Nach dem Hype der Blockchain in Verbindung mit Kryptowährungen und der darauffolgenden Skepsis gegenüber der Technologie, zeichnen sich nach und nach konkrete Anwendungen für die dezentrale Infrastruktur ab. Die Blockchain bietet großes Potenzial, Bildung und Wissenschaft zu revolutionieren.
Blockchain-Lehre an Berliner Hochschulen
Das Thema Blockchain ist an Berliner Hochschulen und Universitäten angekommen – aber unterschiedlich in ihrer Tiefe und Bandbreite.
Wie es mit der Blockchain-Technologie in der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) aussieht, weiß Professorin Dr.-Ing. Katarina Adam. Mit Studierenden aus dem Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen arbeitet sie jedes Semester an unterschiedlichen Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie. „Die zentrale Frage, die wir uns stellen, ist, ob überhaupt ein Ansatz vorhanden ist, den man über eine Blockchain-Lösung absichern sollte, oder ob das überdimensioniert wäre. Das prüfe ich unter anderem im Unterricht mit Studierenden aus Bachelor- und Master-Studiengängen“, erklärt Adam.
Ein Beispiel: Jedes Jahr kostet der Mehrwertsteuer-Betrug den Staat reichlich Geld. Mit Studierenden an der HTW untersuchte Adam, wie ein innovatives Mehrwertsteuer-Modell auf Blockchain-Basis so einen Betrug verhindern kann. Dafür besuchten sie auch das Bundewirtschaftsministerium. Der Sinn der Projekte ist es, mit unterschiedlichen Disziplinen die Blockchain-Technologie zu diskutieren. Sei es die Technik an sich oder auch die konkreten Einsatzmöglichkeiten in Unternehmen. „Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt, mit welcher Begeisterung die Studierenden an den Use Cases arbeiten und was für interessante Lösungsansätze sie entwickeln“, erzählt die Professorin.
Aktuell können Studierende am Projekt zu Potenzialen und Anwendungen der Blockchain-Technologie für kleine und mittlere Unternehmen teilnehmen. Als Kooperationspartner stehen der Berliner Hochschule unter anderem der Bundesverband Bitkom e.V. und die Ideenschmiede Sirius Minds zur Verfügung.
Abgesehen von der HTW gibt es in Berlin die Code Fachholschule, die einen neuen Lehrstuhl für Blockchain-Technologien hat. An der privaten Hochschule können Studierende sich im Studiengang Software Engineering Projekte mit Fokus auf Blockchain-Technologien erarbeiten. Die neu eingerichtete Professur ist Teil einer Kooperation mit der Deutschen Telekom, genauer mit T-Labs, der zentralen Forschungs- und Innovationseinheit. Zu den Fächern gehören etwa dezentral geführte Transaktions-Datenbanken, die Token-Wirtschaft oder das dezentrale Web. Hier sollen Studierende sich in Innovations-Projekte der T-Labs aus den Bereichen Blockchain einbringen.
Blockchain-Einsatzmöglichkeiten in Hochschulen
Neben der Lehre gibt es für Blockchain auch konkrete Einsatzmöglichkeiten in deutschen Hochschulen und Universitäten. Ein Beispiel: Zeugnisse und Zertifikate. „Wir können heutzutage zu gut mit diversen Plattformen wie Adobe digitale Papiere in unserem Interesse fälschen und anpassen. Deswegen müssen Zeugnisse meiner Meinung nach ganz dringend über eine Blockchain-Lösung geregelt werden“, sagt Adam. Im Jahr 2016 hat die Professorin auch diesen Anwendungsfall mit Studierenden untersucht.
Das Ergebnis: Die Blockchain kann bei der Echtheitsprüfung helfen. Die Voraussetzung: Das jeweilige Zeugnis bzw. Zertifikat muss bereits digital ausgegeben sein. Die optimale Lösung wäre eine Kombination aus einem digitalisierten Zeugniswesen und einer Blockchain-Datenbank. Das ermöglicht es Studierenden und Absolvent*innen, ihre Zeugnisse etwa bei einem Bewerbungsprozess einem Unternehmen vorzulegen.
Mit der Distributed-Ledger-Technologie lassen sich die Bildungsnachweise verwalten und verifizieren. Dadurch wird einem fälschungssichere Langzeitverwahrung von Zertifikaten gewährt. Mit den sogenannten Smart Contracts, intelligenten und automatisierten Verträgen, kann festgestellt werden, ob ein Zeugnis von einer akkreditierten Zertifizierungsstelle stammt.
Aber auch weitere Einsatzmöglichkeiten der Blockchain an deutschen Hochschulen selbst sind denkbar. Die Blockchain lässt sich in der Hochschulverwaltung einsetzen, um Daten von Studierenden zu hinterlegen. Der Aufwand würde dadurch minimiert werden. Zudem kann man mit der Technologie akademische Inhalte und Werke nachverfolgen.
Blockchain eröffnet Studierenden viele Wege nach ihrem Abschluss
„Wir erkennen immer mehr, dass die Blockchain keine Nischentechnologie bleibt“, sagt Adam. Fakt ist: Alle großen Unternehmen haben in Deutschland genügend Forschungsbudget, um selbst intensiv an Blockchain-Lösungen zu arbeiten. Somit ergeben sich für Absolvent*innen aus der Informatik oder dem Wirtschaftsingenieurwesen viele Wege nach ihrem Abschluss. „Die ersten Prototypen auf Blockchain-Basis sind bereits auf den Markt gekommen. Man kann sie sich anschauen und mit ihnen arbeiten“, sagt Adam.
Die Aufmerksamkeit wächst jenseits der Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Co. Deswegen haben Absolvent*innen mit Blockchain-Expertise zahlreiche Möglichkeiten, nach ihrem Abschluss eine Anstellung in einem Unternehmen zu finden – sowohl die klassischen Programmierer*innen als auch diejenigen, die aus brückenbildenden Bereichen wie aus dem Wirtschaftsingenieurwesen kommen und zusätzlich zum Informatikwissen eine betriebswirtschaftliche Perspektive mitbringen.
Hochschulabsolvent*innen können einen großen Teil dazu beitragen, die Blockchain-Technologie in deutschen Firmen zu integrieren. „Es ist wichtig, dass wir uns damit beschäftigen und uns positionieren, sonst werden uns Lösungen von Großkonzernen vorgesetzt, die nicht jedem gefallen“, sagt Adam.
Berlin steht als Blockchain-Hotspot gut da
Die deutsche Hauptstadt entwickelte sich in den vergangenen Jahren immer mehr zum Blockchain-Hotspot des Landes. Hier haben sich inzwischen zahlreiche Blockchain-Start-ups und Firmen angesiedelt – zum großen Teil auch aus dem Ausland.
Die hier ansässige internationale Blockchain-Community ist auch für die HTW wichtig. An der Hochschule hat sich eine kleine Blockchain-Community gebildet. Jährlich findet hier eine Blockchain-Konferenz statt, die unter anderem Katarina Adam mit veranstaltet.
Hier kommen Besucher*innen aus der Industrie, Wirtschaft und Politik zusammen. Im Mittelpunkt steht immer eine konkrete Frage. Etwa, wie die Blockchain digitale Prozesse vertrauenswürdiger gestalten kann. Nationale und internationale Speaker teilen ihre Erkenntnisse. Dieses Jahr wird die Blockchain-Konferenz aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt. Nichtsdestotrotz darf man auf alle weiteren Entwicklungen an Berliner Hochschulen rund um die Blockchain-Technologie gespannt sein.