Drucksache - 3162/V  

 
 
Betreff: Gleis 69: Ein Mahnmal gegen das Vergessen wird vergessen?
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:Fraktion Bündnis 90/Die GrünenFraktion Bündnis 90/Die Grünen
Verfasser:F. Bertermann 
Drucksache-Art:Mündliche AnfrageMündliche Anfrage
Beratungsfolge:
BVV Mitte von Berlin Entscheidung
27.05.2021 
49. öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Mitte von Berlin beantwortet   

Sachverhalt
Anlagen:
1. MA Grüne vom 21.05.2021
2. Mündliche Beantwortung vom 27.05.2021

Ich frage das Bezirksamt:

 

  1. In welcher Form (z. B. Bebauungsplan II-184) erfolgte eine planungsrechtliche Absicherung der denkmalgeschützten Deportationsrampe des Gleis 69 des Güterbahnhofs Moabit?

 

  1. Welche Maßnahmen für die bauliche Rekonstruktion und Sicherung der

denkmalgeschützten Deportationsrampe des Gleis 69 gedenkt das Bezirksamt wann und mit welchen organisatorischen und finanziellen Mitteln einzuleiten?

  1. Welche Planungen von Grundstückseigentümern, deren Grundstücke an die Flächen der Deportationsrampe angrenzen bzw. Teile dieser Flächen beinhalten (z. B. Lidl, Quitzowstraße 23) sind dem Bezirksamt bekannt und wie ist der Stand der Bearbeitung von diesbezüglichen Bauanträgen?

 

Frau BzStR´in Weißler antwortet:
In welcher Form z. B. Bebauungsplan 202 184 erfolgte eine planungsrechtliche Absicherung der denkmalgeschützten Deportationsrampe des Gleises 69 des Güterbahnhofes Moabit? Ich muss da eine Bemerkung vorab machen. Man hat in den letzten Wochen den Eindruck gewinnen können, dass sich tatsächlich nur ein sehr enger Kreis, ja sogar nur eine Person, um den Erhalt des Güterbahnhofs als Gedenkort kümmert. Das ist falsch und für die Initiativen und Einzelpersonen, die sich mit ihrem unersetzbaren Wissen und Engagement seit Jahrzehnten darum kümmern auch sehr verletzend. Und ich glaube auch, dass das nicht dem Wunsch und dem Ansinnen eben der sehr kleinen Gruppe, die in letzter Zeit damit sehr in den Vordergrund gegangen ist, entspricht. Ich sag das hier, weil ich die Kränkung, die da ertragen werden, nachvollziehen kann. Die Rettung des Güterbahnhofs war und ist eine kollektive Leistung von der Stiftung Topografie des Terrors bis zum Eisenbahnexperten Andreas Schagon vom Mitte Museum bis zum gesamten Amt für Weiterbildung wurde um Erhalt, Gestaltung und Finanzen gerungen und gekämpft und jetzt immer noch. Die Gestaltung wurde durch Lotto finanziert. Und auch Lottomittel fallen nicht in den Schoß.


