Aufgrund der zahlreichen Nachfragen beim Hauptpersonalrat und den Personalräten vor Ort versuchen wir hier an dieser Stelle einen informellen Zwischenstand und eine erste Bewertung der sachlichen Zusammenhänge, damit die Beamtinnen und Beamten Berlins sich auf das Kommende einstellen können:
1) Das Gesetz zur Anhebung des Pensionseintrittsalters ist für Mai 24 angekündigt.
2) Es sieht die Anhebung desselben auf 67 vor; für die Vollzugskräfte sollen die bisherigen besonderen Altersgrenzen beibehalten werden.
3) Mit Beginn ab 2026 wird die bisherige Grenze von 65 Lebensjahren in Vierteljahresschritten angehoben, erster davon betroffener Jahrgang wird wohl der 1961er sein, wie auch zwischenzeitlich schon mal durch eine Zwischennachricht des Landesverwaltungsamts „geleakt“ (bei Anträgen auf Versorgungsberechnung).
Wir haben in unseren bisherigen Gesprächen mit dem Finanzsenator bzw. Staatssekretär auf folgende Zusammenhänge hingewiesen:
1) in den sogenannten Nullerjahren hat der Dienstherr seinen Beamtinnen und Beamten folgende Maßnahmen „angedeihen“ lassen
- ab 2003 sechs Jahre ohne Besoldungserhöhung
- gleichzeitige Arbeitszeiterhöhung auf 42, später 41 Stunden, bis heute mit 40 Stunden höher als die Arbeitszeit der Tarifbeschäftigten
- Streichung der Sonderzuwendung, Wiedereinführung später als Rumpfbetrag, bis heute keine Erreichung des Vorhaushaltskrisenzustands
- Streichung des Urlaubsgeldes
- Wegfall der Jubiläumszuwendungen, Wiedereinführung erst wieder in den Zehnerjahren
- Stellenbesetzungssperren
- Haushaltswartejahr zusätzlich zur Beförderungszeit nach Auswahl auf höhere Stelle.
(Möglicherweise ist diese Liste unvollständig, Hinweise nehmen wir gern entgegen)
2) Zeitgleich wurde die Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer je nach Entgeltgruppe um 8, 10 oder 12% zwangsabgesenkt und die Vergütung entsprechend verkürzt, die Angleichung an den Tarifvertrag der Länder gelang nur über einen langjährigen Angleichungspfad. Die Arbeitszeiterhöhung der Beamtinnen und Beamten stellte eine Kompensation dar, damit die Dienststellen arbeitsfähig blieben.
3) Der damalige Finanzsenator bleibt in Erinnerung mit despektierlichen Bemerkungen über Beamte (bleich, übelriechend) und der Erfindung von Entbehrungsquoten („10% weniger geht immer“), die insbesondere in den Finanzämtern durch konsequente Umsetzung zu dem personellen Fiasko geführt hat, vor dem wir heute stehen (aber nicht nur dort. Das ist ein anderes Thema und soll an anderer Stelle erzählt werden).
4) Das Einfrieren der Besoldung hat nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts zu einer „evident unzureichenden“ und verfassungswidrigen Besoldung ab 2008 bis 2015 (und vermutlich darüber hinaus) geführt, was der Dienstherr bis heute bestreitet. Zuletzt in seiner Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht dieses Jahr.
5) Mit Einführung des föderalen Prinzips bei der Beamtenbesoldung laufen die Beamtenrechte in den Ländern und beim Bund immer weiter auseinander. So auch bei der Anhebung des Pensionszeitalters. Der Bund, zum Beispiel, hat mit der Angleichung des Pensionseintrittsalters auf 67 in 2012 begonnen und wird erst 2031 die 67 erreichen. Das Land Berlin versucht jetzt, durch erheblich größere Schritte zu den anderen aufzuschließen.
Die steigende Unruhe in der Beamtenschaft und die vielen kritischen Nachfragen zeigen, dass die pensionsnahen Babyboomer-Jahrgänge eine insgesamt gute Merkfähigkeit haben. Es sei allgemein daran erinnert, dass das Beamtenverhältnis mit einem Eid auf die Verfassung (nicht auf die Regierung!) und einer Verpflichtung zum Schutz derselben einhergeht. Beamtinnen und Beamte müssen mit ihrer gesamten Persönlichkeit Vorbild sein und auf die Wahrung des Rechtsstaats achten. Im Volksmund heißt es nicht umsonst: der Beamte ist immer im Dienst. Mit diesem Treueverhältnis geht einher, dass in keinem Arbeitsvertrag Dinge auf Augenhöhe geregelt werden, daher gibt es weder ein Tarifrecht noch ein Streikrecht. Und der Rechtsweg geht ins Leere (siehe Stellungnahme des HPR an das Bundesverfassungsgericht).
Der Dienstherr spricht von Gerechtigkeit gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und rechnet damit, dass der Neid auf die sogenannten Beamten-“Privilegien“ die Beschäftigtengruppen in den Dienststellen spalten wird. Wir im Hauptpersonalrat glauben aber daran, dass eines in den Dienststellen über diese ganze Zeit bis heute gilt: eine Solidarität unter Kolleginnen und Kollegen, unabhängig von der Statusgruppe.
Wir haben angeregt, die Überleitung zur 67 modern zu gestalten und darum zu werben, dass die Beamtinnen und Beamten freiwillig über die 65 hinaus im Dienst bleiben, diese dann dafür später ohne Übergang eingeführt wird. Dies würde, so denken wir, diejenigen, die gesund genug sind und möglicherweise weitere Pensionsansprüche erarbeiten wollen, länger im aktiven Dienst lassen. Vielleicht gingen dann auch weniger Beamtinnen und Beamte vorzeitig mit 63 in den Ruhestand, weil dann keine zwingende Verlängerung der Dienstzeit droht.
Diese Idee wurde rundweg abgelehnt.