Rahmendienstvereinbarung zum elektronischen Rechtsverkehr und zur elektronischen Aktenführung in den Berliner Gerichten, Staatsanwaltschaften und der Amtsanwaltschaft

Zwischen

der Senatsverwaltung für Finanzen

und

dem erweiterten Hauptpersonalrat für die Behörden, Gerichte und nichtrechtsfähigen Anstalten des Landes Berlin (als um die Mitglieder des Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrats erweitertes Gremium im Sinne von § 55 Abs. 2 und 6 des Berliner Richtergesetzes)

wird im Einvernehmen mit der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung sowie der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales aufgrund von § 74 Abs. 2 Satz 3 des Personalvertretungsgesetzes folgende

Rahmendienstvereinbarung
zum elektronischen Rechtsverkehr und zur elektronischen Aktenführung in den Berliner Gerichten, Staatsanwaltschaften und der Amtsanwaltschaft

geschlossen.

Präambel

Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3786) sieht spätestens ab dem 1. Januar 2022 den verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehr zwischen professionell Einreichenden, insbesondere der Rechtsanwaltschaft und Behörden und den Gerichten vor. Das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehr vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208) sieht den elektronischen Rechtsverkehr im Bereich der Strafverfolgung und des Strafprozesses sowie die elektronische Aktenführung in der gesamten Justiz ab spätestens 1. Januar 2026 vor. Im Land Berlin ist der elektronische Zugang zu den Gerichten und den Strafverfolgungsbehörden seit dem 1. Januar 2010 weitgehend eröffnet.

Die elektronischen Posteingänge und die elektronische Kommunikation können nur sinnvoll bewältigt und ein Nutzen bei der Bearbeitung der elektronischen Dokumente erreicht werden, wenn auch der Postausgang weitestgehend elektronisch abgewickelt und auf die elektronische Aktenführung umgestellt wird. Diese Umstellung ist eine in organisatorischer, technischer, finanzieller und personeller Hinsicht anspruchsvolle Aufgabe, die nur mit qualifiziertem Fachpersonal erfolgreich bewältigt werden kann.

Die Vertragsparteien betrachten die Einführung des flächendeckenden elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte als große Herausforderung und als wichtigen Beitrag zur Modernisierung der Justiz, deren Funktions- und Zukunftsfähigkeit damit sichergestellt werden sollen. Den Beschäftigten sollen moderne, ergonomische und die Arbeit unterstützende Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden. Die Akzeptanz und Motivation der Beschäftigten ist wesentlich für den Erfolg der Einführung. Es ist sicherzustellen, dass der Echtbetrieb und die damit verbundenen Aufgaben dauerhaft personell zu bewältigen sind.

Zur Entwicklung und Pflege der elektronischen Aktensysteme arbeitet die Berliner Justiz in Verbünden mit anderen Bundesländern zusammen.

Die nachstehende Rahmenregelung soll dazu dienen, die Rechte und Pflichten der Beschäftigten, Anforderungen an den Daten- und Persönlichkeitsschutz sowie den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu definieren und die Rechte der Beschäftigtenvertretungen zu sichern.

§ 1 Ziele

(1) Ziel ist die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte in den Berliner Gerichten und Strafverfolgungsbehörden.

(2) Mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte soll sich die Berliner Justiz an die modernen Kommunikationsformen anpassen. Die elektronische Aktenführung soll dabei eine nahezu medienbruchfreie Bearbeitung der Vorgänge ermöglichen und zu einer Erhöhung der Bürgerfreundlichkeit sowie zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten führen.

(3) Die Informations- und Kommunikationsprozesse sollen mit der Einführung verbessert, Dokumente und Akten auf elektronischem Wege schneller verteilt und bearbeitet werden. Dies soll zu einer Optimierung der Arbeitsprozesse führen. Den Beschäftigten wird hierzu ein ergonomischer IT-Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt.

§ 2 Gegenstand, Begriffsbestimmung

(1) Gegenstand dieser Rahmendienstvereinbarung ist die flächendeckende Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) und der elektronischen Akte (eAkte) bis zur Aufnahme des regulären Echtbetriebs. Unter elektronischem Rechtsverkehr ist dabei sowohl der Empfang elektronischer Dokumente als auch deren Versand an empfangsbereite Dritte durch die Justiz zu verstehen. Die elektronische Aktenführung ersetzt eine solche in Papierform.

