Drucksache - 3164/V  

 
 
Betreff: Mohrenstraße – An Bürgerinnen und Bürgern vorbei entschieden
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion der CDUFraktion der CDU
Verfasser:Fritz 
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
27.05.2021 
49. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlagen:
1. MA CDU vom 25.05.2021
2. Mündliche Beantwortung vom 27.05.2021

Ich frage das Bezirksamt:

 

  1. Wie bewertet das Bezirksamt den Vorwurf, die Vorschriften aus §40 ff. des Bezirksverwaltungsgesetzes im Rahmen der Entscheidung zur Umbenennung der Mohrenstraße nicht umgesetzt zu haben?

 

  1. Ist eine Einbindung der Bürgerinnen und Bürger erst zum Zeitpunkt des Widerspruchverfahrens, in Bezug auf Transparenz und Einbindung der Bürgerinnen und Bürger, nicht als problematisch und dem eigenen Anspruch des Bezirksamts nach absolut unzureichend zu bezeichnen?

 

BzStaRin Frau Weißler antwortet: Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr geehrter Herr Fritz. Vor ab, ich äere mich jetzt vielleicht etwas akademisch, aber das ist eine Frage, die mich immer wieder umtreibt. Die BVV ist die gewählte Vertretung derrger*innen. Sie entscheidet mit Mehrheit und wenn Entscheidungen der BVV nicht allen gefallen, dann sind sie trotzdem nicht illegitim. Ich weiß, wovon ich rede, mir gefallen auch nicht alle Entscheidungen. Sie dürfen natürlich solche Fragen stellen, aber ich würde das zum Beispiel nicht tun. Für mich sind Entscheidungen der BVV Entscheidungen aus der Mitte der Bürger*innenvertretung heraus und nicht an ihnen vorbei, aber wie gesagt, das ist vielleicht eine akademische Betrachtung. Der §40 beschäftigt sich sehr allgemein mit Mitwirkungen der Einwohnerschaft als Prinzip der Selbstverwaltung. Dem hat übrigens auch die BVV zu folgen. Das ist ein sehr allgemeiner Stil-Guide sozusagen über die Art und Weise, wie in den Bezirken Entscheidungen zu treffen sind. So heißt es da auch, die Mitwirkungen der Einwohner*innen ist ein Prinzip der Selbstverwaltung der Bezirke. Die Bezirksverordnetenversammlung und das Bezirksamt fordern die Mitwirkung der Einwohnerschaft an der Wahrnehmung der bezirklichen Aufgaben. Herr Vorsteher, ich habe nicht gefragt, ob ich zitieren darf. Das war jetzt das Zitat aus dem Verwaltungsgesetz. Im vorliegenden Fall wurde die Frage der Umbenennung der Mohrenstraße über Jahre in öffentlichen Sitzungen des Ausschusses und in der letzten Wahlperiode auch in der sogenannten AG Geschichte debattiert. Die öffentliche Diskussion war lebhaft. Seit fünf Jahren gibt es ein jährliches Umbenennungsfest. Die Parteien, die hier in der BVV mehrheitlich die Umbenennung beschlossen haben, haben diese Position auch immer öffentlich vertreten. Jede und jeder, der sie wählte, kannte diese Haltung. Befürworter und Gegner kamen zu Wort und die Kollegin Frau Morgenstern setzte wirklich all ihre Kraft ein zwischen den Lagern zu vermitteln, auch ihr gelang das nicht und das will was heißen. Am 20.08.2020 traf die BVV als Vertreterin der Bürger*innen von Mitte die Entscheidung. Dieser Beschluss beinhaltet unter anderem, dass der der Umbenennung eine Information vorhergehen soll, die an Anrainer*innen und Stadtgesellschaft gerichtet ist, auf dessen Grundlage und an dessen Ende die Umbenennung der M.-Straße steht. Das Bezirksamt ist diesem Ersuchen nachgekommen, bevor es selbst einen entsprechenden Beschluss fasste, also erst Informationen, dann Beschluss. Am 29.11 fand zum Beispiel im Rahmen eines öffentlichen Forums zur Errichtung eines postkolonialen Erinnerungsortes auch die Auseinandersetzung mit der Umbenennung der M.-Straße statt. Die dazu erarbeitete Dokumentation ist auf der Internetseite des Amtes für Weiterbildung und Kultur nachzulesen. Gleichzeitig wurde das Thema M.-Straße auch in einem Film aufgegriffen, der in einer Dauerausstellung des Mitte Museums gezeigt wird. Wie Sie dem Beschluss der BVV entnehmen können, wurde sowohl die Umbenennung als auch bereits die konkrete Namensvergabe nach Anton Wilhelm Amo beschlossen, so dass hier der Einbezug von Bürger*innen im Nachgang zur Entscheidung der BVV suggeriert hätte, eine Namensfindung wäre tatsächlich noch möglich, das hat die BVV aber nicht beschlossen, sondern sie hat den Namen bereits beschlossen. Die gesetzliche Grundlage für die Umbenennung von Straßen ist übrigens nicht das Bezirksverwaltungsgesetz, sondern das Berliner Straßengesetz und die entsprechenden Ausführungsbestimmungen. In dem heißt es, ich zitiere, Herr Vorsteher, ich hoffe Sie sind damit einverstanden, Bezug auf den Kolonialismus, sofern die Straßen nach Wegbereitern und Verfechtern von Kolonialismus, Sklaverei und rassistisch imperialistischen Ideologien oder nach in diese Zusammenhang stehenden Orten, Sachen, Ereignissen, Organisationen, Symbolen, Begriffen oder ähnlichen benannt worden. Dann kann umbenannt werden. Aufgrund der Änderung des Berliner Straßengesetzes zum 01.12.2020, die die Änderung der Umbenennung von Straßen mit kolonialen Bezug, also wie ich eben zitierte, auch ausdrücklich beschloss und eben ausdrücklich Begriffe miteinbezog, hat die BVV entschieden und der Beschluss der BVV ist dann auch umzusetzen.

