MPI Konferenz Circular Economy: Berlin als Wegbereiter zum zirkulären Wirtschaften

Ein Bild von oben auf sitzende Menschen bei einem Vortrag

Die Konferenz Circular Economy des Masterplans Industriestadt Berlin (MPI) zeigte, wie Akteurinnen und Akteure in Berlin die Transformation zum zirkulären Wirtschaften gemeinsam erfolgreich gestalten und wo noch Potenziale sowie Bedarfe liegen.

„Die Zukunft der Wirtschaft ist das zirkuläre Wirtschaften“, unterstrich Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, auf der MPI Konferenz Circular Economy Ende November 2023. Circular Economy (CE) sei der Schlüssel für nachhaltiges Wirtschaftswachstum der Industrie. Für die Hauptstadt bedeute das eine große Chance: „Wir nehmen eine Vorbildfunktion ein und stärken die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Berlin.“ Das Heben der CE-Potenziale der hiesigen Industrie ist ein wichtiges Anliegen des Masterplans Industriestadt Berlin, der diese bereits mit konkreten Maßnahmen und Projekten adressiert: „Mit dem MPI will Berlin die Transformation der Industrie auf drei Ebenen unterstützen: Sie soll digitaler werden, eine zukunftsorientierte Arbeitswelt bieten und vor allem nachhaltig sein. Im dritten Bereich steckt Circular Economy“, erklärte Wolfgang Korek, Bereichsleiter Energie, Umwelt, Smart City bei Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie, der als Moderator durch die Konferenz führte. Dort stellten Akteurinnen und Akteure des Berliner CE-Ökosystems vor rund 90 Teilnehmenden ihre Projekte und Angebote vor und diskutierten Potenziale und Perspektiven der Hauptstadtregion auf dem Weg in eine Circular Economy.

Franziska Giffey eröffnete den Nachmittag mit einem Grußwort. Darin betonte sie die Stärken Berlins: „So viele Zukunftsorte wie in unserer Stadt finden sie nirgendwo anders in Deutschland. Wir haben eine Startup-Szene mit über 5.000 Unternehmen und ungefähr 100.000 Menschen, die hier arbeiten. Wir haben eine starke Industrie. Wir haben eine starke Wissenschafts- und Forschungslandschaft. Diese Potenziale müssen wir zusammen ausspielen, um die Transformation hin zum zirkulären Wirtschaften erfolgreich zu gestalten.“ Das große Interesse am Thema lasse sich unter anderem an der hohen Zahl an Projektskizzen ablesen, die zum thematischen Fördercall Circular Economy im Rahmen des MPI eingereicht wurden.

Portrait Claas Oehlmann
Das Ziel der Klimaneutralität in Europa ist ohne Circular Economy schlicht nicht erreichbar.
Dr. Claas Oehlmann
Geschäftsführer der BDI-Initiative Circular Economy

Zirkuläre Wertschöpfung ist komplex

Dr. Claas Oehlmann, Geschäftsführer der BDI-Initiative Circular Economy, erklärte in seiner Keynote unter dem Titel „Planen und Handeln in Kreisläufen: Vom Erfordernis einer neuen Wertschöpfungsidee“, dass die Entwicklung hin zum zirkulären Wirtschaften nicht nur gewünscht, sondern dringend notwendig ist: „Das Ziel der Klimaneutralität in Europa ist ohne Circular Economy schlicht nicht erreichbar. Gut 25 Prozent aller globalen Emissionen entstehen beim Abbau von Primärressourcen – schon diese Zahl macht klar, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.“

Oehlmann beschrieb auch, wie komplex zirkuläre Wertschöpfung aus industrieller Perspektive ist: „Schon aufgrund der geografischen Verteilung der Wertschöpfungsstufen ist es eine Herausforderung, die richtigen Ansatzpunkte für Veränderungen zu finden und diese gemeinsam zu gestalten.“ Zirkuläres Wirtschaften bedeute idealerweise, von Anfang an zu planen, was mit Geräten wie einem Kühlschrank oder Smartphone über deren gesamte Lebensdauer hinweg passieren soll. „Das reicht vom Produktdesign über die Auswahl von Rohstoffen bis zur Frage nach Reparaturmöglichkeiten. Allein an diesen Punkten entscheiden sich 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produktes, wie zum Beispiel die Chancen für eine spätere Weiternutzung und Rückgewinnung von Materialien. Wir brauchen für die Circular Economy eine komplette Veränderung der Wertschöpfungsidee.“ Dabei dürften auch die entsprechenden Datenkreisläufe nicht außer Acht gelassen werden: „Digitale Produktpässe, die transparent machen, was in einem Produkt steckt, sind genauso wichtig wie die digitale Vernetzung von Unternehmen während der Produktionskreisläufe.“

MPI-Studie zu Anforderungen und Potenzialen in Berlin

Wie der Wandel hin zum zirkulären Wirtschaften in Berlin konkret umgesetzt werden kann, zeigt die Anforderungs- und Potenzialanalyse zur Circular Economy im industriellen Sektor Berlins, die von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe in Auftrag gegeben und bei der MPI Konferenz vorgestellt wurde.. Die Studie zeigt, dass es für eine erfolgreiche Transformation vor allem mehr Sichtbarkeit des Themas braucht. Weiterhin sei es wichtig, Unternehmen beim Kompetenzaufbau zur Umsetzung von Circular-Economy-Ansätzen zu unterstützen und ihnen gezielt Informationen zu beispielsweise rechtlichen Anforderungen zugänglich zu machen, erklärte Marco Baldauf, Senior Consultant beim Beratungsunternehmen Ramboll Management Consulting, welches die Analyse umgesetzt hat.