(2) Vor Aufnahme des regulären Echtbetriebs ist das hierfür erforderliche Beteiligungsverfahren mit den zuständigen Beschäftigtenvertretungen abzuschließen (vgl. §§ 9 bis 11).

(3) Die Vertragsparteien sind sich einig, dass auch nach Aufnahme des regulären Echtbetriebs gewährleistet werden muss, dass den rechtlichen Anforderungen, insbesondere des Datenschutzes, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, der Barrierefreiheit, der Software-Ergonomie und Gebrauchstauglichkeit unter Berücksichtigung des Stands der Technik und arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse, Sorge getragen wird.

(4) Die Eigenständigkeit der Dienststellen zur Regelung arbeitsorganisatorischer Abläufe (z.B. Scannen und Drucken) bleibt hiervon unberührt.

§ 3 Geltungsbereich

Diese Rahmendienstvereinbarung gilt für alle nichtrichterlichen und richterlichen Beschäftigten der Gerichte, Staatsanwaltschaften und der Amtsanwaltschaft im Land Berlin.

§ 4 Anforderungen an die elektronischen Aktensysteme

(1) Systeme zur elektronischen Aktenführung sind so zu gestalten, dass die richterliche Unabhängigkeit sowie die sachliche Unabhängigkeit der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger gewahrt werden.

(2) Die elektronischen Aktensysteme müssen den Bestimmungen für die Barrierefreiheit und Ergonomie genügen. Die einschlägigen Normen sind im Wesentlichen in der Anlage 1 aufgeführt. Die Prüfung und Gewährleistung erfolgt nach Maßgabe der in Anlage 2 beschriebenen Grundsätze.

(3) Die elektronischen Aktensysteme müssen ungeachtet weitergehender fachlicher und technischer Anforderungen folgenden ergonomischen, dem Stand der Technik entsprechen-den Grundanforderungen genügen:

  • Die elektronischen Akten müssen strukturiert und anwenderfreundlich aufgebaut sein sowie Optionen zur individualisierten Strukturierung unter Beachtung verbindlicher Aufbaustrukturen (Aktenbände und Verzeichnisse) bieten.
  • Sie müssen gebrauchstaugliche Werkzeuge zur Erschließung und Bearbeitung der Akteninhalte enthalten. Insbesondere müssen sie einen effizienten Zugriff bieten, um mit möglichst geringem Bedien- und Orientierungsaufwand Akten, Aktenteile und Inhalte (Dokumente) anzusteuern, anzuzeigen und zu bearbeiten. Dies beinhaltet Funktionen zur temporären und dauerhaften Einrichtung und Anzeige flexibel definierbarer Sichten, insbesondere unter Verwendung von Filter-, Gruppierungs- und Sortierfunktionen. Der effiziente Zugriff schließt Suchwerkzeuge ein, die über inhaltsbezogene Daten, ein-schließlich individueller Anmerkungen, sowie metadatenbezogene und technisch definierte Suchkriterien Dokumente und Dokumenteninhalte zu finden erlauben. Mehrdeutige Ergebnisse sollten in Form einer Trefferliste angezeigt werden, die über Such- und Filterkriterien weiter einschränkbar und sortierbar ist.
  • Die elektronischen Aktensysteme müssen Werkzeuge bieten, die verschiedene Bearbeitungsversionen der Inhalte einer Akte (Dokumente) mit Lesezeichen, Anmerkungen, Textmarkierungen und sonstigen Kennzeichen mit persönlichen und gruppenbezogenen Zugriffsbeschränkungen zu versehen erlauben.
  • Die Übernahme von Metadaten soll dem Stand der Technik entsprechend weitgehend automatisch erfolgen. Die manuelle Metadatenpflege soll im Rahmen der sachgerechten Aufgabenerfüllung möglich sein und durch Funktionen zur Fehlervermeidung (insb. Plausibilitätsprüfung) unterstützt werden.
  • Die Schriftguterstellung muss durch eine Kopplung des Textverarbeitungsprogramms mit dem elektronischen Aktensystem unterstützt werden, so dass alle dafür benötigten Daten des Systems mit möglichst geringem Aufwand verwendet werden können oder, sofern sie aus dem Kontext eindeutig hervorgehen, automatisch verwendet werden.
  • Die elektronischen Aktensysteme müssen über Werkzeuge verfügen, die Dokumente zu ausgewählten Inhalten der Akte hochperformant unter Beachtung der geltenden Form- und Formatvorschriften (z. B. PDF/A) generieren können.