 

  1. Welche Konsequenzen wird das Bezirksamt aus den Erfahrungen der auf viel Kritik getroffenen Umbenennungen von Straßen im Afrikanischen Viertel und insbesondere der Mohrenstraße für künftige, vergleichbare Verfahren ziehen?

 

BzStaRin Frau Weißler antwortet: Also, Sie machen aus zwei sehr unterschiedlichen Verfahren ein Verfahren und das verwirrt. Ich muss das auseinanderdividieren, damit es klar wird. In beiden Fällen war durch die BVV die Umbenennung beschlossen worden. Darin sind sie sich ähnlich. Zum Zeitpunkt der Beschlüsse zum Afrikanischen Viertel galten aber erstens noch die alten Ausführungsbestimmungen, die Begründung für die Umbenennungen mussten im Rahmen grundsätzlicher Menschenrechtsverletzungen erfolgen und deren Betrachtung der einzelnen Personen. Das sehr ausgedehnte partizipative Verfahren bezog sich nie auf das Ob, sondern darauf, welche neuen Namen die Straßen erhalten sollten. Das Ob hatte die BVV bereits entschieden. Bei der M.-Straße hatte die BVV ebenfalls die Umbenennungsfrage entschieden. Das war also ebenfalls geklärt, aber anders als beim Afrikanischen Viertel, hat sie allerdings auch den neuen Namen festgelegt. Ein breites Partizipationsverfahren zur Findung eines neuen Namens war hier also ausgeschlossen. Gefordert war Information und dem ist das Bezirksamt auch nachgekommen. Kritik bedeutet, so sehe ich das, nicht immer, dass Fehler gemacht wurden. Sie zeigt im Fall von Straßenumbenennungen das sehr gemischte Meinungsbild und wird sehr oft emotional geäert. Eine pauschale Einschätzung, welche Verfahren künftig angewandt werden, kann ich nicht geben. Das wird wie in der Vergangenheit vor allem die Vertretung der Bürger*innen, also die BVV, entscheiden. Vielen Dank.

 

Herr Pieper (CDU): Sehr geehrter Herr Vorsteher, meine Damen und Herren. Sehr geehrte Frau Weißler, vielen Dank für Ihre Beantwortung. Ich finde, Sie haben es sich ein bisschen leicht gemacht, deswegen will ich nochmal nachfragen. Die Frage dahingehend, ob Sie es nicht als problematisch empfinden, dass das Verfahren so ist? Dass man einfach etwas beschließt, ohne Bürger*innen zu beteiligen. Ist das Ihr Verständnis von Transparenz und Bürgerbeteiligung? Natürlich haben wir immer wieder Gesetze und wir sind gewählt, aber dann bräuchten wir nie Bürgerbeteiligung machen, weil das dann immer so wäre. Es ging darum, hier in der Frage 2, ob das Ihr Anspruch wäre, so wie das hier gelaufen ist, vom Verfahren. Mich würde da Ihre persönliche Auffassung oder die Auffassung des Bezirksamtes interessieren.

