Herr Bürgermeister, Herr Bundeskanzler, meine Herren Minister, Mitglieder der Fakultät und Studenten dieser Universität: Ich fühle mich geehrt, ganz plötzlich ein Absolvent dieser hervorragenden Universität zu werden. Natürlich ist jede Universität, wenn es sich um eine solche handelt, frei. Also sollte man annehmen, die Bezeichnung „Freie Universität“ sei überflüssig – nicht jedoch in West-Berlin. Ich bin stolz, daß ich heute hier weilen darf und für meine Landsleute mit dieser großen Stätte der Wissenschaft verbunden bin.
Da Bismarck einmal sagte, daß ein Drittel der Studenten an den deutschen Universitäten vor Überarbeitung zusammenbräche, ein weiteres Drittel an den Folgen ihres lustigen Studentenlebens zu leiden hätten, und daß das letzte Drittel Deutschland regiere, weiß ich nicht, welches Drittel der Studenten sich heute hier versammelt hat, aber ich spreche ohne Zweifel zu den Männern, die in Zukunft die Geschicke dieses Landes leiten werden, und auch zu denen anderer freier Länder, die ihre Söhne und Töchter an diese Stätte der Freiheit geschickt haben, damit sie verstehen lernen, worum der Weltkampf geht. Ich weiß, daß wenn sie diese Lehrstätte verlassen, sie sich nicht vorstellen können, daß diese Einrichtung von Bürgern der Welt, darunter auch Vertretern meines Landes, geschaffen und von den Bürgern West-Berlins weiterentwickelt wurde. Sie können sich ferner nicht denken, daß die Männer, die sie unterrichten, ihr Leben der Wissenschaft geweiht haben, nur um den Absolventen dieser Universität im Lebenskampf einen wirtschaftlichen
Vorteil zu verschaffen. Diese Lehrstätte hat kein Interesse daran, nur Syndikusse und vereidigte Buchprüfer auszubilden. Woran sie Interesse hat, und das gilt für jede Universität, ist die Ausbildung von Weltbürgern – Menschen, die schwierige und heikle Aufgaben meistern, vor denen wir als freie Männer und Frauen stehen, sowie Menschen, die bereit sind, ihre Kraft in den Dienst des Fortschritts einer freien Gesellschaft zu stellen. Das ist der Grund, warum Sie hier sind, und weshalb diese Universität gegründet wurde, und wir alle aus ihr Nutzen ziehen.
Es ist eine Tatsache, daß in meinem Vaterland während der amerikanischen Revolution die Revolution und die Gesellschaft, die sich danach entwickelte, von einigen der größten Gelehrten in der amerikanischen Geschichte, die gleichzeitig zu unseren besten Politikern zählen, aufgebaut wurde. Sie glaubten, daß die Universität nicht nur eine Stätte der Studien sein soll, sondern fanden, sie sei ebenso ein Umschlagplatz.Madison und Jefferson und Franklin und all die anderen, die die Vereinigten Staaten aufgebaut haben, die unsere Verfassung schufen und sie auf eine gesunde Grundlage stellten, gaben uns allen ein Beispiel. Was auf mein Land zutrifft, trifft auch auf das Ihre und die Länder Westeuropas zu.Wie ein Amerikaner einmal vor hundert Jahren fragte: sollte denn John Milton griechische Verben in seiner Bibliothek konjugieren, während die Freiheit der Engländer gefährdet war? Es ist die Pflicht des Gelehrten, des Gebildeten, des Mannes oder der Frau, deren Talente die Gesellschaft entwickelt hat, an dem Aufbau einer
Gesellschaft, die ihre Entwicklung gefördert hat, mitzuarbeiten. Sie verstehen das. Und ichverstehe es und bin stolz darauf, bei Ihnen zu sein.