(4) Die elektronische Akte hat den Beschäftigten in mindestens demselben rechtlichen zu-lässigen Umfang wie die bislang führende Papierakte zur Verfügung zu stehen. Der Zugriff auf die elektronische Akte muss im Dienstzimmer und im Sitzungssaal gewährleistet werden.

§ 5 Arbeits- und Gesundheitsschutz

(1) Bestehende und von der Dienststelle neu einzurichtende IT-Arbeitsplätze sind so zu gestalten, dass die arbeitsrechtlichen Richtlinien und Vorschriften, insbesondere die des Arbeitsschutzgesetzes, der Nummer 6 des Anhangs „Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten” nach § 3 Absatz 1 der Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbStättV) sowie der DIN ISO 9241 eingehalten werden. Hierbei ist dafür Sorge zu tragen, dass den rechtlichen Anforderungen an die Barrierefreiheit entsprochen wird, insbesondere den „Technischen Regeln für Arbeitsstätten“ (ASR) V 3a. 2.

(2) Soweit gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen, ist ein Parallelbetrieb von elektronischer und Papierakte (Duplo-Akte) auf eine möglichst kurze Übergangszeit zu beschränken. Sich aus dem Parallelbetrieb ergebende Mehrbelastungen sind weitgehend zu vermeiden.

(3) Die Beschäftigten sind durch Fortbildungen oder andere geeignete Maßnahmen über gesundheitsbewusstes Verhalten bei der Bildschirmarbeit aufzuklären.

(4) Die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben zum Arbeits- und Gesundheitsschutz wird regelmäßig durch die jeweiligen Dienststellen unter Hinzuziehung der örtlichen Fachkräfte für Arbeitssicherheit überprüft.

§ 6 Datenschutz und IT-Sicherheit

(1) Die Dienststellen sind die verantwortlichen Stellen für die personenbezogenen Daten, die sie für ihren Dienstbereich erheben, verarbeiten und nutzen oder dies durch andere in ihrem Auftrag vornehmen lassen.

(2) Sie gewährleisten, dass alle notwendigen organisatorischen und technischen Maßnahmen nach den datenschutzrechtlichen Bestimmungen unter Beachtung der IT-Sicherheitsgrundsätze des Landes Berlin getroffen werden. Dies schließt die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zur Zutritts-, Zugangs-, Zugriffs-, Auftrags- und Verfügbarkeitskontrolle ein.

(3) Zur Planung, Umsetzung und Prüfung der Maßnahmen gemäß Absatz 2 werden IT-Sicherheits- und Datenschutzkonzepte erstellt und den Beschäftigtenvertretungen im Rahmen ihrer Beteiligung vorgelegt, soweit dies unter Sicherheits- und Datenschutzaspekten zulässig und möglich ist.

(4) Die Erstellung der Sicherheitskonzepte erfolgt unter Beachtung des jeweils aktuellen BSI-Standards. Im Rahmen dessen erfolgt eine Risikoanalyse mit Feststellung des Schutzbedarfs und der Anforderungen an die Verfügbarkeit.

(5) Das Datenschutzkonzept beinhaltet eine Beschreibung der Rechteverwaltung, ein Berechtigungskonzept, in dem die Rollen der Nutzenden und deren Zugriffsrechte auf die personenbezogenen Daten dokumentiert sind, sowie eine Auflistung aller personenbezogenen Datenfelder der Beschäftigten mit Angaben zu ihrem Inhalt, ihrer Rechtsgrundlage und Zweckbestimmung sowie zu Aufbewahrungs- und Löschfristen.

(6) Die Erstellung des Berechtigungskonzepts erfolgt durch die Dienststellen. Hierbei sind die behördlichen Datenschutzbeauftragten frühzeitig einzubinden und zu beteiligen.

(7) Die Datenschutz- und IT-Sicherheitskonzepte sind bedarfsweise, insbesondere anlässlich festgestellter Mängel oder neuer technischer Entwicklungen und Bedrohungen, anzupassen und fortzuschreiben.

(8) Die getroffenen Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes und der IT- Sicherheit sind zu dokumentieren. Die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen und Sicherheitsrichtlinien ist regelmäßig durch die Dienststelle zu prüfen. Festgestellte Mängel sind unverzüglich zu beheben.

