Berlin Marzahn-Hellersdorf, November 2019. – Alt Kaulsdorf ist eine ländliche Ecke des Bezirks Marzahn-Hellersdorf. Alt Kaulsdorf 107 schaut aus wie ein Wohnhaus, beherbergt aber einige kleine Firmen. Unter anderen hat hier eine Bürogemeinschaft der Ergo Versicherung ihre Räume: Fünf Agenturen haben sich unter einem Dach zusammengefunden, Tendenz wachsend.
Für Herrn H.D., Endfünfziger, mehr als 10 Jahre ohne Erwerbseinkommen, ist die Bürogemeinschaft ein Glückstreffer. Er kann es noch gar nicht recht glauben, wie er sagt. Familiäre Auseinandersetzungen, die sich über viele Jahre hinzogen, und erschütternde berufliche Erfahrungen machten den Facharbeiter, der auch Führungsverantwortung trug, krank. Schließlich warfen sie ihn aus der Bahn.
Beruflich war er stark eingespannt und engagiert gewesen. Daher brauchte Herr H.D., inzwischen Teilerwerbsrentner und schwerbehindert, lange Zeit und, wie er betont, vor allem auch professionelle Hilfe, um zu verinnerlichen: Es geht darum anzukommen, persönlich, beruflich. Es geht nicht darum, Erster zu sein. Heute will er in seinem Job gut arbeiten, aber Stress als Dauerzustand schadet, das hat er gelernt.
Das passt zur Philosophie der Bürogemeinschaft von Versicherungsagenturen. Die Versicherungsfachwirtin Kerstin Matros und der Versicherungskaufmann Kai Langzettel haben beide Kinder. Sie wollen beide Privatleben und berufliches Engagement im Gleichgewicht halten. Dazu gehört auch, sich durch Herrn H.D. von vielen Aufgaben der Kundenbetreuung zu entlasten: Telefondienst auch gegen Abend, Kontaktpflege mit den Kunden, Geburtstagsanrufe oder Vereinbarung von Terminen für die Berater, wenn Kunden diese anfragen.
Der Mensch zählt
Versicherungsverkauf gehört nicht zu seinen Aufgaben, Versicherungskenntnisse braucht er nicht. „Er ist sozusagen das persönliche Aushängeschild der Bürogemeinschaft, seine Stärke ist die Kommunikation“, formuliert Holger Löbell. Als Betriebsakquisiteur des Jobcenters Berlin Marzahn-Hellersdorf hat er den Kontakt hergestellt, Herr H.D. überzeugte durch seine Motivation, vom ersten Arbeitstag an, für den er sich beispielsweise schon zuhause einen Gesprächsleitfaden erarbeitete.
Kerstin Matros und Kai Langzettel ist es wichtig, dass sich im gemeinsamen Büro alle Kolleginnen und Kollegen wohlfühlen. „Das Familiäre hier, das entspannte Umgehen miteinander hat mit den Ausschlag gegeben, mich für diesen Arbeitsplatz zu entscheiden“, sagt Herr H.D., der im Sommer eine achtmonatige Ausbildung als Fachkraft im öffentlichen Dienst mit Erfolg abschloss.
All die Jahre ohne Erwerbsarbeit habe er immer darauf geachtet, sein Leben zu strukturieren, beispielsweise durch eine ehrenamtliche Tätigkeit. Immer habe er die Erwerbstätigkeit als Ziel im Auge behalten. Das sei wichtig, um sich nicht selber aufzugeben, rät Herr H.D. Menschen in ähnlichen Lebenssituationen. Ebenso wichtig sei es, sich immer wieder professionelle Hilfe zu holen, beispielsweise auch, um die gesellschaftliche Isolierung zu durchbrechen, die Langzeitarbeitslosen droht.