Deep Tech Talk: Interview mit Continuum Innovation GmbH

Deep Tech Talk: Im Interview mit Continuum Innovation GmbH i.G.

Lesezeit: 10 Minuten

Herzlichen Glückwunsch, ihr seid unter den Finalistinnen und Finalisten des 9. Deep Tech Awards! Was bedeutet der Deep Tech Award für Euch und was war die Motivation für Eure Bewerbung?
Vielen Dank! Der Deeptech Award sucht nach Ideen und Innovationen, die für die Zukunft relevant sind. Ich denke, dass wir mit unserer Lösung ein Produkt anbieten, das genau das bietet. So ein Award ist immer eine gute Möglichkeit zu sehen, wo man selber steht. Wie wird die Idee bzw. Produkt bewertet und von anderen verstanden? Der Einzug in die Finalrunde ist für uns sicherlich auch Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mehr Bekanntheit zu erlangen, andere Teilnehmer kennenzulernen und somit natürlich auch das Netzwerk zu erweitern gehören auch dazu. Und die Preise motivieren letztendlich natürlich auch 😉

Berlin gilt als eines der wenigen deutschen Zentren für technologische Innovation. Wie erlebt Ihr die lokale Tech-Infrastruktur und wie wird diese durch den Deep Tech Award beeinflusst?
Berlin hat eine sehr breit aufgestellte Bildungs- und Forschungslandschaft. Hiervon profitieren wir, wenn es um Austausch geht und darum, die richtigen und die guten Leute zu finden, die sich für unser Projekt begeistern und ihren Beitrag leisten wollen. Wir können auf ein breites Angebot an Firmen zurückgreifen, die ihre Produktion innovativer und digitaler und natürlich mit einem höheren Automatisierungsgrad effizienter machen wollen. Hierbei treffen wir auf gute Synergieeffekte, wodurch beide Seiten profitieren. Der Deep-Tech-Award hilft, Sichtbarkeit zu generieren und verschiedene Stakeholder zusammenzubringen.

Eure Kategorie Robotik wurde beim Deep Tech Award 2024 zum ersten Mal eröffnet. Warum denkt Ihr, dass dies wichtig für die Robotik-Szene in Berlin ist?
Die Robotikszene ist im vergleich mit anderen Clustern wie München eher klein. Ich denke, dass das berliner Startup Ökosystem mehr Hardware Startups vertragen kann und deshalb ist es eine super Idee, die Robotik als Kategorie einzuführen. Dieser Bereich wird in Zukunft noch sehr viel relevanter werden, nicht zuletzt weil Roboter durch neue Interaktionsmethoden die auch von KI profitieren, beispielsweise Sprachsteuerung, auch neuen Zielgruppen zugänglich wird. Es gibt spannende Forschungsprojekte an berliner Hochschulen im Bereich Robotik. Wenn aus diesen Projekten Startups werden die durch den Deep Tech Award mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung bekommen, dann ist das für den Wirtschaftsstandort Berlin eine sehr gute Nachricht.

Lasst uns die Perspektive wechseln und ein wenig mehr über Euch sprechen. Ihr habt Euch mit Euren Cobots beworben. Bitte gebt uns einen kleinen Einblick in Eure Gründungsgeschichte und Eure Hauptmotivation, Eure Produkte zu entwickeln.
Wir sind als klassisches Garagen Startup gestartet. Während Corona hatte ich (Kilian) die Zeit, mich mit der Idee eines kontinuierlichen Roboterarms (also einem, der sich bewegt wie ein Elefantenrüssel) näher zu beschäftigen. Auf einem 3D Drucker sind die ersten Tests entstanden und nach und nach ist ein reiferes Konzept daraus geworden. Die Teilnahme am Berliner Startup Stipendium mit Bosch und Liebherr hat uns bewiesen, dass unsere Idee Potenzial hat. Zusammen mit der HTW Berlin haben wir dann die EXIST Förderung beantragt. Diese Stationen haben uns sehr geholfen, aus den ersten Ideen und Tests einen MVP zu entwickeln und gleichzeitig zu verstehen, welche Kunden und Probleme wir zuerst adressieren.
Die Motivation ist schnell erklärt. Obwohl Roboter in vielen Produktionshallen schon seit Jahrzehnten im Einsatz sind, gibt es noch so viel Luft nach oben. Die KIRO24 (KI Robotikkonferenz) in Berlin, auf der wir auch unser Startup vorstellen durften, hat wieder gezeigt, dass Robotik nicht nur der klassische 6-Achs Roboterarm ist. Wenn wir den Automatisierungsgrad unserer Industrie weiter erhöhen wollen und dem Fachkräftemangel wirksam entgegentreten wollen, dann brauchen wir gute Ideen und neue Konzepte in der Automatisierung. Und wir tragen mit unserem System dazu bei, das Potenzial weltweit ist enorm.

