Ein Zahnarzt schaut sich ein Röntgenbild an

Unter die Lupe genommen: dentalXr.ai

02.06.2020

Auch Zahnärzt*innen können von Künstlicher Intelligenz profitieren – dank der Plattform dentalXr.ai. Wir haben das Berliner Unternehmen geröngt und stellen es hier für euch vor.

Viele kennen es: Zahnarzt-Praxen sind häufig sehr voll und die Wartezeiten lang. Vor allem, wenn neben der Standard-Kontrolle eine Röntgen-Aufnahme gemacht werden muss. Das Betrachten und Auswerten der Röntgenbilder kann sich durchaus in die Länge ziehen.Was nicht nur für Patient*innen, sondern auch für Zahnärzt*innen streckenweise eine Geduldsprobe sein kann. Wie kann man diese Lage mit dem Einsatz von Technologien verbessern? Dieser Fragestellung widmet sich seit 2017 ein Team der Charité.

Durch KI zu besserer Patienten*innen-Bindung

Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen haben sich in den letzten Jahren in immer mehr medizinischen Bereichen etabliert. Das Team der Charité wollte dies auch für den dentalen Bereich möglich machen. Gemeinsam wurde Maschinelles Lernen, Software-Engineering und zahnmedizinische Forschung kombiniert, um ein bestmögliches Produkt zu erhalten. In 2020 wurde dentalXrai gegründet, das erste Startup der Charité aus dem zahnmedizinischen Bereich. Mit dem entwickelten KI-basierten Werkzeug soll die zahnmedizinische Diagnostik verbessert und gleichzeitig die Patientenkommunikation vereinfacht werden.

Zahnärzt*innen können auf der Plattform ein Röntgenbild hochladen und das Bild zunächst selbst begutachten. Gleichzeitig analysiert und erkennt die Künstliche Intelligenz innerhalb von 5-10 Sekunden Pathologien und Restaurationen auf dem Röntgenbild. Der Befund wird im Anschluss in einer eigenen Software abgelegt. Die KI beschleunigt also den Analyse-Prozess und lässt somit mehr Zeit und Raum für den Austausch zwischen Ärzt*innen und Patient*innen.

KI will trainiert werden

Damit die Maschinen von dentalXrai auch einwandfrei arbeiten, wurden sie mit einem der größten Datensätze an zahnmedizinischen Röntgenbildern weltweit trainiert. Die daraus resultierende extrem hohe Genauigkeit konnte dank einem großen, weltweiten Team an Zahnärzt*innen möglich gemacht werden. Wie das funktioniert hat? Der CEO und Co-Gründer Hans-Peter Karpenstein hat uns ein paar Fragen zur Gründung von dentalXrai und dem Einsatz von Machine Learning und KI beantwortet.

Hallo Herr Karpenstein, vielen Dank für Ihre Zeit! Wie hat sich das Team von dentalXrai zusammengefunden und was haben Sie jeweils für Hintergründe?

Einer meiner Mitgründer ist Professor Schwendicke – er ist Professor der Zahnmedizin und Lehrstuhlinhaber. Der zweite im Bunde ist Dr.Krois, promovierter Geowissenschaftler, der sich vor vielen Jahren mit Deep Learning und KI beschäftigt hat. Dr. Krois hat gemeinsam mit Dr. Schwendicke an der Charité Zahnklinik die Vorarbeit zu dentalXrai geleistet, welches sich nun zum Spin-off der Charité-Zahnklinik entwickelt hat. Die beiden bringen den wissenschaftlichen Hintergrund und die Expertise mit. Dr. Gaudin und Martin Dreher bilden unter anderem den zentralen USP, da wir ja keine reine Tech-Bude sind, sondern das einzige Startup in dem Bereich weltweit, das diese Expertise hat; insbesondere aus dem zahnmedizinischen Bedürfnis heraus, nämlich den Zahnarzt bei seiner Diagnose ein Tool zur Verfügung zu stellen.

Ich selbst bin der Senior im Team, war lange Geschäftsführer und im Vorstand von verschiedenen Unternehmen, unter anderem in multinationalen Unternehmen. Seit ein paar Jahren bin ich Business Angel und Privatinvestor. DentalXrai ist eins der wenigen Investements, bei dem ich mich dazu entschieden habe, es mitaufzubauen. Meine Mitgründer sind alle Mediziner und brauchen da unternehmerische Unterstützung – die stelle ich dar.

