Mit einem breit aufgestellten Team verfolgt Visseiro die Vision einer digitalen Healthcare, die allen nützt: Gepflegten, Pflegenden und den direkten Angehörigen der Pflegebedürftigen. Wir haben mit dem Deep Tech Star 2021 in der Kategorie Social/Sustainable Tech gesprochen.
Hallo und herzlich willkommen, liebes Visseiro-Team. Schön, dass ihr euch für das Interview Zeit genommen habt! Auch ihr wart eines der glücklichen Teams, die im Juni diesen Jahres einen Deep Tech Award mit nach Hause nehmen durften. Eure Gewinner-Technologie ermöglicht es, kontaktlos Vitaldaten zu erheben. Diese Technologie macht ihr euch in einem ergonomischen Sitzkissen zunutze. Was genau hat euch dazu bewegt, dieses Sitzkissen herzustellen?
Was für uns ganz wichtig ist, ist, dass wir Pflege erleichtern und dabei sowohl auf die Situation als auch auf die Menschen eingehen, viel stärker als dies andere Lösungen machen. Auf die Menschen, die gepflegt werden und vor allen Dingen auch auf die Pflegenden – und zwar gleichermaßen – also die Pflegepersonen und die Gepflegten in den Mittelpunkt der Technologie zu stellen.
Dem voran geht natürlich eine Überlegung: Was macht man und wie genau gestaltet man so eine Lösung? Genau das haben wir gemacht! Wir haben beobachtet, was diese Menschen machen, was die Senioren viel machen. Und was brauchen vor allem die Pflegenden und Pflegekräfte? Wir sind dann zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gepflegten im Allgemeinen viel sitzen. Sie sitzen nahezu den gesamten Tag, beispielsweise im Sessel, im Schnitt acht bis zehn Stunden täglich. Da liegt es nahe eben diesen Sessel mit Technologie auszustatten, die es ermöglicht Informationen zu sammeln, diese anschließend aufzuarbeiten und zu verarbeiten, um den Alltag der Pflegepersonen zu unterstützen.
Welche Entwicklungen bahnen sich derzeit auf dem Gebiet Digital Healthcare an?
Da haben wir eine ganz interessante Entwicklung auf dem Pflegemarkt, eine Art Dezentralisierung. Es ist nicht so, dass immer mehr Pflegeheime gebaut werden und immer mehr Leute in Pflegeheime kommen, sondern die Leute wollen länger zu Hause leben und in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Genau dabei spielen informelle Pflegekräfte, also pflegende Angehörige, wie beispielsweise die Eltern, häufig auch die/der Partnerin/Partner oder die Kinder, eine wichtige Rolle. In Deutschland werden Gepflegte aktuell zu 75 Prozent bereits von eben diesen pflegenden Angehörigen betreut. Die zu unterstützen ist eine wichtige Aufgabe, der wir uns angenommen haben. Wir wollen dabei gar nicht auf die viel diskutierte professionelle Pflege eingehen, sondern auf speziell diese Personen, die ¾ dieser Arbeit in unserem Land übernehmen.
Vor allem mit dem Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz (DVPMG) und der damit einhergehenden Erstattungsfähigkeit ist das Thema noch einmal mehr in den Fokus gerückt. Die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) sind ja bereits in aller Munde, zusätzlich dazu sollen voraussichtlich noch Anfang kommenden Jahres die digitalen Pflegeanwendungen (DiPAs) kommen, die genau diese Anwendungen schaffen. Das sind digitale Lösungen, die auch eine Hardware-Komponente, wie beispielsweise ein Sitzkissen, haben und die dann im Pflegealltag unterstützend zum Einsatz kommen können. Es hat uns gefreut, dass in diesem Gesetzesentwurf auch die pflegenden Angehörigen nochmal explizit erwähnt werden und dass es auch Lösungen gibt, die SIE unterstützen. Das heißt also, das Sitzkissen dient dem Gepflegten zwar zum Sitzen, aber die eigentliche Unterstützung die erhalten die pflegenden Angehörigen oder die informelle Pflegeperson durch die gelieferten Informationen und Daten.