(9) Werden personenbezogene Daten im Auftrag durch eine andere Stelle verarbeitet, so ist dabei vertraglich sicherzustellen, dass datenschutzrechtliche Bestimmungen und die Regelungen dieser Rahmendienstvereinbarung eingehalten und kontrolliert werden. Die Kontrollrechte der Beschäftigtenvertretungen sowie die Betroffenenrechte sind in dem Vertrag über die Auftragsdatenverarbeitung sicherzustellen. Die Einhaltung der besonderen Belange der Justiz ist zu gewährleisten.

(10) Mit den elektronischen Aktensystemen dürfen keine Leistungskontrollen durchgeführt werden und keine Arbeitszeitüberwachungen erfolgen. Zur Verhaltenskontrolle dürfen sie nur insoweit verwendet werden, als dies zur Datenschutzkontrolle, Datensicherung oder Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer Datenverarbeitungsanlage erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für Protokollierungen von Aktivitäten der Nutzenden. Dabei anfallende Kontroll- und Protokolldaten unterliegen einer strikten Zweckbindung. Missbrauchskontrollen sind nur bei begründetem Verdacht unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und Einbeziehung der jeweils zuständigen Beschäftigtenvertretung zulässig.

(11) Die Beschäftigten sind zur Einhaltung der festgelegten Standards des Datenschutzes und der IT-Sicherheit bei der Nutzung der elektronischen Aktensysteme verpflichtet. Dies gilt auch bei Heimarbeit (§ 7).

§ 7 Heimarbeit und mobiles Arbeiten

Den Nutzerinnen und Nutzern der elektronischen Aktensysteme soll die Möglichkeit eröffnet werden, dienstliche Tätigkeiten, mindestens wie bisher bei Nutzung der Papierakte, am heimischen Arbeitsplatz oder mobil zu erbringen. Näheres regeln die Dienststellen in eigener Verantwortung. Dabei ist grundsätzlich Folgendes zu beachten:

  1. Elektronische Akten oder sonstige Daten dürfen nur verschlüsselt übermittelt werden.
  2. Es werden technische und organisatorische Vorkehrungen getroffen, um den nicht autorisierten Zugriff von Dritten zu unterbinden.
  3. Es sind geeignete technische und organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die im Falle eines Geräteverlustes Zugriffe auf lokal gespeicherte Daten verhindern.

§ 8 Nutzerservice, Qualitäts- und Änderungsmanagement

(1) Zur Unterstützung der Nutzerinnen und Nutzer bei der Anwendung der elektronischen Aktensysteme, namentlich der individuellen Einstellung, dem Umgang mit Fehlern und sonstigen Anwendungsproblemen sowie zur nachhaltigen Gewährleistung und Optimierung der Gebrauchstauglichkeit der Systeme wird ein Nutzerservice (Helpdesk) sowie ein Qualitäts- und Änderungsmanagement eingerichtet. Der Nutzerservice soll sicherstellen, dass den Beschäftigten im Bedarfsfall schnell und kompetent Hilfe bei der Erledigung ihrer Aufgaben mit den elektronischen Aktensystemen zuteil wird.

(2) Das Qualitäts- und Änderungsmanagement in Verbindung mit dem Nutzerservice soll sicherstellen, dass Fehler oder ergonomische Mängel möglichst kurzfristig und nachhaltig behoben werden. Bedarfe, Wünsche und Ideen zur Weiterentwicklung des Systems können von den Beschäftigten leicht und zeitnah eingebracht werden; die Anregungen sollen transparent und kompetent bearbeitet, geprüft und nach positiver Prüfung umgesetzt werden.

(3) Die zuständige Stelle verpflichtet sich, nachweislich auf die Umsetzung der mit den Beschäftigtenvertretungen und Dienststellen vereinbarten Änderungsanforderungen im Rahmen des Länderverbunds hinzuwirken und für den Fall, dass sie im Verbund nicht mehrheits-fähig und umsetzbar sind, in Abstimmung mit den Beschäftigtenvertretungen und Dienststellen alternative Lösungsansätze für Berlin zu prüfen und gegebenenfalls umzusetzen. Die Bestimmungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie des Datenschutzes werden hierbei berücksichtigt.