 

BzStaRin Frau Weißler antwortet: Habe ich das jetzt richtig verstanden? Sie stellen mir tatsächlich eine persönliche Frage? Herr Pieper, es tut mir leid. Das ist wirklich ein Prinzip von mir. Ich beantworte keine persönlichen Fragen und ich werde Ihnen das auch so nicht beantworten. Ich habe hier zu arbeiten, meine Arbeit als Bezirksstadträtin zu tun und das tue ich auch im Rahmen der von Ihnen gefassten Beschlüsse in der BVV.

Frau Schüler (AfD): Vielen Dank für die Beantwortung Frau Weißler. Sie sagen, die BVV steht letztlich für die Mitte der Bürgerschaft und trifft in deren Auftrag die Entscheidungen. Es gibt aber auch immer Bürger, die halt auch anderer Meinung sind. In Neukölln gab es auch vor kurzem eine Umbenennung der Wissmannstraße und es ist da zu einer Klage gekommen und das Bezirksamt hat da beschlossen, eine Klage nach Rücksprache mit dem Rechtsamt in diesem Fall nicht zuzulassen. Ist das etwas, was Sie bei den zu erwartenden Klagen gegen die Umbenennung der Mohrenstraße auch in Mitte ins Spiel zu bringen gedenken?

 

BzStaRin Frau Weißler antwortet: Frau Schüler, das irritiert mich jetzt wirklich sehr, weil eine Klage geht bei Gericht ein. Das Bezirksamt hat nicht darüber zu entscheiden. Wir hatten beim Afrikanischen Viertel Klagen und es wird sie garantiert auch in Bezug auf die Mohrenstraße geben, aber die gehen nicht beim Bezirksamt ein und kein Bezirksamt darf entscheiden, ob Klagen zulässig sind. Also das würde ich mir gerne nochmal im Detail angucken. Es könnte sein, dass sie Widersprüche und Klagen auf eine Stufe stellen. Widersprüche werden tatsächlich vom Bezirksamt abgewiesen, das ist sozusagen nach Rechtsprüfung die Aufgabe, Widersprüche zuzulassen oder abzuweisen. Das hatten wir auch beim Afrikanischen Viertel. Es kann sein, dass Neukölln festgelegt hat, diese Widersprüche gegen die Wissmannstraße nicht zuzulassen, aber Klagen kann das Bezirksamt nicht abweisen.

 

Herr Pieper (CDU): So, jetzt versuche ich es nochmal. Ich habe eben auch beides angeführt und nochmal explizit auf die zweite Frage Bezug genommen, wo es darum geht, ob eben dieses Verfahren dem Anspruch des Bezirksamtes für eine Bürgerbeteiligung genügt. Sehen Sie es als Bezirksamt so, dass das eine Form von gelungener Bürgerbeteiligung bei Straßenumbenennungen ist?  Diese Frage an die Stadträtin und an das Bezirksamt.

 

BzStaRin Frau Weißler antwortet: Die Umbenennung der Mohrenstraße ist tatsächlich eine Aktion aus der Bürgerschaft heraus in das Bezirksamt hereingetragen, also wir BVV ins Bezirksamt. Deswegen habe ich nochmal auf die seit fünf Jahren stattfindenden Umbenennungsfeste, ich glaube im August sind die immer, hingewiesen. glicherweise hat sich da auch mal ein Verordneter Ihrer Fraktion oder Ihrer Partei hin verirrt, denn auch da sind die Meinungen durchaus unterschiedlich. Es ist den anderen Weg gegangen, es ist nicht so, dass wir etwas ausgebrütet haben und werben dafür und machen es transparent und gewinnen dann im Nachhinein die Bürger*innen, der Weg war umgekehrt. Die BVV hat diese Bürger*innenbewegung aufgegriffen und auf einen politischen Entscheidungsweg gebracht, das ist ihre Aufgabe und das Bezirksamt hat dann seine Arbeit getan.

 

 

 
 

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