In diesem Jahr schrieben die Jugendlichen gemeinsam mit Thomas Fuchs die nunmehr dritte Storytausch-Geschichte namens „Irrwege“.
Leon Berger, der gerade von einem mehrmonatigen Neuseeland-Aufenthalt zurückgekehrt ist, gerät in den Strudel eines perfiden Verwirrspieles. Vermutlich unter Drogen gesetzt, benutzen ihn BND, Stiftung Warentest und die Pharmaindustrie skrupellos für ihre Zwecke. Mit seinen Aufenthaltsorten von Berlin über Helsinki bis Baku wechseln auch seine Identitäten. Er wird in kriminelle Machenschaften verwickelt und verliert gemeinsam mit dem Leser der Geschichte zeitweise völlig den Überblick. Erleben Sie mit, wie die Teilnehmer der Schreibwerkstatt und der Autor Thomas Fuchs das Knäuel ihrer gemeinsamen Geschichte entwirren!
Der Abdruck aller bisherigen Storytauschgeschichten und weiterer Texte aus dem Schreibzirkel erfolgte in dem Buch „Feuerwerk der Fantasie“, welches im Simon-Verlag für Bibliothekswissen erschien.
Thomas Fuichs über „Irrwege“:
Der Storytausch mit jungen Autorinnen und Autoren der Schreibwerkstatt Marzahn war mein erstes derartiges Projekt . Und um mein Resümee gleich an den Anfang dieses kurzen Textes zu setzen: Ich habe weder gedacht, dass es so viel Arbeit bedeutet, noch dass es eine solche fachliche Herausforderung werden würde und am allerwenigsten, dass es so ein Vergnügen werden würde. Es war großartig, es hat Spaß gemacht und nicht nur der Weg war spannend. Ich denke auch, die Geschichte, die wir zusammen geschrieben haben, ist spannend geworden, hat Hand und Fuß, ist eine echte Story geworden.
Als mich Renate Zimmermann vor etwa einem Jahr ansprach und fragte, ob ich an einem Storytausch-Projekt Interesse hätte, da habe ich gedacht, warum nicht. Ich hatte vor Jahren einmal mit der Autorin Bianka Minte-König zusammen ein Buch in Autorenpartnerschaft geschrieben. Ich dachte, ein Storytausch würde ähnlich funktionieren. Damals haben wir uns zusammengesetzt, besprochen, wie die Geschichte laufen solle und sie dann im Wechsel vorangetrieben. Da wir um ein gemeinsames Ziel wussten, gab es zwar kleine Reibereien, doch die Richtung war uns beiden immer klar. Doch als ich dann jedoch im Dezember am Schreibtisch saß und das Storyprojekt eröffnen sollte, da wurde mir bewusst, dass ich mich hier auf etwas komplett anderes eingelassen hatte. Eine Fahrt ins Blaue, eine Wanderung ohne Ziel, ein Aufbruch ohne Plan, eine Bergbesteigung ohne Karte. Und ich war der Bergführer.
Würden wir den Gipfel erklimmen und tatsächlich eine richtige Geschichte hinbekommen? Ich wusste nichts über meine Mitschreiber und Mitschreiberinnen. Ich kannte sie nicht, hatte nie mit ihnen gesprochen, wusste nicht, welche Ziele sie verfolgten. Hatten sie überhaupt Ziele? Würden sie mit mir zusammenarbeiten? Würden sie meine Ansätze unterstützen, meine Anregungen aufnehmen oder würden sie die Geschichte torpedieren? Würden wir uns auf einen gemeinsamen Weg begeben, oder hätten sie den Plan: So, jetzt machen wir dem Herrn Fuchs mal das Leben so richtig schwer!
Doch ich hatte mir umsonst solche Gedanken gemacht. Netterweise meinten es die jungen Kolleginnen und Kollegen gut mit mir. Sie waren freundlich, sie ließen sich auf meine Ideen ein, es war eine gute Zusammenarbeit. Um im Bild zu bleiben, wir wurden eine echte Seilschaft. Als ich im Dezember die Geschichte eröffnete, da stand ja noch nicht einmal das Genre der Geschichte fest. Ich wollte nichts vorgeben, ich bot den Jugendlichen sozusagen eine offene erste Folge an, die viele Möglichkeiten bot. Eine Fiktion, Fantasy, Zeitreise, alles war möglich und ich wartete gespannt, für welches Genre sie sich entscheiden würden. Doch viele Folgen lang gab es diesbezüglich keine klare Entscheidung. Also tasteten wir uns gemeinsam weiter vor. Es war wie eine Expedition in ein unbekanntes Terrain. Eine Erstbesteigung eines Berges, der noch nicht einmal in den Landkarten verzeichnet war. Und wir, die schreibenden Entdecker, hatten keine Ahnung, was für eine Art Berg wir bestiegen.
