koppenplatz 5 der Apotheker, Chemiker und Fabrikant Heinrich Richard Brinn, der hier seine Karriere als Unternehmer begann. Brinn wurde 1874 in Schippenbeil/Ostpreußen als Sohn eines Holzgroßhändlers geboren.
Im Haus Linienstraße 215 betrieb Brinn eine Fabrik für pharmazeutische Fabrikate. 1910 wurde er teilhabender Geschäftsführer der Lackfabrik Warnecke & Böhm in Weißensee. Die Firma florierte, da die BVG, bzw. ihre Vorläufer, und die Reichsbahn Großkunden für Fahrzeuglacke waren. Brinn wurde vermögend und ließ sich später eine großzügige Villa im Westend bauen.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Brinn wegen seiner jüdischen Herkunft von einem Kompagnon aus der gemeinsamen Firma gedrängt.
In einem Tempelhofer Betrieb musste er Zwangsarbeit leisten. Auch in der Lackfabrik Warnecke & Böhm wurden Juden zur Zwangsarbeit eingesetzt – über 350 Menschen, so viele wie in keinem anderen mittelständischen Unternehmen in Berlin. 1943 wurde Heinrich Richard Brinn zunächst in das KZ Theresienstadt deportiert und später in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, wo er vermutlich Anfang 1944 ermordet wurde.
Koppenplatz 6
Durch seine Fassade ist das 1897 errichtete Mietshaus Koppenplatz 6 ein Blickfang. Im Hinterhof befindet sich ein Gedenkzeichen zur Erinnerung an die ehemalige jüdische Hausbesitzerin Ilse Goldschmidt, die 1944 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurde. 2001 wurde die Fläche einer Brandwand als Seite eines Buchhaltungsheftes gestaltet, auf der die Namen der Hausbesitzerin und ihrer Angehörigen eingetragen sind. Das Gedenkzeichen wurde von der im Haus ansässigen Galerie „sphn“ (heute Galerie Wagner und Partner) initiiert und 2001 eingeweiht. Das künstlerische Konzept hat der Maler Christian Stötzner in Zusammenarbeit mit Sven Herrmann und Dr. Paul Nunheim entwickelt.
Koppenplatz 11 – Eine Stiftung für Witwen
Bereits 1839, Jahre vor der Schließung des Armenfriedhofs und der Wohnbebauung, entstand an der Westseite des Koppenplatzes das Gebäude der Hollmannschen Wilhelminen-Amalien-Stiftung (Linienstraße 165). Es stellte Wohnungen für Witwen über 55 Jahre oder alleinstehende Frauen aus dem Mittelstand bereit, die evangelischen Glaubens waren. Der höhere Eckbau entstand 1850, bis 1873 wurde das Gebäude erweitert.
Im Innenhof befand sich später ein vermutlich nach Entwürfen des städtischen Gartendirektors Gustav Meyer (1816-1877) gestalteter Garten. Er verfügte über einen Brunnen sowie ein zur Erinnerung an Wilhelmine Amalie Hollmann (1787-1834), der Ehefrau des Stifters Carl Friedrich Hollmann (1776-1858), errichtetes Denkmal. Der Sohn eines Landpredigers wurde ein erfolgreicher Berliner Tuch- und Seidenhändler. Sein Vermögen stellte er sozialen Projekten zur Verfügung, darunter der Resozialisierung von straffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen.
Koppenplatz 12 – Die 1. Gemeindeschule
Das lang gestreckte Gebäude an der Westseite wurde von 1902 bis 1907 als 1. Berliner Gemeindeschule errichtet. Der Entwurf stammt von dem Stadtbaurat Ludwig Hoffmann (1852-1932), der über 300 öffentliche Bauten in Berlin entwarf. Auf ihn gehen auch das Rudolf-Virchow-Klinikum oder die Heilanstalten Berlin-Buch zurück. Mit seinem Uhrturm und den Fledermaus-Gauben prägt das Gebäude bis heute hier den Stadtraum. Heute befindet sich hier die Grundschule am Koppenplatz.
Koppenplatz 13 – Ein Denkmal für Christian Koppe
1855 entstand am Haus Koppenplatz 13 ein Denkmal für Christian Koppe. Welches von dem Architekten und preußischen Baumeister Friedrich August Stüler (1800-1865) entworfen wurde. Es enthält eine Gedenktafel der Stadt Berlin für Koppe, die vermutlich die älteste erhaltene städtische Gedenktafel Berlins ist.
Die Bunker auf dem Koppenplatz
Während des Zweiten Weltkrieges wurden auf dem Koppenplatz zwei Luftschutzbunker errichtet. Zum Bau der Bunker wurden französische Kriegsgefangene eingesetzt, die vermutlich aus dem Kriegsgefangenenlager Lichterfelde-Süd hierher transportiert wurden. Während des Zweiten Weltkrieges lebten etwa 10.000 französische Kriegsgefangene in Berlin. Viele von ihnen leisteten Zwangsarbeit bei Bauarbeiten. Die Bunker auf dem Koppenplatz wurden am 7. November 1941 fertiggestellt. Sie waren für Personen vorgesehen, die als besonders wichtig galten. Die Nationalsozialisten sahen nur für etwa vier Prozent der Zivilbevölkerung Bunker vor. 1942 wurde der Bau von zivilen Luftschutzbunkern gestoppt. Bei Luftalarm sollten die Menschen die Keller aufsuchen, aber nur wenige davon waren ausreichend gesichert. Seit Sommer 1943 wurden Berlinerinnen und Berliner, die keine kriegswichtigen Arbeiten leisteten, aufgefordert, die Stadt zu verlassen und ins Umland zu gehen. Seit den 1950er Jahren waren die Bunker des Koppenplatzes nicht mehr zugänglich. 1995 wurde die aus dem Erdreich herausragende Deckenplatte des Bunkers abgerissen. Auf dem anschließend eingeebneten Gelände entstand eine Grünfläche, am nördlichen Teil 1996 das Denkmal „Der verlassene Raum“.
