Drucksache - 1679/V
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Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen:
(Text siehe Rückseite) Bezirksamt Mitte von Berlin Datum: .08.2023 Soziales und Bürgerdienste Tel.: 33900
Bezirksverordnetenversammlung Drucksache Nr.: 1679/V Mitte von Berlin
Vorlage - zur Kenntnisnahme - über Gemeinsam handeln - für einen menschenwürdigen Umgang mit obdachlosen Menschen Wir bitten zur Kenntnis zu nehmen: Die Bezirksverordnetenversammlung hat in ihrer Sitzung am 21.03.2019 folgendes Ersuchen an das Bezirksamt beschlossen (Drucksache Nr. 1679/V):
Das Bezirksamt wird ersucht, beim Umgang mit Obdachlosen und Obdachlosencamps zu gewährleisten, dass jederzeit die Würde obdachloser Menschen gewahrt bleibt, in schwierigen Situationen mit Augenmaß gehandelt und das Eigentum der Betroffenen gesichert wird. Im Fokus der Maßnahmen hat stets die Hilfe für Menschen in Notlagen zu stehen.
Das bedeutet:
medizinische bzw. psychiatrische Fachkräfte (sozialpsychiatrischer Dienst des Bezirksamts) anzufordern und bei der Beratung und Hilfe hinzuzuziehen.
Das Bezirksamt hat am 15.08.2023 beschlossen, der Bezirksverordnetenversammlung dazu Nachfolgendes als Schlussberichtbericht zur Kenntnis zu bringen:
Hinsichtlich der Bekämpfung von Obdachlosigkeit verfolgt der Bezirk Mitte nach wie vor eine Doppelstrategie, die auf das Durchsetzen von Recht, Ordnung und Sicherheit im öffentlichen Raum in Kombination mit Beratungs- und Hilfsangeboten setzt. Bei eingetretener Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit sind Wege daraus schnellstmöglich zu suchen. Dabei arbeitet das Amt für Soziales mit verschiedenen anderen bezirklichen Stellen wie beispielsweise dem Ordnungs-, Gesundheits- und Jugendamt sowie Trägern der Obdachlosenhilfe eng zusammen.
Das zentrale Instrument des Amtes für Soziales bei der Überwindung von Obdach- und Wohnungslosigkeit bildet die Fachstelle Soziale Wohnhilfe. Noch vor der Erstellung des neuen Fachstellenkonzeptes der Sozialen Wohnhilfe im März 2019 hat der Bezirk Mitte im Rahmen der ersten Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe im Januar 2018 die aufsuchende Sozialarbeit eingeführt. Diese hat sich erfolgreich etabliert und gliedert sich in das Präventionsteam hinsichtlich der Mietschuldenproblematik und Wohnungsnotfälle sowie die Mobile Sozialarbeit auf den Straßen und Plätzen zur Beratung, Betreuung und Versorgung von obdachlosen Menschen mit dem Ziel einer (Wieder-) Eingliederung in das Hilfesystem und die Gesellschaft. Ein Betreuungsauftrag der Mobilen Sozialarbeit besteht sowohl bei freiwilliger als auch bei unfreiwilliger Obdachlosigkeit, allerdings mit unterschiedlichen Zielen. Bei bestehender freiwilliger Obdachlosigkeit („Obdachlosigkeit als gewählte Lebensform“) ist es Aufgabe der Mobilen Sozialarbeit, die Klient*innen im Sozialraum und damit auf der Straße und in einer geplanten Kontaktstelle zu betreuen, um eine Störung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu vermeiden. Rechtliche Grundlagen dafür bilden das Grundgesetz und das SGB I. Bei bestehender unfreiwilliger Obdachlosigkeit greifen das ASOG und das SGB XII, da es sich per se um eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelt. Hier ist es die Aufgabe der Mobilen Sozialarbeit, im Rahmen einer Brücken-/ Lotsenfunktion den Übergang zur Sozialen Wohnhilfe bzw. zu anderen Angeboten zu schaffen und sicherzustellen. Die Mobile Sozialarbeit hat sich ein gut funktionierendes Netzwerk aufgebaut und arbeitet eng mit allen von dieser Problematik betroffenen Ämtern, Organisationseinheiten und Beratungsstellen des Bezirks sowie mit allen Trägern der Obdachlosenhilfe im Bezirk Mitte zusammen. Zur Information über Arbeitsschwerpunkte und zur gegenseitigen Vernetzung finden regelmäßige Netzwerktreffen statt, und zwar u.a. mit dem Ordnungs-, Jugend- und Gesundheitsamt - Sozialpsychiatrischer Dienst -, der bezirklichen Präventionskoordination, dem Integrationsbüro, der Suchthilfekoordination, dem Zentrum für sexuelle Gesundheit, dem Berliner Obdachlosenhilfeverein, der Berliner Stadtmission, KliK e.V., Caritas Krankenwohnen, Caritas Tria, Vista, Fixpunkt, Gangway, die teilweise auch dem Integrierten Sozialprogramm der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung angehören. Auch die Justizvollzugsanstalt, die Bewährungshilfe und die Polizei gehören zu dem Kreis. Das bestehende Netzwerk und die intensive Zusammenarbeit machen es möglich, auch in Einzelfällen im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung der Problematik schnelle Absprachen mit allen zu involvierenden Stellen und Trägern über eine ggf. gemeinsame Beratung und ein gemeinsames Vorgehen zum Wohle der Person(en) zu treffen. Dieses gut funktionierende Netzwerk macht einzelne formale Kooperationsvereinbarungen entbehrlich.
