Verimi hat sich die Digitalisierung von Geschäftsprozessen für die Berliner Wirtschaft zum Ziel gesetzt. Aber wie genau erreichen sie das und was bedeutet das für ihr Produkt? Das und mehr erfahrt ihr im Interview mit dem CEO Roland Adrian.
Gratulation noch einmal an dieser Stelle! Auch ihr gehört zu den Gewinner:innen des Deep Tech Awards 2022.
Mit eurem Produkt, der Verimi ID-Wallet, ermöglicht ihr die Selbstverwaltung persönlicher Identitätsdaten. Aber wie genau funktioniert das?
Bei Verimi können Nutzer:innen ihre persönlichen Daten und Ausweisdokumente verifiziert und sicher in ihrem ID-Wallet ablegen. Mit dieser digitalen Brieftasche haben Nutzer:innen ihre Daten und Dokumente jederzeit zur Hand, z. B., um sie auf dem Smartphone vorzuzeigen, wenn sie die physischen Dokumente nicht dabeihaben. Oder um sich komplett digital mit nur zwei Klicks auszuweisen, z. B. für die Eröffnung eines Depots, für die Anmeldung beim Car-Sharing oder beim Kauf einer Prepaid-Karte. Zudem kann ich mich immer wieder sicher mit meinem Verimi-Zugang einloggen, z. B. beim Onlinebanking oder auf meinen Versicherungsportalen, ohne eine smsTAN nutzen zu müssen. Und mit meiner Verimi ID-Wallet kann ich dann auch ganz einfach digital unterschreiben. Das Ganze basiert auf dem Prinzip der selbstsouveränen Identitäten, das heißt, die Hoheit liegt komplett beim/bei der Nutzer:in, er/sie hat jederzeit volle Transparenz und Kontrolle, an wen er/sie seine/ihre Daten übermittelt und es erfolgt keine werbliche Nutzung im Hintergrund.
Digitale Selbstverwaltung scheint ja eher ein Thema der jüngeren Generation zu sein. Gehört auch die ältere Generation zu eurer Zielgruppe? Wenn ja, wie genau wollt ihr sie überzeugen?
Definitiv. Digitale Use Cases sind unabhängig vom Alter – in der Privatwirtschaft wie in der Verwaltung. Auch hier gilt „Bequemlichkeit siegt“, wichtig ist, dass der/die Nutzer:in es so einfach und so bequem wie möglich hat. „Digitale Selbstverwaltung“ ist gut, treibt in der Breite jedoch keine Nutzer:innenzahlen in die Höhe. Eine verständliche und einfache UX ohne Medienbruch ist entscheidend. Heutige Prozesse zur Identifizierung sind nicht einfach, ganz egal ob Video-Ident, Post-Ident, eID oder Foto-Ident – man braucht immer das Ausweisdokument, muss sich Zeit nehmen, das Umfeld muss passen, etc. Eine ID-Wallet bietet voll-digitale Prozesse und ich brauche nur noch mein Smartphone. Das überzeugt alle Generationen. Neben der Identifizierung geht es um Authentifizierung, also das sichere Einloggen. Im Onlinebanking, bei der Bezahlung, beim Zugang zu Serviceportalen oder der Nutzung von Services. Hierzu ist eine einheitliche, bequeme Interaktion ein integraler Teil der Verimi ID-Wallet-App. Also Schluss mit immer neuen smsTANs oder den vielen Foto-TAN-Apps. Auch das kommt in allen Generationen sehr gut an, die Verimi-App Downloads steigen rasant.
Wie verhält sich die Wallet bei einem Hackangriff? Können User:innen davon ausgehen, dass die Daten sicher bleiben und wenn ja, wie geht das?
Alle persönlichen Daten sind in der Verimi ID-Wallet individuell verschlüsselt und nur der/die jeweilige Nutzer:in verfügt über den Schlüssel. Wir haben zudem eine Vielzahl von Sicherungsmaßnahmen umgesetzt und diese werden in regelmäßigen Abständen von offiziellen Prüfstellen zertifiziert, bewertet und getestet. Verimi ist z. B. ISO 27001 zertifiziert, verfügt über eine eIDAS-Modulbestätigung der Bundesnetzagentur und das Verfahren eID-Identifizierung und Authentifizierung der Verimi-App wurde vom BSI für den Zugang zu Nutzer:innenkonten bewertet. Das BSI bestätigt, dass die Verimi-App für das Vertrauensniveau substanziell geeignet ist.
Digitalisierung ist ein wichtiges Stichwort bei eurem Produkt. Die geht in Deutschland ja eher schleppend voran. Glaubt ihr, dass Verimi ein Treiber für die Entwicklung sein kann? Beispielsweise in der Verwaltung?
