Drucksache - 1255/3
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Die BVV hat in Ihrer Sitzung am 30.04.2009 beschlossen:
Das Bezirksamt wird aufgefordert, die in der Liste aufgeführten Straßenumbenennungen in Charlottenburg und Wilmersdorf, die in der Zeit von 1933 bis 1945 vorgenommen wurden, darauf zu prüfen, ob für die Umbenennung politische Gründe vorlagen, insbesondere, um Namen von jüdischen Personen zu beseitigen. Es sind folgende Umbenennungen zu überprüfen:
Arrehniusweg (Warburgstraße) 16.05.1938 Friedrich-Friesen-Allee (Rominter Allee, Graditzer Allee) 23.04.1936 Heubnerweg (Frankstraße) 17.09.1938 Kohlrauschstraße (Hertzstraße) 16.05.1938 Lüdtkeweg (Reissstraße) 11.03.1937 Wundtstraße (Königsweg) 01.12.1936 Zauritzweg (Weimarer Straße) 02.08.1933 Hagenplatz (Kurmärker Str. und Platz) 18.09.1934 Klindworthsteig (Sternstraße) 16.05.1938 Lassenstraße (Siemensstraße) 16.04.1937 Regerstraße (Mahlerstraße) 03.10.1935 Taubertstraße (Rathenauallee) 25.10.1936
Der BVV ist bis zum 30. Juni 2009 zu berichten.
Hierzu wird Folgendes berichtet:
Die Zuständigkeit für Benennungen/Umbenennungen lag seinerzeit bei der Polizeibehörde, Unterlagen über die Beweggründe für die zu überprüfenden Umbenennungen liegen hier im Hause nicht vor.
Das Bezirksamt betont an dieser Stelle, dass eine fundierte, historische belegte Aufarbeitung von Umbenennungen, die während der Zeit des Nationalsozialismus erfolgt sind, aufgrund des damit verbundenen personellen Verwaltungsaufwandes nicht leistbar ist. Eigene Recherchen im Internet lassen aber die Vermutung zu, dass einige Umbenennungen politische Hintergründe hatten. Unter anderem wurde auf der Internetseite des Luisenstädtischen Bildungsvereins e.V. recherchiert. Dieser arbeitet in Kooperation mit Kauperts Straßenführer (www.luise-berlin.de) die Benennung von Straßen in Berlin auf.
Eindeutige ideologische Gründe für die Umbenennungen lassen sich mit hiesigen Mitteln nicht ermitteln. Wenn die Personen, deren Namen durch die Umbenennung getilgt wurden, jüdischen Glaubens waren, liegt eine ideologische motivierte Umbenennung nahe. Dies lässt sich aber seitens des Bezirksamtes nicht nachweisen.
Das vom Bezirksamt angefragte Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin hat die Auflistung des Bezirksamtes durchgesehen, konnte jedoch aus seinen Unterlagen und Möglichkeiten keine eigenen Recherchen durchführen.
1) Warburgstraße in Arrehniusweg am 16.05.1938Der Jude Emil Warburg konvertierte später zum evangelischen Glauben. Der Arrehniusweg ist nicht als öffentliches Straßenland gewidmet.
2) Rominter Allee/Graditzer Allee in Friedrich-Friesen-Allee am 23.04.1936 Die Umbenennung erfolgte im Vorfeld der Olympischen Spiele. Karl Friedrich Friesen (1784-1814) war Mitbegründer der deutschen Turn- und Sportbewegung.
3) Frankstraße in Heubnerweg am 17.09.1938 Der Vater von Adolph Frank war ein jüdischer Kaufmann.
4) Hertzstraße in Kohlrauschstraße am 16.05.1938 Die Großeltern von Heinrich Hertz waren jüdischen Glaubens, sein Vater, Gustav Ferdinand Hertz, war allerdings getaufter Protestant.
5) Reisstraße in Lüdtkestraße am 11.03.1937 Auf den Seiten der englischen Wikipedia-Ausgabe ist vermerkt, das Johann Philipp Reis Sohn jüdischer Eltern war.