Zudem wurde im August 2019 die „AG Wohnungslosigkeit“ mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Träger über einen regelmäßigen Austausch miteinander zu vernetzen und die Zusammenarbeit zwischen diesen und dem Bezirksamt Mitte zu verbessern. Die „AG Wohnungslosigkeit“ wird nach der Pandemie seit Juli 2022 als „AG Straße“ weitergeführt und legt seitdem den Schwerpunkt auf den Fachaustausch über die Straßensozialarbeit.
Überdies nimmt die Mobile Sozialarbeit an verschiedenen Arbeitskreisen (beispielsweise Praktikerrunde Leopoldplatz und AK City Bahnhöfe) teil. Guter Kontakt besteht auch zu den Wohnungslosentagesstätten und anderen Einrichtungen der Obdachlosenhilfe (z.B. Wohnheime). Sofern diese nicht selbst über Beratungsangebote verfügen, werden die folgenden Arbeitsinhalte der Mobilen Sozialarbeit in Absprache bei Bedarf auch Personen in den Einrichtungen der Obdachlosenhilfe angeboten.
Die Mobile Sozialarbeit bietet bei ihrer kontinuierlichen Präsenz im öffentlichen Raum u.a.:
Mit dem Einsatz der Mobilen Sozialarbeit und dem damit verbundenen intensiven Kontakt zu den obdachlosen Personen wird unter Berücksichtigung der Würde und der gewünschten Lebensform der Betroffenen im Sinne des obigen Ersuchens der BVV versucht, die Entstehung und Räumung von Obdachlosencamps im Vorfeld zu verhindern. Zudem haben alle obdachlosen Personen jederzeit die Möglichkeit, in der „normalen“ Sprechstunde der Sozialen Wohnhilfe vorzusprechen.
Ein großer Teil der obdachlosen Personen scheitert jedoch u.a. wegen Sprachbarrieren, Ängsten oder (vorübergehender) fehlender Selbstständigkeit, großen Misstrauens etc. regelmäßig daran, eine offene Sprechstunde oder Termine in diversen Ämtern wahrzunehmen. Damit ist es neben der Straßenarbeit für die Mobile Sozialarbeit zur Beseitigung von Obdachlosigkeit wichtig, einen niedrigschwelligen Anlaufpunkt für die Betroffenen zu haben, wo zu bestimmten Zeiten eine Ansprechperson zu erreichen ist und abseits der Straße in Ruhe an der Eingliederung oder Problemlage gearbeitet werden kann (bspw. Gespräche ohne Störungen, Beratung, Ausfüllen von Anträgen, Zurverfügungstellung von Kommunikationsmitteln). Das Amt für Soziales Mitte plant daher die Einrichtung einer Kontaktstelle in einem Ladenlokal in unmittelbarer Nähe zum Bürodienstgebäude in der Müllerstr. 146. Diese Kontaktstelle etwas abseits des Amtes ohne Zugangsregelung (Pförtner, Wachschutz), lange Schlangen und starre Öffnungszeiten stellt eine ideale Möglichkeit dar, „amtsscheue“ und schwer zugängliche obdachlose Personen (das sind fast alle der Klient*innen) niedrigschwellig zu erreichen bzw. „erstzuversorgen“. Die Betroffenen werden damit in die Lage versetzt, den Kontakt zur Mobilen Sozialarbeit selbst herzustellen und sind nicht mehr darauf angewiesen, von den Soziarbeitenden aufgesucht zu werden.
Kommt es nach Abwägung aller Gesichtspunkte dennoch zu einer Räumung im öffentlichen Raum, wird auf die im Bericht zur Drucksache 0187/V bzw. in der Drucksache selbst beschriebene Weise vorgegangen. Diese Vorgehensweise hat noch immer Bestand, sodass die Punkte 1 bis 3 des obigen Ersuchens eingehalten werden. Ergänzend zu der Drucksache 0187/V ist noch zu erwähnen, dass eine Räumung grundsätzlich vom Amt für Soziales begleitet wird. Allerdings übernimmt diese Aufgabe nicht die Mobile Sozialarbeit, sondern der Sozialdienst der Fachstelle Soziale Wohnhilfe, damit die Sozialarbeitenden der Mobilen Sozialarbeit nicht mit einer Räumung in Verbindung gebracht und die mühsam aufgebauten und für die weitere Hilfe erforderlichen Vertrauensverhältnisse zu den obdachlosen Personen nicht gefährdet werden.
