Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin (Verfassungsgerichtshof) einen Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung verschiedener Regelungen der bis zum 19. April 2020 geltenden Berliner Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 abgelehnt.
Der Antragsteller, ein Rechtsanwalt, sah sich in verschiedenen privaten und beruflichen Tätigkeiten insbesondere durch die Schließung von Bibliotheken und die Gebote, seine Wohnung nicht zu verlassen und nicht mit anderen (nicht seinem Haushalt angehörenden) Menschen zusammenzutreffen, in verfassungswidriger Weise beschränkt.
Der Antrag war zwar nicht wegen des Grundsatzes der Subsidiarität unzulässig, er war aber unbegründet. Der Verfassungsgerichtshof hat im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund summarischer Prüfung entschieden. Dabei waren die Nachteile, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die zugleich mit dem Eilantrag erhobene Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre. Im Rahmen der Folgenabwägung hatte der Verfassungsgerichtshof zu beachten, dass eine einstweilige Anordnung, die Regelungen außer Vollzug setzt, nur dann in Betracht kommt, wenn Aussetzungsgründe besonderen Gewichts dies als unabweisbar erscheinen lassen.
Ausgehend von diesem strengen Maßstab führte die Folgenabwägung zu dem Ergebnis, dass die nachteiligen Folgen, die für die Allgemeinheit im Falle der ganzen oder teilweisen Aussetzung der vom Antragsteller zulässigerweise angegriffenen und seine beruflichen und privaten Tätigkeiten regelnden Vorschriften, einträten, schwerer wiegen als die Nachteile, welche die von diesen Regelungen Betroffenen bei der Ablehnung des Eilrechtsschutzantrages zu befürchten hätten. Erginge die einstweilige Anordnung und die angegriffenen Vorschriften würden außer Vollzug gesetzt, würden sich voraussichtlich viele Menschen so verhalten, wie es mit den angegriffenen Vorschriften unterbunden werden soll. Sie würden ihre Wohnungen häufiger verlassen, ihre physischen sozialen und familiären Kontakte außerhalb der eigenen Wohnung wieder aufnehmen und zu privaten und beruflichen Zwecken zusammenkommen. Es bestünde die Gefahr, dass sich das vom Senat des Landes Berlin nachvollziehbar als aktuell gegeben angesehene Risiko einer Überforderung des Gesundheitssystems realisiert, weil die Infektionsrate der Bevölkerung und damit einhergehend die Inanspruchnahme medizinischer Kapazitäten in einer Geschwindigkeit steigen würden, für die die derzeit vorhandenen medizinischen Kapazitäten nicht ausreichen. Dies würde schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen für viele Menschen und möglicherweise ein Ansteigen der Todesfälle zur Folge haben. Der Vermeidung dieser Gefahr kam das derzeit noch höhere Gewicht zu. Für die Folgenabwägung war auch entscheidend, dass die angegriffenen Regelungen befristet sind.
Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Beschluss vom 14. April 2020 – VerfGH 50 A/20