Wir arbeiten jeden Tag daran, unseren Beitrag zur Beschleunigung der Digitalisierung zu leisten. Für unsere Nutzer:innen schaffen wir ein möglichst bequemes Erlebnis, mit unseren Partner:innen etablieren wir möglichst effiziente, digitale End-to-End-Prozesse. Das Potential ist riesig – aktuell prägen Silo-Lösungen für das „Einmal-Ident“-Verfahren den deutschen Markt, andere europäische Länder sind da bereits deutlich weiter. Das betrifft die Privatwirtschaft ebenso wie die öffentlichen Unternehmen. Die Verzahnung privatwirtschaftlicher Geschäftsprozesse mit öffentlichen Verfahren ist daher eine besondere Herausforderung. Beim Deep Tech Award haben wir eine iKfz-Lösung für die voll-digitale Kfz-Versicherung und Kfz-Zulassung vorgestellt. Ohne Medienbruch, voll-digital, End-to-End, in einheitlicher UX. Keine Wartezeiten und signifikante Zeit- und Kostenvorteile für alle Beteiligten. Das ist in den aktuellen Rahmenbedingungen bereits machbar. Schön wäre, wenn die Verwaltung in der Zukunft derartige Lösungen einsetzen würde.
Inwiefern meint ihr, dass digitale Dokumente in Zukunft physische vollständig ersetzen können?
Die praktische Bedeutung physischer Ausweise, Nachweise und Dokumente geht immer weiter zurück. Der Bezahlvorgang ist da ein schönes Beispiel – die physische Kreditkarte hat kaum noch jemand dabei, auch wenn die Kreditkarte für sich genommen als sehr bequem erscheint: Stabil, klein, leicht, wasserfest, ohne Strom, mit sicherem Chip, etc. – trotzdem übernimmt das Smartphone die tägliche Anwendung. So wird es auch mit Ausweisen und Nachweisen sein, das ist sehr klar vorgezeichnet. Das digitale EU-COVID-Zertifikat hat das Potential bewiesen, Ausweise und Führerscheine werden folgen und alle weiteren Qualifikationsnachweise oder verifizierten Attribute, aus dem privaten wie aus dem professionellen Bereich ebenso. Wichtig ist natürlich, dass es für die Ausstellung und Akzeptanz sichere Prozesse und Standards gibt, denen alle vertrauen können und an die sich alle halten.
Sicher hattet ihr von Anfang an die Motivation beim Deep Tech Award zu gewinnen. Was hat euch auch außerdem dazu bewogen, euch mit eurem Deep-Tech-Produkt beim Deep Tech Award 2022 zu bewerben?
Wir haben IT-Sicherheit und Datenschutz in unserer DNA und halten es für wichtig, dass diese Themen öffentliche und politische Aufmerksamkeit erhalten. Innovative Ansätze, die Sicherheit mit Nutzer:innenfreundlichkeit kombinieren, sollten gefördert werden. Sicherheit ist kein Widerspruch zu Nutzer:innenfreundlichkeit und eine effektive Lösung verzahnt beides zum Mehrwert für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. All das wird in dem hybriden Prozess der Kfz-Zulassung von der Versicherung bis zur Verwaltung wunderbar deutlich.
Was waren eure Highlights der diesjährigen Preisverleihung?
Zum einen erinnere ich mich an Senator Schwarz, der die Stärken des Standortes Berlins für die Digitalwirtschaft unterstrichen hat. Unsere Partner:innen aus der Privatwirtschaft sind sehr interessiert an unserem Produkt!
Außerdem erinnere ich mich an Bastian Halecker, der als Verbinder der vielen Deep-Tech-Initiativen agierte und den Weg von der „Competition“ zur „Cooperation“ beschrieben hat. Da finden wir uns wieder: Unsere Partner:innen verstehen, dass ihre Kund:innen ihre Verimi ID-Wallets auch bei anderen Unternehmen einsetzen können und sollen. Jeder leistet seinen Beitrag zum Aufbau des Ökosystems digitaler Identitäten und profitiert davon.
Warum habt ihr Fuß in Berlin gefasst?
Berlin ist aus vielen Gründen ein guter Standort. Es gibt hier viele Tech-Talente. Die brauchen wir, um zukunftsweisende und innovative Produkte zu entwickeln und zu betreiben. Berlin bietet zudem eine Nähe zu Verbänden, Ministerien, Behörden und der Verwaltung und das ist bei Projekten wie der iKfz-Lösung ein wichtiger Aspekt.
Was hat Berlin in Sachen IT-Security-Szene zu bieten?
Berlin bietet ein breites Netzwerk für IT-Security. Es gibt viele IT-Security-Unternehmen und viele Hochschulen in Berlin, die sich mit Security-Themen befassen. Berlin bietet damit eine gute Plattform für den Austausch und den Zugang zu exzellent ausgebildeten Talenten.
Welche Ziele setzt sich Verimi für die Zukunft?
Verimi will seine führende Position als Anbieter von ID-Wallet-Lösungen weiter ausbauen. Da sind wir bestens unterwegs. Unsere Verimi ID-Wallet ist als Unternehmens- und sektorübergreifendes ID-Wallet 2022 rasant gewachsen. Im ersten Halbjahr hat sich die Zahl der Identifizieungslösungen nochmals mehr als vervierfacht. Unsere Expertise bieten wir auch als „Wallet-as-a-Service“ an, die bewährte Infrastruktur der Verimi ID-Wallet steht hier modular für die spezifische Anpassung auf Anwendungsfelder und Ökosysteme bereit. Zum Beispiel hat uns die gesetzliche Krankenkasse BARMER gemeinsam mit T-Systems beauftragt, die Gesundheitskarte für die 8,7 Mio. Versicherten voll-digital auf das Smartphone zu bringen. Weitere Lösungen für andere Branchen werden folgen.
Danke für deine Zeit!