Für eine erfolgreiche Transformation brauche es vor allem mehr Sichtbarkeit des Themas. Die Studie empfiehlt niedrigschwellige Informations- und Beratungsangebote sowie Austauschformate mit Fachexpertinnen und -experten für KMU in Berlin. Dadurch soll der wirtschaftliche Mehrwert der Circular Economy kommuniziert und Handlungsansätze aufgezeigt werden. Ebenso wird das Setzen von konkreten Anreizsen für Unternehmen vorgeschlagen. Zum Beispiel könnten zirkuläre Innovationen gezielter im Rahmen von bestehenden Förderprogrammen adressiert werden. Als Chance sieht die Studie das große wirtschaftliche Potenzial der Transformation. Die Industrie könne vom zirkulären Wirtschaften deutlich profitieren, unter anderem weil es Lieferketten resilienter und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber attraktiver mache.

Portrait Martin Rahmel
97 Prozent aller materiellen Produkte haben mindestens eine chemische Transformation durchlaufen.
Martin Rahmel Koordinator des MPI-Projekts GreenCHEM und Managing Director der Chemical Invention Factory (CIF)

Das Berliner Circular Economy Ökosystem

Konkrete Initiativen zu zirkulärem Wirtschaften in Berlin wurden in Form von fünf „Spotlights auf das Circular Economy Ökosystem“ exemplarisch vorgestellt. Martin Rahmel, Koordinator des Projekts GreenCHEM und Managing Director der Chemical Invention Factory, machte etwa auf die Bedeutung von Chemie und deren Verantwortung für zirkuläres Wirtschaften aufmerksam: „97 Prozent aller materiellen Produkte haben mindestens eine chemische Transformation durchlaufen. Wenn wir also Kreisläufe in der Herstellung dieser Produkte verändern wollen, muss die Chemie mit am Tisch sitzen und neue Lösungen präsentieren.“ Er hatte gute Nachrichten mitgebracht: „Die grüne Chemie gibt uns Chemikerinnen und Chemikern Prinzipien an die Hand, wie wir das Molekül für Molekül anders machen und eine zirkuläre Wirtschaft aufbauen können.“ Berlin als Standort bringe hierzu wichtige Stärken mit: „Vor allem die große Zahl an universitären Ausgründungen in der Stadt kann helfen, die Veränderungen zu stemmen.“ GreenCHEM will ein Ökosystem für Innovationen in der Grünen Chemie mit europäischer Strahlkraft entwickeln und engagiert sich ebenfalls als Projekt auf der Plattform des MPI.

Wie wichtig Netzwerken für die Transformation zur Circular Economy ist, betonte auch Dina Padalkina, Vorsitzende und Leiterin „Built Environment“ bei Circular Berlin. „In den vergangenen fünf Jahren unserer Arbeit haben wir gelernt, dass man Circular Economy nur in die Umsetzung bringen kann, wenn man passende Partnerinnen und Partner dafür sucht und gemeinsam die Entwicklung anschiebt“, sagte sie. Und erklärte, wie ihr gemeinnütziger Verein Kreisläufe in Berlin noch schließen will: mit Wissensaustausch, Sichtbarkeit für das Berliner Circular Economy Ökosystem und gemeinschaftlichen Projekten. Eines der letzteren ist die Circular City Challenge, die sich als MPI-Projekt auch in den Masterplan Industriestadt einbringt. Dabei legen kommunale Partnerinnen und Partner fest, für welche Herausforderungen sie zirkuläre Lösungen benötigen, und werden dann mit passenden Innovatoren zusammengebracht.

Portrait Dina Padalkina
In den vergangenen fünf Jahren unserer Arbeit haben wir gelernt, dass man Circular Economy nur in die Umsetzung bringen kann, wenn man passende…
Dina Padalkina Vorsitzende und Leiterin „Built Environment“ 
bei Circular Berlin

Franziska Lienert vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. stellte nawi.berlin vor: Die Initiative, die ebenfalls von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Betriebe und Energie gefördert wird, versteht sich als zentrale Anlaufstelle für Informationen rund um ressourcenschonendes Wirtschaften in Berlin und soll hiesigen Unternehmen auf dem Weg zu nachhaltigerem Arbeiten Orientierung geben. Dazu bietet sie unter anderem eine Suchmaschine für Unterstützungsangebote an und veranstaltet Pitching-Events. Franziska Lienert sagte: „Die Transformation wird nicht funktionieren, wenn wir die Wirtschaft nicht mitnehmen.“

