Auszug - "Es striedert wieder" - oder SenStadt greift wieder in bezirkliche Zuständigkeiten ein  

 
 
22. Öffentliche Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin
TOP: Ö 8.2
Gremium: Bezirksverordnetenversammlung Beschlussart: beantwortet
Datum: Do, 10.07.2008 Status: öffentlich
Zeit: 16:30 - 22:00 Anlass: ordentliche Sitzung
0935/3 "Es striedert wieder" - oder SenStadt greift wieder in bezirkliche Zuständigkeiten ein
   
 
Status:öffentlich  
 Ursprungaktuell
Initiator:CDU-Fraktion 
Verfasser:Schmitt/Häntsch 
Drucksache-Art:Große AnfrageGroße Anfrage
 
Beschluss

Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

 

Zur Beantwortung Herr BzStR Gröhler:

 

Zu 1.

Ja, es trifft zu, meine Damen und Herren, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mal wieder einen Vorgang an sich gezogen hat. Es hat ja schon fast gute Tradition, dass einem Zuständigkeiten und Bebauungspläne aus der Hand genommen werden. Zumindest hatte es die Tradition unter dem Vorgänger-Senator und ich habe noch die Worte im Ohr  von Senatorin Ingeborg Junge-Reyer, als sie sich in der ersten neuen Baustadträtesitzung damals vorstellte, nach dem Peter Strieder gegangen war. Sie erklärte, wie sie in Zukunft mit uns umgehen würde und sie sagte, sie würde viel weniger eingreifen und viel weniger von oben herab Ansagen machen, sie würde viel öfter mal zum Telefonhörer greifen und reden.

 

Ich weiß nicht, was mit der Telefonanlage bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zwischenzeitlich passiert ist, aber die Anrufe sind sehr spärlich gekommen und die Weisungen haben leider dann doch nicht abgenommen. Und haben wir gedacht, mit dem Toilettenhäuschen am Brandenburger Tor, gegenüber dem Bezirksamt Mitte, ist schon der Höhepunkt der Weisungstätigkeiten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erreicht, so sind wir nun eines Besseren belehrt worden. Nun geht es nicht mehr um ein ganzes Bauvorhaben, sondern nur noch um die Frage der Dachform, die zur gesamtstädtischen Bedeutung wird und die Berliner Zeitung hat ja, glaub ich heute, so nett geschrieben, dass ein Dach praktisch die ganze Stadt an der Stelle mit beeinflusst. Da kann man mal sehen, wie wichtig der Stuttgarter Platz inzwischen geworden ist.

 

Den Vermutungen, die der Bezirksverordnete Häntsch eben zum Besten gegeben hat, möchte ich nicht entgegentreten. Da scheint einiges dran zu sein, dass insbesondere die Senatsverwaltung, weil die Sorge hatte, dass der Bebauungsplan vom Oberverwaltungsgericht teilweise zumindest weggeschossen wird. Diese Sorge hat sie sicherlich dann angetrieben, in das Verfahren einzutreten.

 

Zu 2 und 3.

Eine Weisung ist dem Ganzen vorausgegangen, und zwar eine Weisung, die der zuständige Abteilungsleiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am 5. Juni an mich gerichtet hat. Ich bin mit dieser Weisung in das Bezirksamt gegangen und wir waren abteilungsübergreifend der Auffassung, dass wir dieser Weisung nicht nachkommen müssen und sollen und können und sahen uns auch im guten Recht in dieser Frage und haben das auch schriftlich gegenüber SenStadt begründet, weil wir verfügen ja über ein Schreiben der Frau Senatsbaudirektorin vom 30.10.2007 zu dieser Thematik und da hat sie damals an mich geschrieben, Zitat:

“Die Entscheidung darüber liegt jedoch selbstverständlich bei Ihnen.”

 

Ihnen groß geschrieben, also nicht nur beim Bezirk, sondern bei mir offensichtlich persönlich. Also, bin ich davon ausgegangen, dass es gar keine Weisungsnotwendigkeit geben kann, weil ich bin ja der Letztentscheider. Und Sie erinnern sich, meine Damen und Herren, ich wollte das ja nicht allein entscheiden. Ich bin dann damals in den Ausschuss gegangen und was steht noch auf dem Schreiben, in schwarzer Tinte, vom Stadtplanungsleiter drauf? “Im Planungsausschuss 28.11.  Bedenken von SPD, ergo wird TOP in Januar-Sitzung”.