Der verlassene Raum
Das Denkmal „Der verlassene Raum“ ist eine Bronzeskulptur bestehend aus einer begehbaren Bodenplatte mit einem Tisch und zwei Stühlen. Der Tisch ist leer. Ein Stuhl ist umgefallen. Das Kunstwerk verdeutlicht die unheimliche Gewalt, die Jüdinnen und Juden während der NS-Diktatur widerfahren ist. Die Opfer sind vertrieben, verschleppt, vernichtet. Die Täter sind verborgen, weitergezogen. Die Bodenplatte ist an vier Seiten mit den Versen eines Gedichts, der in Berlin-Schöneberg geborenen Schriftstellerin, Holocaust-Überlebenden und Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs, umrahmt. Die Inschrift lautet:
“… O die Wohnungen des Todes, / Einladend hergerichtet / Für den Wirt des Hauses, der sonst Gast war – / O ihr Finger, / Die Eingangsschwelle legend / Wie ein Messer zwischen Leben und Tod – // O ihr Schornsteine, / O ihr Finger, / Und Israels Leib im Rauch durch die Luft! Nelly Sachs (10.12.1891 Berlin – 12.05.1970 Stockholm)”.
Das Denkmal wurde von dem Berliner Bildhauer Karl Biedermann in Zusammenarbeit mit der Landschaftsarchitektin Eva Butzmann geschaffen. Mit dem Entwurf hatte Biedermann 1988 einen Wettbewerb des damaligen Ostberliner Magistrats als „Denkmal für das Wirken jüdischer Bürger“ gewonnen. Erst 1996 wurde es mit Unterstützung des Senatsprogramms “Kunst im Stadtraum” auf dem Koppenplatz realisiert.
In der näheren Umgebung
Hinter der Bebauung an der östlichen Seite des Koppenplatzes verläuft parallel dazu die Kleine Auguststraße. Am Haus Kleine Auguststraße 10 befinden sich eine Gedenktafel und ein Gedenkort zur Erinnerung an die Synagoge der Vereinigten Synagogenvereine Ahawas Scholaum (Die Friedliebenden) und Mogen Dowid (Stern/Schild des Davids). Die Synagoge für 550 Gläubige wurde zwischen 1905 und 1906 errichtet. Sie wurde während des Pogroms am 9. November 1938 zerstört. Die Ruine war nach dem Zweiten Weltkrieg ein Stall und wurde später abgerissen. Auf dem Grundstück entstand in der Mitte der 1980er Jahre eine Kindertagesstätte. Die Gedenktafel und der Gedenkort mit einem fünf Meter hohen Wandbild an der Brandmauer des Nachbarhauses entstanden 2004. Das Wandbild stammt von der Künstler*innengruppe und Kommunikationsagentur Graco und zeigt eine Bauentwurfszeichnung als zusammengeknülltes und abgebranntes Papier. Es thematisiert eindrucksvoll die Zerstörung des Gebäudes in der sogenannten Reichskristallnacht.
Nördlich des Koppenplatz verläuft die Linienstraße, von der die Ackerstraße in Richtung Norden abgeht. Die Ackerstraße führt in den Wedding, bis in die 1970er Jahre ein innerstädtischer Industrie- und Arbeiterbezirk.
Von der südlichen Seite des Koppenplatzes geht die Große Hamburger Straße ab, die mitten durch die Spandauer Vorstadt bis zur Oranienburger Straße verläuft. Der Koppenplatz und seine unmittelbare Umgebung gewähren somit einen Blick in die lange Geschichte der Berliner Armenfürsorge, aber auch auf die Omnipräsenz jüdischen Lebens in der Stadtmitte und seine gewalttätige Auslöschung während der NS-Zeit.
Quellen und Literaturtipps
- Stefanie Endlich, Wege zur Erinnerung, Gedenkstätten und -orte für die Opfer des Nationalsozialismus, Berlin, 2007
- Eike Geisel, Im Scheunenviertel: Bilder, Texte und Dokumente. Mit einem Vorwort von Günter Kunert, Berlin 1981
- Horst Helas, Juden in Berlin-Mitte. Biografien, Orte und Begegnungen, Berlin 2000
- Ulrike Steglich/Peter Kratz, Das falsche Scheunenviertel, Berlin 1994
- Nea Weissberg-Bob/Thomas Irmer, Heinrich Richard Brinn (1874-1944). Fabrikant-Kunstsammler-Frontkämpfer. Dokumentation einer „Arisierung“, Berlin 2002
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