Warum glaubt Ihr, dass Continuum Innovation es auf die Liste der Finalist:innen geschafft hat und warum ist es Deep Tech?
Ich denke, wir liefern einen frischen technologischen Ansatz. Wenn wir mit der Industrie sprechen, unser Produkt ist ja auch schnell erklärt (Roboter, der sich wie ein Elefantenrüssel bewegt), dann gibt es immer sofort eine Idee, wo ein herkömmlicher Roboter oder Cobot nicht eingesetzt werden kann und wir eine Lösung anbieten können. Als Hardwarestartup sind wir vor allem in Berlin auch recht exotisch und stechen hervor. Wir sind Deep Tech, weil wir ein anspruchsvolles Produkt entwickeln. Das Beherrschen von 24 Freiheitsgraden ist nicht gerade trivial. Die integrierte Sensorik, die unseren Roboter so taktil macht, bietet so sonst keiner an. Aber das ist natürlich kein Selbstzweck. Wir entwickeln ein Produkt, um der Industrie zu helfen, die erwähnten Herausforderungen zu meistern.

Was ist die wichtigste technologische Innovation in Euren Cobots und warum bringt sie den Stand der Technik voran?
Die Schaffung eines leichten, flexiblen und taktilen Arms ist die Innovation. Sie hilft, Roboter schneller oder erstmalig einzubinden.
Wir zeigen, wie schon erwähnt, dass es Konzepte abseits des klassischen Roboters gibt und die Industrie auch die Nachfrage nach genau solchen neuen Lösungen hat. Es geht auch darum, Roboter näher an den Menschen zu bringen. Durch taktilere Roboterarme ist das möglich. Mittelfristig ermöglicht das auch den Einsatz in ganz anderen Branchen und hilft generell, Roboter einfacher und gefahrloser einzusetzen.

Was waren die größten Hindernisse in Eurem Entwicklungsprozess? Wie habt Ihr sie überwunden?
Wir haben von Anfang an einen stark iterativen Entwicklungsprozess verfolgt. Hardwareentwicklung ist immer langsamer als Software und benötigt mehr Ressourcen. Ich denke, dass wir das bis dato gut gemeistert haben. Die Zertifizierung unseres Roboters und Entwicklung vom MVP hin zu einem fertigen Roboter ist sicherlich die größte Herausforderung und die steht uns noch bevor.

Wie verbessern Euren Cobots die Interaktion zwischen Mensch und Roboter, und welche Maßnahmen habt Ihr ergriffen, um Sicherheit und Effizienz zu gewährleisten?
Sicherheit ist einer der großen Punkte und diesen haben wir von Anfang an sehr in den Fokus gestellt. Wie schon erwähnt, geht es um eine einfache Integration und ein sicheres Miteinander zwischen Mensch und Maschine. Unsere empfindlichen Sensoren ermöglichen es, dass der Roboter auch schwache Berührungen erkennt. Es geht natürlich um Sicherheit, es geht aber auch darum, dass die Kollegen und Kolleginnen im Betrieb gerne mit dem Roboter arbeiten. Nur dann entstehen die Synergien, die eine echte Kollaboration beispielsweise in der Fertigung ermöglicht. Dass weniger Schutzeinrichtungen nötig sind und der Roboter eine sehr geringe Stellfläche hat, hilft auch bei der Integration.