Erlauben Sie mir deshalb einige Hintergrundinformationen zum schwierigen Weg der Erhaltung zu geben. Das ist einfach notwendig, um das Gesamtproblem auch erfassen zu können. Wir haben uns 2012 daran gemacht, den zum Erliegen gekommenen Prozess um die Rettung der Reste des Güterbahnhofs und die Errichtung eines Gedenkortes wieder in Gang zu bringen, riefen einen Runden Tisch ein, formulierten, natürlich immer mit den engagierten Bürger/-innen, Rahmenbedingungen für den Wettbewerb usw. Und dazu gehörte auch das Bemühen um den Denkmalschutz, der ja auch in der gegenwärtigen Diskussion eine große Rolle spielte. Wir haben dann 2013 übermittelt bekommen, eine Nachricht, die das Denkmalamt unserer Unteren Denkmalschutzbehörde übermittelt hat in Bezug auf die unter Schutzstellung des Geländes. Das ist vielleicht für Sie auch interessant. Ich zitiere Herr Vorsteher: „Dass zwischen 2005 und 2006 ein erheblicher Teil der überlieferten Gleisanlagen, Gleis 69 und improvisierten Rampen beseitigt worden sind, hat das Landesdenkmalamt seinerzeit das Bezirksamt informiert, dass die angedachte unter Schutzstellung des Deportationsweges nicht weiter verfolgt wird und sich mit dem Bezirksamt auf die Aufstellung einer Informationstafel verständigt. Die damals getroffene Entscheidung hat für das Landesdenkmalamt weiterhin Bestand“.
Also, wir waren an einem Punkt, wo das Landesdenkmalamt dieUnterschutzstellung abgelehnt hat. Und es war ein langer Weg und wir sind geübt in Bohren dicker Bretter, um das wieder ins Rollen zu bringen und die Unterschutzstellung zu erreichen. 2016 wurden dann die historischen Reste des Gedenkortes, d. h., das Gleis und die Stichstraße sowie die Spundwand, auf Drängen des BA Mitte, in Abstimmung mit den Senatsverwaltungen, unter Denkmalschutz gestellt. Solange hat das dann gedauert. Und jetzt haben wir also den eigentlichen Gedenkort und die Straße. Wir haben aber noch nicht das, und das müssen Sie wissen, den anderen Teil, den man gar nicht im Moment als Gedenkort erkennt, weil sozusagen eine wilde Wiese darüber liegt und die Einfahrt von Lidl, von der Ellen-Ebstein-Straße, praktisch über diese Fläche drüberführt. Also man kann sie gar nicht erkennen. Aber wir wollten sie schützen. Und deswegen haben wir weiter gemacht und neben dem bereits entwickelten und für den Gemeinbedarf festgesetzten bezirklichen Gedenkort, das steht jetzt auch so im Grundbuch, wurde dann im B-Plan II 184 Flächen, auf der sich die ehemalige Militärrampe, also das Gleich 69 befand, als noch nicht entwickeltes Flächenplan ausgewiesen und gemäß §9, Abs. 6 Baugesetzbuch mit Hilfe des Planzeichens Umgrenzung von Gesamtanlagenensembles, die den Denkmalschutz unterliegen, gekennzeichnet. Also erst auf diesem Weg ist das dann gelungen.
Jetzt haben wird die Situation, dass der Güterbahnhof Moabit, also der eigentliche Gedenkort und auch das Flächendenkmal, das sind zwei verschiedene Dinge, unter Schutz stehen erstmal.