Wir als Team haben uns über ein anderes Startup in den USA kennengelernt. Aktuell gibt es nur 10 Startups weltweit, die sich mit Machine Learning im Bereich zahnmedizinische Befunde beschäftigen. Eines davon ist bei Harvard angesiedelt und über dieses habe ich Dr. Gaudin kennengelernt. Über ein Netzwerk haben wir dann außerdem Professor Schwedicke und Dr. Krois kennengelernt und haben uns dann entschieden, das gemeinsam zu machen. Die Ausgründung der dentalXrai GmbH erfolgte im April 2020.

Wie sind Sie bei der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz für dentalXrai vorgegangen? Hatten Sie Vorbilder oder ähnliche Lösungsansätze, die zur Entwicklung beigetragen haben?

Machine Learning ist ein Unteransatz des übergeordneten Themas Künstliche Intelligenz. Schaut man sich das mal in der Zeitachse der letzten 20 Jahre an, fällt auf, dass es das Buzzword KI ja schon seit Jahrzenten gibt. Es ist aber nie gelungen, das IT-technisch in Tools auszuentwickeln, mit denen man KI in Software umwandeln kann. Das hat sich jedoch vor ein paar Jahren geändert. Seitdem haben sich etliche Dinge im Bereich KI entwickelt, man ist also jetzt viel weiter als noch vor 10 oder 15 Jahren. Die Anwendungsbereiche von KI und Machine Learning bzw. Deep Learning entwickeln sich stetig weiter. So hat Präzisionsmedizin zwei Richtungen, einmal gibt es unter anderem einen OP-Roboter, der zum Beispiel den Schnitt durchführen kann, ohne zu zittern, wie es einem Arzt immer mal passieren könnte. Der zweite Ansatz im Bereich Präzisionsmedizin entwickelt sich im Bereich Software und in der Computer-gestützten Auswertung von Software und in der Bildanalyse. Ein Röntgenbild kommt zwar nur in schwarz-weiß heraus, aber die grundlegende Idee der Auswertung von Bildern gibt es inzwischen in vielen Anwendungsgebieten, wie in der Radiologie oder zum Beispiel bei einer Mammografie. Das Ergebnis dieser Befundung durch den Arzt ist determiniert durch seine Kompetenz und seine Erfahrung. Die Kolleg*innen an der Charité haben nun mit einem riesigen Datenbestand daran gearbeitet, eine Software so zu trainieren, dass sie besser ist als der Durchschnitts-Zahnarzt. Wir haben unsere Röntgenbilder einmal von Ärzt*innen und einmal von der Software analysieren lassen. Es hat sich gezeigt: Die Software ist besser als die besten Zahnärzt*innen. Denn sie bringt im Ergebnis einen eindeutigen Mehrwert. Und sie schafft die Auswertung außerdem auch viel schneller als der Zahnarzt – dieser braucht 15-20 Minuten, die Software jedoch nur 15-20 Sekunden!

In Zukunft wird es auch immer mehr Einsatzbereiche geben. Im Bereich Bilderkennung gibt es heute auch ein hohes Qualitätsniveau, das sieht man am Beispiel China, die das ja flächendeckend einsetzen. Die Technologie hat und wird auch stetig so verbessert, dass es in immer mehr Bereichen anwendbar ist.

Was macht für Sie den Deep Tech Standort Berlins aus?

Die akademische Kompetenz und Expertise, die Berlin bietet, machen den Standort aus. Außerdem haben wir in Berlin die beste medizinische Expertise, die das Land zu bieten hat. Im Vergleich mit dem Harvard Medical Center ist auch Berlin weltspitze und weltweit unter den Top 10 für unsere Firma ist das ein zentraler Erfolgsfaktor.

Durch die Community von Startups und der Deep Tech Unternehmen, die sich in den letzten Jahren formiert hat, hat sich gleichzeitig eine Eigendynamik entwickelt. Heute gibt es eine große Community, sodass man über eine große Anzahl an Mitarbeiter*innen und Ressourcen im High Tech und Deep Tech Bereich verfügt.

Die für Startups vorhandene Infrastruktur ist in Berlin spitze. Für europäische Verhältnisse kriegen wir eine 1, für US-Verhältnisse eine 2- und für chinesische Verhältnisse eine 3+. Das ist schon ganz schön gut.

Weitere Infos zu dentalXrai finden Sie hier.