6) Königsweg in Wundtstraße am 01.12.1936 Mit Anlage der Militäreisenbahnline Berlin-Potsdam entstand zwischen 1873 und 1879 im königlichen Forst Grunewald eine begradigte lange Schneise. Diese trug dann auf ganzer Länge den Namen „Kronprinzessinnenweg“. Mit Bildung von Groß-Berlin 1920 wurde der Abschnitt des Hüttenweges (ab dem heutigen Ortsteil Grunewald) namentlich dem Charlottenburger Königsweg zugeordnet. Seit 1936 heißen die städtischen Abschnitte Wundtstraße, Messedamm und Eichkampstraße. Eine ideologisch motivierte Umbenennung ist unter der Tilgung monarchischer Begriffe denkbar. Wilhelm Max Wundt (1832-1920) war Philosoph und Psychologe.
7) Weimarer Straße in Zauritzweg am 02.08.1933 Der Polizei-Oberwachtmeister Josef Zauritz begleitete am 30.01.1933 dienstlich einen SA-Zug und wurde Opfer einer Schießerei, deren Hintergründe nie gänzlich aufgeklärt werden konnten. Die Nationalsozialisten nahmen den Vorfall jedoch zum Vorwand, um wiederholt umfangreiche Razzien gegen zuvor listenmäßig aufgeführte Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter durchzuführen. Die Umbenennung dürfte ideologisch motiviert gewesen sein.
8) Kurmärker Str. und Platz in Hagenplatz am 18.09.1934 Benennung bis 18.9.1934 nach der Kurmark, einem Territorium, das seit 1356 mit der Kurwürde verbunden war. Die Kurmark Brandenburg umfasste die Altmark, die Mittelmark, die Prignitz, die Uckermark sowie die Herrschaften Beeskow und Storkow. Nach dem Wiener Kongress 1815 ging die Kurmark (ohne die Altmark) mit der Neumark und sächsischen Gebieten in der preußischen Provinz Brandenburg auf. Bei der Umbenennung 1934 erhielt ein Teil der Kurmärker Straße zusammen mit dem Kurmärker Platz den Namen Hagenplatz. Otto von Hagen war seit 1863 Oberlandforstmeister in der preußischen Staatsforstverwaltung.
9) Sternstraße in Klindworthsteig am 16.05.1938Wikipedia zufolge war Julius Stern jüdischen Glaubens. Er wurde nach seinem Tode im Jahr 1883 auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt.
10) Siemensstraße in Lassenstraße am 16.04.1937 Zu dieser Umbenennung lassen sich keine Gründe ermitteln. Der in Norwegen geborene Christian Lassen (1800-1876) war Indologe und Orientalist.
11) Mahlerstraße in Regerstraße am 03.10.1935 Gustav Mahler war österreichischer Komponist und Dirigent. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft war Mahler zur Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland verfemt. „Im Zuge der Beseitigung von Straßennamen nach jüdischen Personen durch die Nationalsozialisten erfolgte 1935 die Umbenennung in Regerstraße.“ (luise-berlin.de)
12) Rathenauallee in Taubertstraße am 25.10.1936 Der jüdische Politiker und Unternehmer Walther Rathenau wurde am 24. Juni 1922 von Mitgliedern der terroristischen Organisation „Consul“ ermordet. Eine Umbenennung aus ideologischen Gründen liegt nahe.
Die durch die Umbenennungen geehrten Personen stehen nach erfolgten Recherchen nicht im Verdacht, aktive Gegner der Demokratie und zugleich geistig-politische Wegbereiter und Verfechter der nationalsozialistischen Ideologie und Gewaltherrschaft gewesen zu sein.
Das Bezirksamt bittet daher, die Drucksache als erledigt zu betrachten.
Monika Thiemen Klaus-Dieter Gröhler Bezirksbürgermeisterin Bezirksstadtrat
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