Das Bezirksamt, insbesondere das Amt für Soziales, sowie die zuständigen Stellen im Berliner Senat sind sich seit Jahren bewusst, dass im Umgang mit Obdach- und Wohnungslosigkeit eine Neuorientierung erfolgen muss. Die seit 2018 regelmäßig stattfindenden Strategiekonferenzen der Senatsverwaltung und die daraus resultierenden Arbeitsgremien auf Fachebene sind das Instrument dazu und haben seit der Fassung des obigen Beschlusses nunmehr zu einer Trendwende geführt (s. unten). Von Beginn an haben sich insbesondere die fachkundigen Mitarbeitenden der Sozialen Wohnhilfe intensiv an den Strategiekonferenzen beteiligt und wirken seit Jahren engagiert bei der Neuausrichtung der Wohnungs- und Obdachlosenpolitik durch ihre aktive Teilnahme an verschiedenen Arbeitsgremien der Senatsverwaltung mit. Sowohl bei der Ausarbeitung des Konzeptes der Sozialen Wohnhilfe (März 2019) in den Bezirken nebst Zielvereinbarung als auch bei der Neufassung der Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und Wohnungslosenpolitik im September 2019 konnte das Amt für Soziales Mitte eigene Ansätze einbringen, damit entscheidend mitwirken und eine Basis für die Verbesserung der Situation von obdach- und wohnungslosen Personen schaffen. Ein Resultat daraus war im September 2021 das Strategiepapier „Berliner Masterplan zur Überwindung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030“ der damaligen Senatorin Elke Breitenbach und des Staatssekretärs Alexander Fischer (s. Anlage). Die Bezirke und in erster Linie die für Soziales zuständige Senatsverwaltung müssen an der Umsetzung der Konzepte und Vorgaben arbeiten, auch wenn sich die seit Jahren prekäre Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt durch den Zuzug von Geflüchteten aus der Ukraine noch verschärft hat, Unterbringungsmöglichkeiten fehlen und der Senat und die Bezirke damit vor besondere Herausforderungen stehen. Die dafür erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Bezirken und der Senatsverwaltung hat sich verstetigt, sodass durch die Beteiligung von fachkundigen Mitarbeitenden des Bezirksamtes Mitte an aktuell bestehende Fachrunden und Arbeitsgremien beispielsweise zum Umgang mit Obdachlosigkeit, zur Unterbringung, zum Fachstellenkonzept oder zur Gesamtstädtischen Steuerung zur Unterbringung (GStU) Einfluss auf die weitere Entwicklung genommen werden kann. Das Thema Obdach- und Wohnungslosigkeit und der Umgang damit sowie mit entsprechenden Obdachlosencamps steht mittlerweile im Fokus der Politik und damit regelmäßig auf den Tagesordnungen der überbezirklichen Amtsleiterrunden, der Treffen der Bezirksstadträt*innen sowie des Rates der Bürgermeister*innen. Darüber finden nicht nur fach- und bezirksübergreifende Erfahrungsaustausche statt, sondern werden auch einheitliche Vorgehensweisen abgestimmt. Damit ist die Schaffung eines weiteren Arbeits- und Abstimmungsgremiums nicht erforderlich. Überdies haben CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag 2023 - 2026 (https://spd.berlin/media/2023/04/Koalitionsvertrag_2023-2026_.pdf) zielgerichtete Maßnahmen gegen und im Umgang mit Obdachlosigkeit benannt, die eine Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 beenden sollen, sodass Obdachlosencamps dann kein Thema mehr sein sollten. Im Folgenden werden einige Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag aufgezählt:
Das Bezirksamt Mitte wird in der Zusammenarbeit mit den entsprechenden Senatsverwaltungen und durch sein konstruktives Mitwirken in Fachrunden und Arbeitsgremien aktiv an der Verbesserung der Situation von obdach- und wohnungslosen Personen mitwirken und nicht nachlassen, die Umsetzung von Maßnahmen einzufordern. Hier sei beispielhaft die Einrichtung einer dauerhaften Wohnungslosentagesstätte am Alexanderplatz genannt, die der Bezirk Mitte nicht aus eigenen Mitteln finanzieren kann.
A) Rechtsgrundlage: § 13 i.V. mit § 36 BezVG B) Auswirkungen auf den Haushaltsplan und die Finanzplanung
keine
Keine C) Auswirkungen auf den Klimaschutz Die BA-Vorlage hat voraussichtlich keine Auswirkungen auf den Klimaschutz, da diese lediglich einen berichtenden Charakter besitzt.
Berlin, den .08.2023 Bezirksstadtrat Spallek Bezirksbürgermeisterin Remlinger
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