Seit 2017 wurden zehntausende von Stellen bewertet, ausgeschrieben und besetzt, darunter tausende zusätzliche Stellen, vor allem in den Bereichen Schule, Polizei und Bezirksämter. Ein unglaublicher Kraftakt für die Personalstellen in den Behörden und eine eigene Erfolgsgeschichte.
Trotzdem kommen wir insgesamt im öffentlichen Dienst nicht wirklich vom Fleck, so scheint es. Das liegt daran, dass z.B. lange Wartezeiten auf Termine bei Standes- und Bürgerämtern, die chronische Überlastung von Polizei und Feuerwehr und der Mangel bei den ausgebildeten Lehrkräften und Erzieherinnen einfach nicht enden. Und dies wird leider, das ist die traurige Aussicht auf 2020, auch in diesem Jahr nicht besser:
In den nächsten fünf Jahren werden uns 25 bis 30% unserer Kolleginnen und Kollegen aus Altersgründen verlassen. Damit verlieren wir wichtiges Erfahrungswissen. Die Ausbildungs- und Studienkapazitäten hätten in den Jahren des rot-schwarzen Senats bereits massiv aufgestockt und ausgebaut werden müssen. Leider ist die damals zuständige Senatsverwaltung für Inneres und Sport unter Senator Henkel über eine Ankündigungsrhetorik nicht hinausgekommen (er fand allerdings auch im damaligen Finanzsenator Nußbaum keinen Unterstützer). Diese fünf Jahre wurden verschenkt und können leider nicht aufgeholt werden. Deshalb sollte der rot-rot-grüne Senat sich diesbezüglich ehrlich machen. Die oppositionelle CDU sollte auf zu kernige Rhetorik verzichten, sie könnte auch nicht mehr bewirken. Wir werden die Leute verlieren. Wir werden nicht alle adäquat ersetzen können. Wir werden versuchen, durch Digitalisierung Antragsbearbeitung zu modernisieren und Arbeitsprozesse zu
verschlanken und effizienter zu gestalten. Aber Personalmangel wird dadurch nicht komplett aufgefangen. Punkt.
Zudem hat sich unter den Beschäftigen herumgesprochen, dass jetzt ein berufliches Fortkommen möglich ist. Die Altersabgänge stehen meist am Ende einer Laufbahn, jeder Ausstieg sorgt für mehrere Beförderungen. Dies nennt man „Abbau des Beförderungsstaus“ und auch der kommt jetzt mit Macht. Fluktuation von Beschäftigten innerhalb des öffentlichen Dienstes ist somit das neue Thema. Diese Fluktuation sorgt dafür, dass Einarbeitungszeiten sich vervielfachen. Sie stellt einen Grund dar, warum sich z.B. in den Bürgerämtern durch den Stellenaufwuchs nicht alles zum Besten gewendet hat. Die Menschen entwickeln sich weiter und bleiben nicht auf den eher gering dotierten Eingangsstellen, sondern bewerben sich erfolgreich weg. Wer wollte es ihnen verdenken.
Hier folgt ein Appell an die versammelte Hauptstadtpresse: Schaut mal über den Tellerrand und auf andere Großstädte. Dort sieht es auch nicht besser aus; und selbst die Bundesbehörden kann man miteinbeziehen. Überall herrscht Personalmangel, überall kann Digitalisierung nicht so schnell umgesetzt werden wie gewünscht. Es gab bundesweit den Zeitgeist der Neunziger und Nullerjahre, den öffentlichen Dienst personell runterzufahren und auf Digitalisierung zu setzen, freilich ohne dies konkret anzugehen. Berlin steht nicht allein da, befindet sich aber in einer besonderen Situation als Metropole und wiedervereinigte, wachsende Hauptstadt. Ihr könnt euch
euer Berlin-Bashing also sparen. Zumal ihr die Sparjahre doch ziemlich mitgetragen, wenn nicht sogar ausdrücklich befeuert habt.
Was gilt es also zu tun? Zunächst müssen die Projekte des Zukunftpakts Berlin
angegangen bzw. umgesetzt werden. Ausbildung, auch die Qualifizierung der
Quereinsteigenden, ist das große Thema und muss in allen Bereichen Priorität
genießen. Wir müssen uns unser Personal in großer Zahl selbst ausbilden, deshalb muss dies gut organisiert und umgesetzt werden. Wir brauchen noch mehr Stipendien für Studierende, die sich dann für einen Dienst beim Land verpflichten. Dies gilt für viele Berufe, auch für Lehrkräfte, Mediziner, Ingenieurinnen, IT-Fachleute. Die Wiedereinführung des dualen Studiums im Beamtenverhältnis auf Widerruf in der allgemeinen Verwaltung ist ebenfalls angezeigt sowie die Anerkennung der Laufbahnbefähigung für beruflich Qualifizierte tariflich Beschäftigte (z.B. Verwaltungsfachwirte). Alles Maßnahmen, die erst in Jahren wirken. Sie sind trotzdem jetzt endlich
umzusetzen bzw. auszuweiten.
Bis dahin gilt für die Beschäftigten des Berliner öffentlichen Dienstes: weiter
durchhalten. Sich über kleine Fortschritte freuen. Auf die eigene Gesundheit achten. Wir vom HPR hoffen, mit unserer täglichen Arbeit für positive Veränderungen zu sorgen, ohne dass wir damit den großen Wurf, die Gesamtlösung erreichen, denn die gibt es nicht.
Bis dahin sollten die Menschen unserer Stadt, die Politik und die Medien den
Beschäftigten im öffentlichen Dienst Berlins freundlich und gelassen und mit
Anerkennung begegnen, denn hier arbeiten Menschen für Menschen unter seit Jahren schwierigen Bedingungen und sie sollen ja auch weiter ihrer Arbeit nachgehen. Glücklicherweise gibt es diese Anerkennung durch die Bürgerinnen und Bürger gar nicht so selten. Das freut dann und baut auf, denn für die Menschen der Stadt arbeiten wir im öffentlichen Dienst.