…dann ist die Lage wirklich ernst. So wie jetzt im Rettungsdienst, wo wir den „Ausnahmezustand“ als chronischen Dauerzustand haben. Soll heißen: es gibt zu wenig Rettungswagen im Einsatz. Warum? Weil man anscheinend die Entwicklung seit Jahren ignoriert hat.
Das beginnt mit den zu geringen Ausbildungszahlen für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in den Jahren 2018 und 2019, weil damals Medizinpädagogen für die Ausbildung nicht in ausreichender Zahl vorhanden waren. Wird nicht genug ausgebildet, fehlen drei Jahre später die Menschen für die Einstellung bei der Feuerwehr (nicht nur ein Problem der Feuerwehr, aber hier hat es dramatische Auswirkungen).
Woran es nicht mangelt, sind Notrufe. Die 112 wird über die Jahre mit wachsender Intensität genutzt. Leider r bedenken die Bürgerinnen und Bürger oft nicht, dass es sich um eine Notfallnummer handelt – die Zahl der Bagatellen, die unter Blaulicht angefahren werden, nehmen zu. Es zählt oft die eigene Bequemlichkeit und Ichbezogenheit: „ich hab‘ doch Rückenschmerzen und bis zum Termin beim Arzt dauert es mir zu lange, also wähle ich den Notruf. Und der kommt dann und kümmert sich um mich“.. Alles prima also?
Nein. Denn das Abfrageprotokoll in der Leitstelle sieht eine hohe Sensibilität für eventuelle Risiken vor. Der Leitung der Feuerwehr geht es dabei um die rechtliche Absicherung der Beschäftigten in der Leitstelle , oder doch nur um die ihres ärztlichen Leiters? Dies wird teuer erkauft durch Überlastung der Notfallsanitäter, Rettungssanitäterinnen, Notärzte. Praktisch jeder Anruf sorgt für die Aktivierung eines Rettungswagens (RTW). Dieses Protokoll wird perspektivisch konkret Menschenleben kosten, gerade weil so übervorsichtig reagiert wird. Denn dies führt dazu, dass phasenweise nicht ein einziger RTW mehr für den Einsatz zur Verfügung steht, die Wagen der Hilfsorganisationen wie Rotes Kreuz, Malteser und Johanniter mit eingerechnet. Nix geht mehr und die 112 wird angerufen und es kommt dann – niemand. Was, wenn dann der Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine Massenkarambolage passiert? Bislang nur Theorie? Das weiß niemand genau, aber dass kein RTW mehr zur Verfügung steht, ist schon mehrmals in diesem Jahr vorgekommen.
Die außerordentliche Personalversammlung am 11.07.22 hat den enormen Unmut der Kolleginnen und Kollegen im Rettungsdienst ganz unmittelbar an die Behördenleitung und den Staatssekretär Akmann transportiert. Schnelle Lösungen hatten sie nicht dabei, ein Umdenken oder Umsteuern beim Vorgehen in der Leitstelle war nicht erkennbar, obwohl sogar die Praktiker von dort eine andere Priorisierung forderten. So geht es nicht weiter, das ist Scheitern mit Ansage. Die Kollegen und Kolleginnen stimmen mittlerweile mit den Füßen ab: 2022 haben jetzt schon 37 Menschen aus dem Rettungsdienst die Feuerwehr verlassen – 30 waren es im gesamten Jahr 2021.
Die Lösung soll die Überarbeitung des Rettungsdienstgesetzes sein, mit „Tempo, Tempo, Tempo.“ Wer’s glaubt – wir kennen doch unser Berlin und seine organisierte Verantwortungslosigkeit. Außerdem dauern Gesetzesänderungen nun mal, erst recht, wenn das beschließende Organ in der Sommerpause ist.
Am 01.09.22 ist die reguläre Personalversammlung der Feuerwehr. Bis dahin muss der Gesetzesentwurf stehen, die Einstellungsverfahren müssen abgeschlossen, die Einsätze anders priorisiert werden. Sonst brennt, nicht nur wegen der anstehenden Sommerhitze, welche auch wieder zu vermehrten Einsätzen führen wird, die Hütte. Und das bei der Feuerwehr.