(4) Die zuständigen Stellen wirken darauf hin, einen möglichst störungsfreien Betrieb, eine hohe Ausfallsicherheit, Verfügbarkeit, IT-Sicherheit und Performance, unverzügliche Reaktionszeiten auf Fehlermeldungen und kurze Zeiten der Fehlerbehebung und Wiederinbetriebnahme zu gewährleisten. Dazu sollen Serviceleistungen (Service-Level-Agreements, SLAs) vereinbart werden. Die technische Unterstützung der Beschäftigten (Support) während der üblichen Dienstzeiten ist sicherzustellen.

(5) Im Rahmen des Nutzerservice sind ergänzend zur persönlichen Unterstützung zweckdienliche Informationen zum Verfahren, insbesondere Benutzerhandbücher und sonstige Hilfen, zugänglich zu machen. Alle diesbezüglichen Dokumente müssen über das Intranet einsehbar sein.

§ 9 Schrittweise beteiligungsorientierte und evaluierte Einführung

(1) Die Einführung von ERV und eAkte erfolgt schrittweise über koordinierte, eigenverantwortliche Einführungsvorhaben. Diese durchlaufen die Phasen Testbetrieb, Probe-Echtbetrieb und regulärer Echtbetrieb.

(2) Der Testbetrieb findet in einer von dem ordnungsgemäßen Betrieb abgetrennten Einsatzumgebung unter Ausschluss personenbezogener Echtdaten statt. Im Rahmen des Test-betriebs werden System- und Fachtests durchgeführt. Die Testfälle müssen praxisgerechte und anwendungskritische Anwendungsfälle und die Anforderungen des jeweiligen Anforderungskatalogs abdecken. Es werden technische Lasttests durchgeführt. Auch sollen Last-tests erfolgen, in denen die Performance der Systeme gemessen und geprüft wird. Die Rahmenbedingungen, Testkriterien und Ergebnisse der Tests werden dokumentiert.

(3) Als Probe-Echtbetrieb wird der vorübergehende Betrieb von elektronischen Aktensystemen mit den entsprechenden organisatorischen Maßnahmen verstanden, der im Rahmen eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter Verwendung von Echtdaten erfolgt und sowohl der dienstlichen Aufgabenerfüllung als auch der Erprobung und Optimierung des Verfahrens dient.
Im Rahmen des Probe-Echtbetriebs sind unter anderem die technischen, fachlichen und ergonomischen Anforderungen im Nutzungskontext des Verfahrens zu evaluieren sowie Maß-nahmen zur Beseitigung von Fehlern und ergonomischen Mängeln durchzuführen, um die Gebrauchstauglichkeit inklusive der Barrierefreiheit des Verfahrens zu erhöhen. Es ist eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen.
Die Aufnahme des Probe-Echtbetriebs setzt die Zustimmung der zuständigen Beschäftigten-vertretungen voraus.

(4) Der reguläre Echtbetrieb setzt die erfolgreiche Durchführung eines Probe-Echtbetriebs und die Zustimmung der zuständigen Beschäftigtenvertretungen voraus.

(5) Die Beteiligung der Beschäftigtenvertretungen erfolgt prozessbegleitend unter Beachtung des § 11. Für einzelne oder mehrere Teilvorhaben, die zeitlich oder organisatorisch getrennt voneinander umgesetzt werden (ggf. mit eigenen Teststellungen und Pilotierungen), sind in Abstimmung mit den Beschäftigtenvertretungen ggf. gesonderte Maßnahmen der Beteiligung zu vereinbaren und durchzuführen.

§ 10 Ausgestaltung der Beteiligung

(1) Vor Auswahl oder Entwicklung neuer IT-Verfahren zur Einführung von ERV und eAkte sind die Beschäftigtenvertretungen frühzeitig zu informieren. Vorliegende Anforderungskataloge und Dokumente sind den Beschäftigtenvertretungen so frühzeitig auszuhändigen, dass Mitwirkungsmöglichkeiten bestehen. Bei Ausschreibungen sind ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen. Bedarfsweise ist auf Antrag der Beschäftigtenvertretung ein Hearing (§ 11) durchzuführen. Entsprechendes gilt für das weitere Systemdesign und die Systemrealisierung.