Die nächste Frage beantwortet Sie wie folgt:
Ein Abstimmungsgespräch zum Gedenkort, ehemaliger Güterbahnhof Moabit, fand auf Einladung des Landesdenkmalamtes, das jetzt auch mittlerweile seine Position geändert hat, unter der Beteiligung des Bezirksamtes Mitte -.Stadtplanung, FB Kunst, Kultur, Geschichte, Untere Denkmalschutzbehörde Topografie des Terrors, Vertreter/-innen des Vereins Gleis 69 e.V. - am 24.04.2019 statt. Die Anwesenden waren sich lt. Sitzungsprotokolle über die gesamtstädtische Bedeutung des Gedenkortes einig. Die Verantwortlichkeiten für ein gesamtstädtisches Verfahren konnte jedoch nicht geklärt werden. Nach Aussagen der Abt. Stadtentwicklung wäre die Finanzierung aus Stadtumbaumittel ein Entwicklungskonzeptes möglich. Voraussetzung für die inhaltliche Steuerung und die Koordination des Entwicklungskonzeptes wäre die Abt. Weiterbildung, Kultur, Umwelt,  Naturschutz usw., wenn wir die personellen Kapazitäten irgendwie beischaffen können. Das würden wir aber sehr sehr gerne tun. Das tun wir, weil wir in der Tat der Auffassung sind, und dazu haben wir sehr viel nachweisbare Arbeit geleistet incl. einer kleinen Buchbroschüre, dass diese Verantwortung für das Gelände tatsächlich beim Land liegen muss. 33.000 deportierte Menschen sind keine bezirkliche Angelegenheit. Das ist eine Aufgabe des Landes. Und in der Richtung arbeiten wir im Moment sehr intensiv, die Senatsverwaltung da deutlich stärker einzubeziehen, denn da sind die Möglichkeiten auch größer.
Jetzt kommt die spannende Frage, welche Planung von Grundstückseigentümern, deren Grundstücke an die Flächen der Deportationsrampe angrenzen bzw. Teile dieser Flächen beinhalten, z. B. Lidl Quitzowstraße 23, sind dem Bezirksamt bekannt, und wie ist der Stand der Bearbeitung von diesbezüglichen Bauanträgen? Ich hatte Ihnen ja schon erklärt, wir haben den Gütebahnhof, wir haben die Stichstraße, das ist klar, aber der andere Teil, dieses Flächendenkmals, das gehört tatsächlich zu dem Grundstück von Lidl. Und teilweise geht die Einfahrt sogar über dieses Flächendenkmal drüber. Die Abt. Stadtentwicklung, Soziales und Gesundheit haben uns folgenden Planungsstand mitgeteilt. Zur Quitzowstraße 23 wurde ein Vorbescheid mit Datum 24.09.2019 positiv beschieden, der sich auf die Zulässigkeit der Erweiterung der Lidl-Filiale auf einer Verkaufsfläche von1.078 m² unter Ausklammerung des Gebots der Rücksichtnahme nach Art der baulichen Nutzung bezog. Das meint Rücksichtnahme auf die Einzelhandelsentwicklung. Ein Bauvorbescheid ist keine Baugenehmigung oder irgend so was. Ich referiere jetzt den Stand des bürokratischen Ablaufs, wie ihn mir die Kollegen mitgeteilt haben. Außerdem befindet sich ein Bauantrag vom 09.11.2020 in der Bearbeitung. Dieser wurde im Ausschuss für Stadtentwicklung am 27.01. vorgestellt. Also die Mitglieder, die in diesem Ausschuss sind, kennen das. Zu den Grundstücken Quitzowstraße 24 und 25 gibt es keine offenen bzw. aktuellen Vorgänge. Das schreibt das Stadtentwicklungsamt deshalb, weil es tatsächlich nicht nur um das Lidl-Grundstück geht, sondern das ist ein sehr langer spitz zulaufender Flächenbereich, der dann tatsächlich noch über die anderen Grundstücke angrenzt. Das nimmt man immer nicht so wahr, wenn man es sozusagen nicht kennt. Für das angrenzende Grundstück Quitzowstraße 31, bis dahin reicht tatsächlich, wurde mit der Baugenehmigung Nr. 2014 vom 30.03.2016 ein Bürogebäude genehmigt. Die Genehmigung ist jedoch am 29.03.2019 ohne Baubeginn abgelaufen. Das ist genehmigt worden, bevor die Unterschutzstellung da war. Also, da haben sich die Ereignisse so überschnitten. Ich hoffe, ich habe Ihre Frage jetzt ausreichend beantwortet.

Herr Vorsteher Bertermann fragt nach, wie denn in der Praxis, aus Sicht des Bezirksamtes in dem Bebauungsplanentwurf, der ja ausgelegt wurde, dieses Gleis 69 geschützt wird, weil den Namen Gleis 69 und Deportationsfläche finde ich zumindest in dem Text, der ausgelegt wurde, nirgendwo. Also man hatte nicht den Eindruck, dass es irgendwie etwas Besonderes ist, was es eigentlich sein sollte. Also die spannende Frage, insbesondere aus der ersten: Wie ist es wirklich, oder wie soll es wirklich planungsrechtlich gesichert werden im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens ist mir noch nicht so richtig nachvollziehbar, da ich es nirgendwo finde, die spannende Frage ist.

