Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) ist ohne das Ausschöpfen milderer Mittel nicht befugt, Asylsuchende zur Preisgabe ihrer Handyzugangsdaten zu verpflichten, deren Handys auszuwerten und die so erlangten Daten der Entscheidung über den Asylantrag zugrunde legen. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Klageverfahren entschieden.
Die Klägerin reiste 2019 in das Bundesgebiet ein. Sie gab an, afghanische Staatsangehörige zu sein. Dabei reichte sie unter anderem eine afghanische Geburts- und eine Heiratsurkunde ein, war allerdings nicht im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes. Bei der Asylantragstellung folgte sie der Aufforderung des Bundesamtes, ihr Handy zu übergeben und die Zugangsdaten zur Verfügung zu stellen. In ihrem Beisein wurde das Gerät dann mittels einer Software ausgelesen, die darauf vorhandenen Daten zu einem sog. Ergebnisreport verarbeitet und dieser gespeichert. Erst danach übersetzte das Bundesamt die von der Klägerin im Asylverfahren überreichten Urkunden und gab deren Überprüfung in Auftrag. Anschließend wurde nach Zustimmung eines Volljuristen des Bundesamtes der Ergebnisreport zur Verwendung im Asylverfahren freigegeben. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen das Auslesen und Auswerten ihres Handys, das sie als unzulässige Grundrechtseingriffe ansieht.
Die 9. Kammer hat der Klage, soweit noch über sie zu entscheiden war, stattgegeben. Die Anordnung des Bundesamtes, die Zugangsdaten für eine Auswertung des von der Klägerin übergebenen Handys zur Verfügung zu stellen, sei ebenso rechtswidrig gewesen wie das Auslesen der Daten, die Auswertung mittels einer Software sowie die Speicherung des generierten Ergebnisreports. Zwar räume das Gesetz dem Bundesamt in § 15a AsylG die Möglichkeit ein, Datenträger auszuwerten. Dies setze jedoch voraus, dass die Auswertung für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers erforderlich sei und der Zweck der Maßnahme nicht durch mildere Mittel erreicht werden könne. Daran fehle es hier. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung und der Auslesung des Handys hätten mildere Mittel eingesetzt werden können, wie etwa die Auswertung und Überprüfung der von der Klägerin überreichten Dokumente, die erst nachträglich vorgenommen worden seien. Ein Auslesen und Speichern auf Vorrat sei unzulässig. Da die Erhebung der Daten rechtswidrig gewesen sei, habe auch der Ergebnisreport nicht verwertet werden dürfen.
Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
Urteil der 9. Kammer vom 1. Juni 2021 (VG 9 K 135/20 A)