(2) Im Rahmen des formellen Beteiligungsverfahrens zur Aufnahme des Probe-Echtbetriebs wird geprüft, ob alle Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Dazu können die Vertragsparteien ein Hearing (§ 11) durchführen. Zur Aufnahme des Probe-Echtbetriebs sind folgende Unter-lagen vorzulegen:

  • Testdokumentation gemäß § 9 Absatz 2 Satz 5 (unter anderem auch zur Gebrauchstauglichkeit und Barrierefreiheit)
  • Schulungskonzept unter Berücksichtigung der in § 12 beschriebenen Anforderungen
  • Stellungnahme des behördlichen Datenschutzbeauftragten
  • Stellungnahme des IT-Sicherheitsbeauftragten
  • Konzept für den Benutzerservice (Help-Desk) und das Qualitäts- und Änderungsmanagement

Die Vorlage oben genannter Unterlagen kann einvernehmlich durch eine mündliche Erörterung im Rahmen eines Hearings (§ 11) ersetzt werden.

(3) Im Rahmen des formellen Beteiligungsverfahrens zur Aufnahme des regulären Echtbetriebs wird geprüft, ob alle technischen und organisatorischen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Die erforderlichen Nachweise sind zu erbringen. Hierzu sind insbesondere folgende Unterlagen vorzulegen:

  • alle für den Echtbetrieb relevanten Konzepte in aktueller Version
  • Stellungnahme des/der IT-Sicherheitsbeauftragten
  • Stellungnahme des/der behördlichen Datenschutzbeauftragten
  • Gefährdungsbeurteilung

§ 11 Hearing

(1) Zur Information und Mitwirkung der Beschäftigtenvertretungen und der einvernehmlichen Beurteilung zum Stand des Einführungsvorhabens und zum weiteren Vorgehen werden Hearings durchgeführt.

(2) Die Verfahrensverantwortlichen präsentieren darin den Stand des Einführungsvorhabens, Einschätzungen der Gebrauchstauglichkeit, bestehende technische und organisatorische Probleme, Änderungen und Planungen sowie bedarfsweise funktionale, organisatorische, ergonomische, rechtliche und technische Aspekte.

(3) Das Hearing bietet Raum zur Erörterung von Fragen zum Stand des Einführungsvorhabens, unter anderem zur Arbeitsorganisation, zum Beschäftigtendatenschutz sowie zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung und Gebrauchstauglichkeit der IT-Systeme.

(4) Die Aussprache soll dazu dienen, offene Fragen, Probleme und strittige Punkte zu klären und einen Konsens über durchzuführende Maßnahmen zu erzielen.

(5) An den Hearings nehmen Verfahrensverantwortliche und Mitglieder der Beschäftigtenvertretungen teil. Ferner können bedarfsweise nach Absprache weitere Personen hinzugezogen werden.

(6) Hearings sollen auch vor Inbetriebnahme neuer Komponenten oder Versionen, die erhebliche funktionale, dialogtechnische oder arbeitsorganisatorische Änderungen mit sich bringen, durchgeführt werden.

(7) Hearings sind ferner auf Antrag der Beschäftigtenvertretungen oder der Verfahrensverantwortlichen durchzuführen.

(8) Hearings sollen während des Einführungsvorhabens in Abstimmung mit den Beschäftigtenvertretungen mindestens einmal jährlich stattfinden.

§ 12 Schulung und Qualifizierung

(1) Vor der Nutzung neuer Soft- und Hardware sind die Anwendenden angemessen zu schulen. Sie erhalten ausreichend Zeit und Gelegenheit, um sich mit den elektronischen Aktensystemen und mit der zur Verfügung gestellten Hardware vertraut zu machen.

(2) Die Beschäftigten haben einen Anspruch auf Nachschulungen und praxisbegleitende Anwenderbetreuung.

(3) Die Schulungsmaßnahmen sollen insbesondere folgende Bereiche umfassen:

  1. Vermittlung der Funktionsweise und Handhabung der Hardware (Bildschirm, Tastatur, Drucker, Scanner usw.);
  2. Einweisung in Datenschutz, Datensicherung und Datensicherheit (insbesondere Erläuterung des Datenschutzgesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen, Erläuterung und Demonstration aller schutzwürdigen Daten, die im Zusammenhang mit der Aufgabenerledigung anfallen, Erläuterung zu den und Unterweisung in die technischen und organisatorischen Datenschutzvorkehrungen und -maßnahmen, z.B. Verwendung von Passwörtern, Aufbewahrung von Datenträgern, Zugangssicherung zu Geräten und Räumen, Erläuterung von Datensicherungsmaßnahmen, Unterweisung in der Datensicherung und in Möglichkeiten der Fehlerbehebung bei z.B. unbeabsichtigter Datenlöschung) und in Grundlagen der IT-Sicherheit;
  3. Fachliche Einweisung und praktische Übungen, insbesondere Erläuterung und Demonstration des Funktionsumfanges anhand konkreter dienstlicher Aufgaben, Erläuterung und Bedienungshinweise bei auftretenden Programmfehlern und Fehlbedienungen, Unterweisung in alle für die Aufgabenerledigung erforderlichen Programmbestandteile einschließlich Beginn, Fortsetzung und Ende der Programmbenutzung, Unterweisung in die Benutzung der Handbücher, die HILFE-Funktionen, ggf. vorhandene Lernprogramme und arbeitsplatzbezogene Aufgaben;
  4. Einweisung in ergonomische Einstellungs- und Bedienmöglichkeiten der elektronischen Aktensysteme. Dazu gehören insbesondere Bedienoptionen von Eingabemedien (z.B. Tastaturbedienung, direkte Manipulation) und Einstellungsmöglichkeiten zur individuellen Anpassung der Benutzungsoberfläche wie Skalierung der Informationsdarstellung (z.B. Schrift, Bedienelemente), Einstellungen für Fenster und Fensterbereiche, Tabelleneinstellungen (z.B. Ein-/Ausblenden von Spalten, Sortierung von Tabelleneinträgen, Spaltenanordnungen), bereichs-, rollen- und nutzerbezogene Vorbelegungen und sonstige Funktionen zur Individualisierung im Sinne von DIN EN ISO 9241, Teile 110 und 129).

(4) Die Schulungsmaßnahmen finden auf Kosten der Dienststelle während der Arbeitszeit statt. Sie haben zeitnah zur Einführung der elektronischen Aktensysteme zu erfolgen. Die Beschäftigten sind verpflichtet, an diesen Maßnahmen teilzunehmen.

(5) Es besteht keine Pflicht zur Nutzung der elektronischen Aktensysteme, soweit diese Qualifizierungsmaßnahmen nicht angeboten worden sind.

§ 13 Elektronische Signatur

Die Nutzung von elektronischen Signaturen und insbesondere der Umgang mit persönlichen Signaturkarten sind gesondert zu regeln. Der Abschluss einer Dienstvereinbarung wird als sinnvoll erachtet.

§ 14 Schlussbestimmungen

(1) Die Möglichkeit zum Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen bleibt von dieser Rahmendienstvereinbarung unberührt. Auch dienststellenübergreifende Vereinbarungen sind zulässig.

(2) Diese Rahmendienstvereinbarung tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft.

(3) Eine Änderung dieser Rahmendienstvereinbarung ist jederzeit zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich möglich. Sie bedarf der Schriftform.

(4) Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung ganz oder teilweise nicht rechtswirksam sein, so berührt dies die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht. Die Vertragsparteien verpflichten sich, in diesem Fall eine Anpassung der betroffenen Bestimmungen vorzunehmen.

(5) Tarif- und beamtenrechtliche Bestimmungen sowie Beteiligungsrechte nach dem Personalvertretungsgesetz, dem Berliner Richtergesetz, dem Sozialgesetzbuch IX sowie dem Landesgleichstellungsgesetz bleiben unberührt.

(6) Die Rahmendienstvereinbarung gilt unbefristet und kann mit einer Frist von drei Monaten zum 30. Juni oder 31. Dezember eines Kalenderjahres gekündigt werden. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Die Bestimmungen dieser Vereinbarung gelten im Falle einer Kündigung bis zum Abschluss einer neuen Rahmendienstvereinbarung weiter.

Berlin, den 24.04.2018

  • gez. Dr. M. Kollatz-Ahnen
    Senatsverwaltung für Finanzen

    gez. Daniela Ortmann
    Hauptpersonalrat

    gez. Torsten Harms
    Hauptrichter- und Hauptstaatsanwaltsrat

RDV ERV und eAkte als Download

  • RDV ERV und eAkte

    Rahmendienstvereinbarung zum elektronischen Rechtsverkehr und zur elektronischen Aktenführung in den Berliner Gerichten, Staatsanwaltschaften und der Amtsanwaltschaft vom 24.04.2018

    PDF-Dokument (1.3 MB) - Stand: 24.04.2018