 

Damals war es insbesondere die SPD-Fraktion, die sagte also, das sehen wir sehr kritisch, nun diese Dachform wieder zu verändern, mit gutem Grund, weil es hatte ja doch vor Ort ein, na ich sage mal, fast plebiszitäres Verfahren der Entwicklung des Bebauungsplans gegeben, weil die Bürgerinitiative ja dort jeden Backstein mitbestimmt hat und daran nun etwas zu ändern, das hätte ja doch an den Grundsätzen schon gerüttelt, ich will es aber gar nicht überspitzen und wir sind ja dann im Januar in den Ausschuss mit der Vorstellung des Projektes gegangen. Da war es ja nicht nur die SPD-Fraktion, sondern es waren alle Fraktionen über alle Grenzen hinweg, die sagten “Bezirksamt, es ist zwar Deine Entscheidung, aber wir empfehlen nicht zu befreien”. Und so habe ich dann auch entschieden und der Senatsbaudirektorin mitgeteilt und siehe da der Satz, dass die letzte Entscheidung bei mir liege, der hatte in dem Moment keine Gültigkeit mehr, wo ich nicht so entschieden habe, wie die Senatsbaudirektorin gerne wollte. Also, das Recht was sie mir schriftlich verbrieft hat, galt offensichtlich nur für den Punkt, dass ich dieselbe Meinung habe wie sie und wenn ich davon abweiche, dann wird eben doch angewiesen. 

 

Zu 4.

Der Vorgang ist ärgerlich, weil er damit jedem Investor eigentlich wieder zeigt, wir brauchen uns gar nicht mit den bezirklichen Kompetenzen und Instanzen auseinander zu setzen. Wenn du ein richtiges Druckmittel in der Hand hast und zur Senatsverwaltung gehst, dann erreichst du schon, was du willst. Du musst dann einfach nur dafür sorgen, dass dies dem Bezirk weggenommen wird.

Damit werden wir zu einem zahnlosen Tiger an der Stelle. Das ist die Abschaffung der bezirklichen Kompetenzen stückweit wieder durch die kalte Küche, wir werden an dieser Stelle wieder übergangen, obsolet, unwichtig. Auch insofern ärgerlich, weil es ja allen Sonntagsreden zur Stärkung der Bezirke massiv widerspricht und man sieht eben, was es wert ist, wenn es Meinungsverschiedenheiten zwischen Bezirks- und Landesebene gibt, Ober sticht Unter. Das ist zwar so, aber Ober wird auch dann zur Anwendung gebracht, wenn es sich eigentlich gar nicht lohnt. Also, ich sage mal hier, dass es um ein Vorhaben von gesamtstädtischer Bedeutung handelt, ist eigentlich eine Farce und wird auch dem gesetzlichen Auftrag, der aus dieser Kompetenz für die Senatsverwaltung im Einzelfall ja besteht, wird die Sache ausgehöhlt.

 

Nun können Sie sich fragen, warum klagt das Bezirksamt nicht? Weil dieses Bezirksamt ja seit dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, damals ging das Bezirksamt Charlottenburg in der Frage Leibnizstraße, Bebauung des dortigen Parkplatzes, leidvoll erfahren musste, dass gesamtstädtische Bedeutung ein ziemlicher Gummibegriff ist und vom Senat jeweils nach politischem Gusto ausgelegt werden kann. Ob das Gericht nun so weit gehen würde zu sagen, dass das auch bei dem Streit des Widerspruchsverfahrens um die Dachform möglich ist, weiß ich nicht, aber ich sage ganz offen, ich sehe nicht richtig, dass es diesen Streit lohnt, wenn die Senatsverwaltung unbedingt dieses Widerspruchsverfahren bescheiden will, weil sie meint, sie wüsste besser, wie die Dachform dort auszusehen hat als die bezirkliche Zuständigkeit, dann soll sie es machen. Ich wünsche ihr alles Gute. Ich würde mich fast freuen, wenn der Investor das Normenkontrollverfahren weiterführt, aber diese Wünsche darf ich hier nicht äußern.

 

 
 

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