Zu keiner Zeit gab es einen großen Masterplan für die Geschichte. Zumindest ich hatte keinen. Ab und an dachte ich, ja, okay, da zeichnet sich jetzt eine Linie ab, so könnte es weitergehen. Dachte mir, als nächstes passiert das, dann das und der reagiert so, dann könnte jenes eintreten, sich daraus folgendes ergeben und dann ist die Story rund. Doch das trat nie so ein. Meine Storytauschpartnerinnen und Partner hatten jeweils andere Überlegungen. Und so blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten. So ein Storytausch ist wie das Leben. Man sagt doch: Der Teufel lacht, wenn du Pläne machst. Pläne zu machen taugte hier zumindest gar nicht. Also gab ich es auf zu planen, wurde gelassen. Wenn Frau Zimmermann mir die neue Folge zumailte, öffnete ich die Datei mit der Überlegung: So, mal sehen, wohin es jetzt geht. Und wenn ich dann die Fortsetzung gelesen hatte, sagte ich mir: Okay, dann eben so. Anschließend kochte ich mir einen Kaffee, dann schnappte ich mir meinen Hund und bin in den Park oder den Wald gegangen. Und wenn ich dann nach einer Stunde zurückkam, dann wusste ich zumeist, wie ich die Geschichte weiterführen würde. Manchmal waren aber auch noch weitere Tassen Kaffee oder ein weiterer Gang mit dem Hund nötig.
Wobei ich sagen muss, es machte einen großen Unterschied in der Arbeit, in welcher Phase der Geschichte wir uns befanden. Als wir mit der Wanderung begonnen hatten, uns sozusagen dem Gebirge näherten, da war es noch offen, welchen Berg wir besteigen würden. Doch nach der Hälfte der Zeit etwa war diese Entscheidung gefallen. Da konnten wir nicht mehr einfach so auf einen anderen Gipfel wechseln. Und nun war mein Job als Bergführer dafür zu sorgen, dass alle den Gipfel erreichten. Nun musste ich mitunter sagen, nein, dieser Weg führt in die Irre. Wir gehen besser hier lang. Und nun gab es auch Passagen, bei denen ich merkte, hier wandert einer, wandert gut und gerne, aber weiß nicht wohin. Da wurde ich gebraucht. Und ein einziges Mal zum Ende hin musste ich richtig einschreiten. Doch auch das war meine Aufgabe.
Ich sagte schon eingangs, dass nicht nur der Weg spannend war, sondern auch die Geschichte selbst. Ich weiß nicht, wie es den anderen ergangen ist, aber mir qualmte teilweise der Kopf. Die Geschichte nahm so verrückte Drehungen und Wendungen, dass ich mich phasenweise fragte: Wie kommen wir da jemals wieder raus? Doch wir kamen immer wieder raus. Denn wir hatten in die Geschichte so viel reingepackt, mit dem sich arbeiten ließ. Um erneut das Bild von der Bergbesteigung zu verwenden – wir hatten auf dem Weg zum Gipfel in unserem Text etliche Biwaks errichtet, dort fanden wir Schutz, konnten wir neue Verpflegung aufnehmen und erholt einen anderen Weg zum Gipfel versuchen.
Eine Herausforderung für mich war es, der Geschichte eine innere Logik zu geben. Ich wollte unbedingt am Ende eine Story haben, die einen wirklichen Sinn hat. Außerdem war mir ein richtiges Ende wichtig. Also kein Aufwachen aus einem Traum oder dergleichen. Wenn der Leser am Ende angekommen ist, dann sollte im Rückblick alles einen Sinn ergeben. Ich hoffe, das haben wir geschafft.
Um ein letztes Mal das Bild vom Berg zu bemühen. Es war ein langer Aufstieg, aber als Team haben wir den Berg bezwungen. Nun können wir glücklich und stolz den Ausblick genießen. Auf die hier abgedruckte Geschichte können die beteiligten jungen Autorinnen und Autoren stolz sein. Es war mir ein Vergnügen und eine Ehre, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Vielen Dank an Frau Zimmermann, deren freundliche, doch auch nachdrückliche und fordernde Mails dafür sorgten, dass die jeweiligen Folgen annähernd termingerecht weitergeleitet wurden. Ebenso muss ich ihr dafür danken, dass sie mit aufmunternden Worten nicht gespart hat, wenn es zu durcheinander ging.
Ich wünsche dieser Geschichte viele Leser.
Thomas Fuchs