Was findet ihr besonders spannend auf dem Gebiet Social/Sustainable Tech? Was hat Berlin hier zu bieten, was andere Städte nicht haben?
Berlin ist natürlich DER Innovations-Hub. Wir arbeiten viel mit KI. Dort und auch auf vielen weiteren Bereichen gibt es sehr viel Austausch, beispielsweise in Form von digitalen Meet-ups oder auch persönlichen Treffen, wo auch wir uns auf höchstem Niveau im Bereich Deep Tech austauschen können. Gleichzeitig ist Berlin auch ein guter Standort für Early-Adopters, das heißt also Personen, die interessiert an Innovationen sind, die gerne anwenden möchten. Berlin ist außerdem eine sehr soziale Stadt, in die Innovationen aus dem Bereich Social Tech natürlich auch gut reinpassen. Wir sehen aber auch, dass Technologien im sozialen Bereich eigentlich unterrepräsentiert sind und wir noch viel Aufholbedarf haben. Daher finden wir es auch super spannend mit Visseiro etwas in diesem Bereich zu bewegen. Wir kommen ursprünglich aus NRW, haben Berlin aber ganz bewusst aus genau diesen Gründen als Standort gewählt und Visseiro hier gegründet.
Gibt es etwas Positives, dass euer Unternehmen aus der Pandemie-Zeit gelernt/mitgenommen hat? Was waren die Herausforderungen für euer Business?
Die Awareness für das Thema Pflege ist natürlich gestiegen. Wir finden es toll gerade in Pandemiezeiten aktive Mithilfe dabei leisten zu können. Wir haben unsere Lösung während der Lockdowns softwareseitig erweitert, um auch die soziale Isolation abdecken zu können. Das Gerät fördert also die soziale Interaktion und soll auch in Zukunft durch weitere Komponenten ergänzt werden. Die soziale Teilhabe wollen wir also stärken und das ist gerade jetzt, nachdem unsere Zielgruppe gerade zu Beginn der Corona-Pandemie noch deutlich stärker isoliert war, ein wichtiges Thema, bei dem wir Teil einer Lösung sein können.
Mittlerweile sind einige Tage seit eurem Gewinn bei den DTA21 vergangen. Was habt ihr als nächstes vor? Wie wollt ihr das Preisgeld von € 10.000 investieren?
Das Preisgeld wollen wir primär dafür einsetzen noch stärker nutzer:innenzentriert arbeiten zu können. Für uns ist das elementar wichtig, denn eine erfolgreiche Lösung muss Akzeptanz bei der/dem Nutzerin/Nutzer haben. Wir haben viele Lösungen in der Pflege, die haben ein Problem: die Regelnutzungstreue. Wenn das Produkt nicht benutzt wird, dann hilft es halt auch nicht. Man kann die tollsten Technologien in diesem Bereich entwickeln, aber am Ende des Tages werden sie halt nicht genutzt. Eine ganze wichtige Mission von uns ist es diese Regennutzungstreue so hoch wie möglich zu halten. Das ist mit sehr viel Aufwand in der Kommunikation verbunden und genau darin wollen wir weiter investieren und auch das Preisgeld vom Deep Tech Award anwenden.
Was war eure eigentliche Motivation, euch für den Deep Tech Award zu bewerben?
Wir haben über unser Netzwerk vom DTA erfahren. Wir haben viele Kontakte, Gruppen und allgemein viel Austausch im Social-Tech-Bereich. Dort ist der Deep Tech Award in mehreren Kanälen aufgetaucht.
Ihr seid insgesamt ein sehr junges Team. Was meint ihr, zeichnet eure Arbeit im Team aus?
Uns zeichnet vor allem aus, dass wir immer wieder daran arbeiten, gemeinsam eine Identität und Kultur im Unternehmen aufzubauen, die wir dem gemeinsamen Ziel/der Motivation, die wir im Social Bereich haben, verschrieben haben.
Danke für das Gespräch!