In welchen Branchen seht Ihr die größten Auswirkungen von Euren Cobots, und welches Feedback habt Ihr von Industriepartner:innen erhalten?
Egal ob wir mit dem Meister einer kleinen Firma reden oder mit der Abteilung eines großen Konzerns, der mehr automatisieren möchte: Die Eigenschaften und Fähigkeiten, die wir anbieten, bringen diese Menschen direkt auf eine Idee für ein Einsatzszenario. Anfangs fokussieren wir uns vor allem auf den produzierenden Maschinenbau, aber wir haben auch schon Gespräche mit der Chemiebranche geführt und sehen Potenzial in der Pharma- und Lebensmittelbranche.

Wie tragen Euren Cobots zur Nachhaltigkeit bei, und welche Messgrößen verwendet Ihr, um den Erfolg zu messen?
Nachhaltigkeit hat ja ganz unterschiedliche Facetten. Wir möchten Firmen befähigen, mit mehr Automatisierung zu produzieren. Denn nur so kann der Industriestandort Deutschland zukunftssicher gemacht werden. Die Alternative ist, dass Produktionsstandorte ins Ausland verlagert werden. Dies zu verhindern und gleichzeitig Reshoring, also die Rückführung von Produktion nach Deutschland oder Europa zu ermöglichen, bedeutet kürzere und verlässlichere Lieferwege. Gleichzeitig ermöglicht unser Roboter bessere und sicherere Arbeitsbedingungen.

Wo seht Ihr die Zukunft der Robotik, und wie passt Euer Projekt zu dieser Vision oder beeinflusst sie?
Wir sehen Robotik in allen Bereichen unseres Lebens. Der Fachkräftemangel ist auf absehbare Zeit nicht gelöst, nur mehr Automatisierung kann hier gegensteuern. Und genau dort wollen wir eine Lösung anbieten. Wir sehen große Fortschritte bei der Software, siehe den Hype über LLMs (Large Language Models). Die Hardware muss da versuchen Schritt zu halten. Der Roboter kann dem Menschen das Leben leichter machen, im Job oder auch zu Hause. Das tun Staubsaugerroboter heute schon. Aber da geht natürlich noch mehr. Unser Projekt stellt einen Baustein, eine technische Lösung dafür bereit.

Was wünscht Ihr Euch für unsere technologische oder digitale Zukunft?
Ich wünsche mir einen verantwortungsvollen Umgang mit den Möglichkeiten, die uns diese Technologien schaffen. Innovation sollte immer dem Menschen dienen und mit diesem Bewusstsein entwickelt werden. Wir müssen diesen Fortschritt auch immer erklären und zugänglich machen, um niemanden in der Gesellschaft zurückzulassen.

Welchen Rat möchtet Ihr jungen Unternehmer:innen und Tech-Innovator:innen geben, die ihre Ziele erreichen wollen und vielleicht auch am Deep Tech Award 2025 teilnehmen möchten? Da Ihr es von 100 Bewerbern unter die Finalist:innen geschafft habt, gehen wir davon aus, dass Ihr hier einige echte Profi-Tipps habt.
Aus Entwickler-Sicht ist es ganz klar Ausprobieren und kreativ Sein. Es war noch nie so einfach, komplexe technische Lösungen zu entwickeln, die Hürden sind viel niedriger als früher.
Es gibt auch erstmal keine schlechten Ideen. Wenn man überzeugt ist, sollte man einen Testballon starten. Mit potenziellen Kunden gleich am Anfang sprechen, auch wenn man noch gar kein Produkt hat, auf deren Feedback aufbauen, dann kann man Prioritäten für das Lastenheft festlegen. Den Hardware Startups möchte ich aber auch sagen, dass viel Beratung und Coaching auf SaaS ausgelegt ist und oft nicht auf die Probleme von Hardware eingeht.
Das BSS gibt einen guten Einstieg, EXIST sorgt dafür, dass man ernst genommen wird. Auf personeller Seite sollte man sich gut überlegen, wen man ins Gründerteam aufnimmt und Konflikte nicht hinauszögern, sondern direkt lösen.

Vielen Dank für all Eure faszinierenden Einblicke! Deep Tech Berlin kann es kaum erwarten, Euch beim Deep Tech Award 2024 zu empfangen! Wir sehen uns am 11. Juli!