Herr BzStR Gothe antwortet:
Sehr geehrter Herr Vorsteher, sehr gerne. Die Planzeichnung, die Ihnen offensichtlich nicht vor Augen steht, die macht das erst mal ganz pragmatisch, in dem sie den Bereich der Gleisanlagen, die noch vorhanden sind und die unter Denkmalschutz gestellt wurden als denkmalgeschützte Fläche ausweist. Damit ist es planungsrechtlich geschützt. Damit können wir einerseits verhindern, dass da irgendeiner Form von Überbauung stattfinden könnte. Und 2. machen wir damit den Willen der Gemeinde deutlich, dass das eben etwas erhaltenswertes ist, was z. B. der vorhandenen Zufahrt von Lidl entgegensteht, die da einfach so rüber brettert. Ich kann vielleicht auch noch ergänzen, dass wir neulich ein Gespräch hatten, wir mit Lidl alle Standorte mit durchgegangen sind, so auch dieses, und wir haben da unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Erweiterungspläne von Lidl an der Stelle nicht genehmigungsfähig sind und dass wir da auch kein Weg irgendwie reinsehen, sondern dass wir im Gegenteil Lidl gesagt haben, wir würden das gerne so regeln, dass diese denkmalgeschützte Fläche vollständig in den Landesbesitz kommt, auch wenn wir noch nicht wissen, wie das zu bewerkstelligen ist und haben Lidl auch tendenziell zu verstehen gegeben, dass, wenn die Erschließung über diese Fläche nicht mehr da ist, dass das Grundstück eigentlich als Supermarktgrundstück dann nicht mehr richtig taugt, weil es dann ja von der Quitzowstraße erschlossen ist und da soll ja eigentlich kein großer Publikumsverkehr rüber geleitet werden. So, das fand natürlich überhaupt keine Zustimmung. Jedenfalls wurde die Haltung des Stadtplanungsamtes dort glasklar vermittelt. Und jetzt haben die das mitgenommen und müssen mal darüber nachdenken. Wir sind so weit gegangen, dass wir gesagt haben, falls Lidl sich von diesem Standort ganz verabschieden möchte, sind wir gerne bereit, z. B. mit dem Senat die Möglichkeit zu erörtern, ob diese Fläche übernommen wird, beispielsweise durch die VISTA, um dann an der Quitzowstraße eine Gewerbeentwicklung zu machen, die verkehrsmäßig gesehen verträglich ist und die dann aber auch so gestaltet ist, dass es dem Flächendenkmal gerecht wird. So als Perspektive wollen wir das nicht ausschließen. Jetzt müssen wir mal gucken, wie sich das weiterentwickelt.

Herr Vorsteher Bertermann fragt weiter nach als Verständnisfrage: Sie sagen jetzt, Sie haben vor kurzem Lidl erklärt, sie kriegen keine Erweiterung entgegen dem Bauvorbescheid, wo sie ja einer Erweiterung 799 auf 1.078 m² genehmigt haben.
Herr BzStR Gothe antwortet: Nein, das hatten wir schon versucht im Ausschuss klar zu stellen. Dieses Gebot der Rücksichtnahme ist davon eben ausgeklammert und durch die Verabschiedung des neuen Einzelhandelskonzeptes wird eben belegt, dass hier es an dieser Rücksichtnahme fehlt, nämlich auf die Zentrenentwicklung und dass deshalb aus diesem Bauvorbescheid keine Rechte in Richtung einer Baugenehmigung abgeleitet werden können.

Herr Vorsteher Bertermann fragt nach, ob abzusehen sei, wann der Bebauungsplan mal beschlossen wird oder wann uns zumindest die Auswertung der Bürger/-innenbeteiligung zugeht?


Herr BzStR Gothe antwortet: Nein, das habe ich jetzt nicht im Kopf, aber können wir gerne nachreichen.
Herr Bertermann: Da wäre ich doch glatt dankbar.

Frau BzSttR´in Weißler antwortet: Nein, bestimmt nicht zum B-Planverfahren, sondern ich habe jetzt eben bei der Prüfung der Fragen festgestellt, dass ich einen Hinweis vergessen habe, der im Zusammenhang auch immer wichtig ist, weil durcheinander sorgt. Diese Spundwände, die ja auch auf der Stichstraße zu sehen sind, die dann zum eigentlichen Gedenkort führt, die sind schon auf dem Lidl-Grundstück, was auch immer wieder zu Schwierigkeiten führt, weil das Landesdenkmalamt nicht zu Unrecht sagt, der Eigentümer ist verpflichtet, für die Instandhaltung des Denkmals zu sorgen. Nun finden wir aber, dass das Landesdenkmalamt da, sagen wir mal, etwas lässig mit dieser Forderung umgeht. Aber ich versichere Ihnen, auch da sind wir mit gefletschten Zähnen und gebotener Diplomatie dabei, da Nachdruck zu erzeugen.

Herr Vorsteher Bertermann:
Wenn es dann irgendwann einmal Fotos von den gefletschten Zähnen mit der gebotenen Diplomatie gibt, dann wären wir alle total begeistert, sie zu sehen.
Ich würde jetzt allerdingsfeststellen, dass die Zeit für die Mündlichen Anfragen abgelaufen ist und in Erinnerung an unseren Beginn war der Vorschlag die Pause zu machen von einer halben Stunde.

 
 

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