„Berlin soll Zero-Waste-Hauptstadt werden“

Meike Al-Habash, Leiterin der Mitte 2023 neu gegründeten Zero-Waste-Agentur, zeigte auf, wie sich ihr Team und sie nach dem Motto „Der beste Abfall ist der, der gar nicht erst entsteht“ für weniger Verschwendung, mehr nachhaltigen Konsum und qualitativ hochwertiges Recycling engagieren. Die Initiative wird von der Berliner Stadtreinigung umgesetzt. Damit Berlin Zero-Waste-Hauptstadt wird, spricht die Agentur neben Bürgerinnen und Bürgern auch die gewerbliche Wirtschaft an: „Kleine und mittelständische Unternehmen finden oftmals nur schwer ihren Platz in dieser Transformation. Ihnen fehlen meist konkrete Ansatzpunkte, wie sie Circular Economy umsetzen können“, so Al-Habash. Die Zero-Waste-Agentur unterstützt Berliner Akteurinnen und Akteure unter anderem mit Informationsangeboten und Plattformen für den Know-how-Transfer.

Die MPI Konferenz Circular Economy fand unter dem Dach des Impact Hubs in Neukölln statt. Janna Schlender, Head of Strategic Partnerships, stellte die inhaltliche Arbeit der Impact Hub Berlin GmbH vor: „Wir sind Teil eines globalen Netzwerks mit über 25.000 Mitgliedern, die gemeinsam Innovationen fördern und mit unternehmerischen Mitteln Lösungsansätze für den ökologischen Wandel finden wollen.“ Dazu fungiert der Hub als ein Ort der Begegnung mit umfangreichen Programmen zum Thema Circular Economy. Unter anderem wurde mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe vor drei Jahren „Circular Together“ ins Leben gerufen – ein Inkubator-Programm. „Wir sind sehr stolz, dass wir damit schon 58 Gründerinnen und Gründer unterstützen konnten, die dazu beigetragen haben, unsere Wirtschaft zirkulärer zu machen und neue Arbeitsplätze schaffen“, so Schlender. „Besonders spannend finde ich den hohen Anteil an Gründerinnen von fast 70 Prozent.“

Podiumsdiskussion zu Handlungsansätzen und Erfolgsfaktoren

Auf der abschließenden Podiumsdiskussion der MPI Konferenz Circular Economy standen Handlungsansätze und Erfolgsfaktoren für die Unterstützung der Berliner Industrie im Fokus. Es herrschte Konsens darüber, dass es angesichts der Komplexität zirkulärer Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten eine ganze Bandbreite von Maßnahmen braucht, um Berlins Rolle als Wegbereiter zum zirkulären Wirtschaften zu stärken. Dazu zählen unter anderem regulative Maßnahmen, gezielte Anreize, die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften sowie die Unterstützung von Gründungen und Ausgründungen. Als übergreifende Erfolgsfaktoren wurden eine enge Vernetzung der Angebote sowie von Akteurinnen und Akteuren des Ökosystems und eine Kooperation auf Augenhöhe ausgemacht.

Dass Berlin beim Thema Circular Economy bereits sehr aktiv ist, wurde positiv hervorgehoben. Dina Padalkina lobte das große Interesse der Akteurinnen und Akteure: „Ich erlebe die Menschen hier als sehr offen und motiviert. So kann man die Umsetzung von Ideen in der Regel schnell anschieben.“ Auch, dass Räume wie das Impact Hub existieren, spricht laut Meike Al-Habash für die Stadt: „Als Gesellschaft müssen wir Orte schaffen, wo Circular Economy erlebbar ist, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum sowie im Arbeitskontext.“ Sie glaubt, dass die Transformation derzeit enorm an Fahrt aufnimmt: „Auf dem Weg zum Ziel sind wir noch auf dem ersten Drittel der Strecke. Aber wir werden in Zukunft nur noch schneller sein als jetzt.“

Neue Kombination aus Kooperation und Wettbewerb erforderlich

Dr. Claas Oehlmann betonte, dass die Circular Economy neben der Umstellung von Technologien ein neues Denken bei den wirtschaftlichen Akteurinnen und Akteuren braucht: „Circular Economy bedeutet, dass Geschäftsmodelle nicht mehr auf Kosten der Vorgänger oder Nachfolger in der Wertschöpfungskette optimiert werden. Stattdessen will man hier gemeinsam optimieren – während man gleichzeitig weiterhin im Wettbewerb bleibt.“ Oehlmann bezeichnet dies als ein „absolutes Kooperationserfordernis“.

Die MPI Konferenz war eines der vielfältigen Formate des Masterplans Industriestadt Berlin zum Thema Circular Economy, weitere sollen angesichts des großen Interesses folgen. Moderator Wolfgang Korek lud auch noch einmal zur Mitwirkung ein: „Der Masterplan ist für alle da und will durch uns alle mit Leben gefüllt werden.“ Wer Projekte oder Maßnahmen vorschlagen will, kann das hier gerne tun. Korek: „Es ist die Chance, die weitere Umsetzung dieser Strategie und damit die Berliner Industriepolitik mitzugestalten.“